Bisher habe ich die langen Gänge des Massachusetts Institute of Technology ja nur als Besucher durchschritten. Aber seit gestern – Semesterbeginn in den USA – gehöre ich, wenn man so sagen will, dazu: Als Lecturer im Programm Writing across the Curriculum soll ich Studenten das Schreiben beibringen. Diese Information hat so gut wie nichts mit dem zu tun, worum es hier gehen wird – aber ich wollt’s einfach mal erwähnt haben. Danke. Zurück zu den langen Gängen des MIT – hier liegt, an allen Ecken und Enden, die Studentenzeitung The Tech aus. Und um die soll’s gehen …
Ab und zu habe ich auch früher schon mal in das Blatt geschaut – die New York Times ist’s nicht gerade (abgesehen von den Artikeln, die aus der New York Times nachgedruckt werden, versteht sich), und ich müsste lügen, wenn ich behaupten könnte, dass mir bisher ein bestimmter Artikel ins Auge gestochen wäre. Doch diesen Meinungsbeitrag in der aktuellen Ausgabe fand ich, sagen wir mal, bemerkenswert: Der Kommentator nimmt darin den Leitartikel Manufacturing a Recovery auseinander, den die MIT-Präsidentin Susan Hockfield vor einigen Tagen für die New York Times geschrieben hatte. Bemerkenswert ist dabei nicht so sehr die Tatsache, dass der Tech-Kolumnist (der, im Gegensatz zu den meisten anderen Mitarbeitern der Zeitung sein MIT-Studium bereits abgeschlossen hat – was sicher einiges erklären kann) kein gutes Haar an den Ausführungen der Uni-Präsidentin lässt. Sondern der Ton, in dem er das tut. Ich zitiere mal die harscheste Stelle aus dem Beitrag, der mit den Worten Nonsense, followed by begging überschrieben ist:
it’s drivel — a load of economic snakewater sold only by the incompetent and malintentioned. Given Hockfield’s utter lack of economic credentials and her conflict of interest in the matter, you’re free to take your pick. But read the article — it’s an instructive example of how little intellectual rigor exists in Hockfield’s made up system of economics.
Es ist blödsinniges Gefasel – eine Ladung ökonomischen Schlangenöls, das nur von Inkompetenten oder Übelmeinenden angeboten wird. Bedenkt man Hockfields völligen Mangel jeglicher ökonomischer Qualifikation und ihren Interessenkonflikt in diesr Angelegenheit, könnt Ihr euch aussuchen, wofür Ihr euch entscheidet. Aber lest den Artikel – er ist ein lehrreiches Beispiel dafür, wie wenig intellektuelle Stringenz in Hockfields selbstgemachtem System der Ökonomie steckt.
Deutliche Worte. Und dass sie in der Uni-Zeitung gedruckt werden, gewiss ein Musterbeispiel für freie Rede. Aber dennoch frage ich mich verwundert: Ist das nun Zivilcourage – Sanktionen scheint der Autor jedenfalls nicht befürchten zu müssen: er hatte die Uni-Präsidentin vor einigen Monaten bereits der “Voodoo Innovationomics” bezichtigt – oder einfach nur plumpe, Aufmerksamkeit heischende Respektlosigkeit, in der Gewissheit, dass einem sowieso nichts passieren wird?
Ich habe übrigens mal überflogen, was dieser Tech-Kolumnist auch zu anderen Themen geschrieben hat, und … sagen wir mal: Ich glaube nicht, dass wir im Dialog sehr viele Gemeinsamkeiten zwischen uns entdecken würden. Doch es geht nicht darum, welche Position er hier vertritt, sondern wie er sie vertritt.
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