Wie? Noch nicht gehört, dass Apfelsaft hochgiftig ist, voll mit Arsen? Na, es wird nicht lange dauern, bis diese “Warnung” auch aus dem US-Fernsehen rüberschwappt – weil einfach nichts, was im US-Fernsehen läuft, sehr lange braucht, bis es auch den deutschen Medienkonsumenten serviert wird. Worum geht’s? Der amerikanische TV-Doktor Mehmet Oz hat in seiner Sendung vor Apfelsaft gewarnt, da ein von ihm beauftragtes Labor in zehn von 36 Apfelsaftproben namhafter Hersteller einen deutlich höheren Arsengehalt als im Trinkwasser erlaubt gefunden hat.

So weit, so schlimm. Und als jemand, der Chemie mit dem Vorabitur losgeworden ist, wäre mir da vermutlich auch erst mal die Apfelsaftschorle vor Schreck wieder zur Nase herausgekommen. Doch offenbar hat der TV-Doc dabei einen Fehler gemacht – und zwar einen, vor dem er von den Experten der amerikanischen Food and Drug Administration ausdrücklich gewarnt wurde. Und nein, das war keine Warnung der Art, die Verschwörungstheorien nähren könnte, sondern eher eine fachliche Nachhilfestunde, dass Arsen nicht gleich Arsen ist (wie das bei Metallen so üblich ist, spielt es eine Rolle, in welcher chemischen Verbindung sie auftauchen). Worauf es dabei ankommt, hatte die FDA der Produzentin der Dr.-Oz-Show schon rechtzeitig vor der Ausstrahlung erklärt (den vollen Wortlaut des Schreibens gibt es hier):

We appreciate that you have made the results of these tests available to us. As we have previously advised you, the results from total arsenic tests CANNOT be used to determine whether a food is unsafe because of its arsenic content. We have explained to you that arsenic occurs naturally in many foods in both inorganic and organic forms and that only the inorganic forms of arsenic are toxic, depending on the amount. We have advised you that the test for total arsenic DOES NOT distinguish inorganic arsenic from organic arsenic.
Wie begrüßen es, dass Sie uns die Ergebnisse dieser Tests zur Verfügung gestellt haben. Wie wir Ihnen früher bereits erklärt haben, können die Ergebnisse von Test auf den Gesamt-Arsengehalt NICHT zur Entscheidung dienen, ob ein Lebensmittel einen gefährlichen Arsenanteil hat. Wir haben Ihnen erklärt, dass Arsen in vielen Lebensmitteln natürlich vorkommt, sowohl in anorganischer als auch in organischer Form, und dass nur die anorganischen Formen von Arsen giftig sind, in Abhängigkeit von der Menge. Wir haben Ihnen erklärt, dass der Test auf den Arsen-Gesamtgehalt NICHT zwischen anorganischem und organischem Arsen unterscheidet.

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Auf dieses Thema bin ich bei Pharyngula, auf den amerikanischen ScienceBlogs gestoßen, wo sich der Biologieprofessor P.Z. Myers darüber auch gebührend echauffiert hat. Natürlich ist es immer gut, sich Gedanken über die Sicherheit unserer Lebensmittel zu machen, aber wenn mit – bewusst – falschen Methoden eine Angst geschürt wird, dann ist das garantiert auch extrem ungesund. Wenn also in Deutschland demnächst die Angst vorm Apfelsaft als Arsencocktail umgehen sollte – ein Link hierher genügt.

Foto: Patrick Geltinger (CC-2.0, CC-3.0), via Wikimedia Commons

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Kommentare (10)

  1. #1 michael
    17. September 2011

    Na dann warten wir mal, bis der erste Saftvertreter kommt, und sagt dass sein Saft selbstverständlich kein Arsen enthält.

  2. #2 Roland
    17. September 2011

    Ich habe zwar Chemie mit dem Vordiplom abgelegt, aber soweit ich das verstanden habe, ist englisch arsenic das Element Arsen und nicht Arsentrioxid, was im Deutschen als Arsenik bezeichnet wird.
    Es gibt sicher Arsen in verschiedenen organischen oder anorganischen Verbindungen, und je nachdem ist es toxisch oder unbedenklich, aber Arsenik (in deutschen Texten) ist meines Wissens immer die gleiche Substanz (nämlich die, die umgangssprachlich als Arsen bezeichnet wird) und durchaus gefährlich.

  3. #3 Stefan W.
    17. September 2011

    Das Problem von Apfelsaft ist nicht der Arsenik-, sondern der Zuckergehalt. Da kann man auch gleich Cola trinken, oder fast – viel nimmt sich das nicht.

  4. #4 Jürgen Schönstein
    17. September 2011

    Roland hat Recht: Es geht um Arsen, nicht Arsenik (im ersten Satz hatte ich’s auch noch richtig).

  5. #5 Karl Mistelberger
    17. September 2011

    Ähnlichen Unfug gibt es höchstrichterlich in Form des Nulltoleranzgentechnikpollenhonigurteils.

  6. #6 WolfgangK
    17. September 2011

    Den Unfug gibt´s nicht nur neuerdings höchstrichterlich, sondern schon lange bei ahnungslosen Gesundheitsfanatikern, die sich über Metalle im Trinkwasser, der schlimmen Umgebungsdauerradioaktivität oder anderer natürlicher (Gift-) Stoffe in Lebensmitteln beschweren. Übrigens müsste ich bei einer Arsenvergiftung durch Apfelschorle schon tot oder zuzmindest schwer vergiftet sein. Mein täglicher Bedarf liegt zwischen 2-3 ltr, im Sommer bis zu 4 ltr leckerer Apfelschorle aus der Rhön, und das seit mehr als 20 Jahren. Vielleicht aber habe ich dadurch die Möglichkeit, bei einem Giftanschlag mit Arsen dem Tod zu entrinnen, alldieweil ich mich daran gewöhnt habe… (gab es da nicht einen Roman?)

  7. #7 Kallewirsch
    17. September 2011

    Na dann schüren wir das doch mal weiter:
    Wie sich jeder bei Wikipedia informieren kann, ist Chlor keineswegs eine harmlose Substanz
    https://de.wikipedia.org/wiki/Chlor#Sicherheitshinweise
    Schon 0.5-1% in der Atemluft sind tödlich!

    Wussten sie schon, dass gewöhnliches Kochsalz zu mehr als 50% aus Chlor besteht! Was will man uns hier verheimlichen? Will uns die Regierung und die Pharmaindustrie alle umbringen? Warum warnen so viele Ärzte und raten zu salzarmer Ernährung? Was wissen die, was wir nicht wissen?

    So schürt man Ängste.

  8. #8 Sven Türpe
    17. September 2011

    Tu doch nicht so als hätte ausgerechnet ein Journalist nicht den leisesten Schimmer, wie PR funktioniert. So etwas “schwappt” nicht einfach so unschuldig “aus dem US-Fernsehen herüber”. Die einzige relevante Information fehlt oben: Attention Whore oder Spin Doctor? Für die inhaltlich ähnlich gelagerte Uran-im-Wasser-Nummer ist diese Frage inzwischen geklärt, damit werden unnötige Wasserfilter verkauft. Müssen wir beim Arsen im Apfelsaft auch Jahre warten, bis sich der Profiteur der gemachten Stimmung offen zeigt, oder kann uns der Journalismus hier vielleicht einen Dienst erweisen?

  9. #9 Popeye
    17. September 2011

    Haha, der war gut, Jürgen! Als ob Deutschland in diesen Sachen noch importierte Panikmache braucht! 😉
    Uran im Trinkwasser
    Uran im Dünger
    Handystrahlung
    Pestizidverseuchung
    Gentechnikverseuchung
    E-Nummern
    usw.
    usf.

    Aber schön zu sehen, das wir nicht alleine sind!

  10. #10 Zillatron
    Karlsruhe
    19. September 2013

    Und das gleiche Spielchen treibt jetzt Frau Dr. Pötscke-Langer vom einstmals renomierten DKFZ bei Thema E-Zigarette. Deren Pamphlete haben nicht mehr wissenschaftlichen Nährwert als https://www.dhmo.de/fakten.html

    Treffend: https://www.e-zigaretten-lexikon.de/2013/07/23/das-orakel-von-heidelberg-verkuendet-nebuloeses-zur-e-zigarette/

    Gute Lektüre (mit Quellenangaben): https://www.rursus.de/docs/Fakten_zur_eZigarette_1.0.pdf

    Mehr zum Thema:
    https://blog.rursus.de/
    https://ig-ed.org/