Es gibt im Englischen eine zwar nicht unbedingt schöne, aber sehr anschauliche Metapher: “You can’t un-ring a bell” – das Läuten der Glocke lässt sich nicht zurücknehmen. Es wird typischer Weise verwendet um etwas zu beschreiben, das wie ein böses Gerücht nicht mehr aufzuhalten ist, wenn es einmal gestreut wurde. Und eines der bösartigsten Gerüchte ist wohl die angebliche Autismus-Gefahr, die von Masern-Impfstoffen ausgeht. Das Bösartige daran ist, dass diese Fehlinformation auch weiterhin verbreitet wird, obwohl sie nachweislich als Irrtum enttarnt und ihr Urheber, der britische Mediziner Andrew Wakefield, umfassend diskreditiert wurde. Und das hat die böse Folge, dass sich die Masern nun wieder dramatisch ausbreiten, weil zu viele verunsicherte Eltern ihre Kinder nicht impfen lassen: In den USA ist die Zahl der Masern-Infektionen allein im ersten Halbjahr 2011 auf 156 angestiegen; im Vergleich dazu lag die durchschnittliche Zahl der Infektionen im vergangenen Jahrzehnt bei unter 50 pro Jahr.
Diese Zahlen wurden von Gregory Poland, dem Leiter der Impfforschung an der Mayo Clinic in Rochester (Minnesota), in der aktuellen Ausgabe der Mayo Clinic Proceedings veröffentlicht. Und sie sprechen eigentlich für sich …
Eines der Probleme ist, dass wir Masern a) als eine “Kinderkrankheit” bezeichnen, was suggeriert, dass sie Erwachsene nicht treffen kann, und b) dem Irrglauben verfallen, sie seien dementsprechend harmlos. Dass “nur” etwa einer von 300 Fällen tödlich verläuft, mag natürlich eine Erklärung dafür sein, dass wir viel mehr Menschen in unserem Bekanntenkreis finden, die Masern überlebt haben, als Fälle, in denen sie tödlich verlaufen sind. Aber sie sind eine der tödlichsten Infektionskrankheiten weltweit: Laut der Weltgesundheitsorganisation WHO starben allein im Jahr 2008 etwa 164.000 Patienten – die meisten davon Kinder unter fünf Jahren – an einer Maserninfektion. So gesehen, sind Masern in der Tat eine Kinderkrankheit – eine, die vor allem Kinder tötet.
So sehr ich die Sorge der betroffenen Eltern um Autismus teile (mehr, als manche vielleicht ahnen) – Masern sind hier bestimmt nicht “das kleinere Übel”. Und falls mir jetzt jemand mit dem Argument kommt, dass er/sie als Kind ja schließlich auch die Masern gehabt habe “und es hat mir nicht geschadet” – das gleiche Argument hört man von Eltern, die ihre Kinder verprügeln. Anstatt darauf zu beharren, ihren Kindern den lebensrettenden Impfschutz zu verweigern, sollten sie lieber fordern, dass die Ursachen des Autismus besser erforscht werden.
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