Das Magazin Wired hat auf dem Cover seiner Oktober-US-Ausgabe (ist zum Zeitpunkt des Schreibens zwar noch nicht online, aber schon seit gestern auf meinem Schreibtisch) einen Artikel darüber, dass der – spätestens seit Jurassic Park auch außerhalb von Fachkreisen ziemlich populäre – US-Paläontologe John “Jack” Horner davon träumt, sich aus einem Hühnerembryo einen echten, lebenden Dinosaurier zu “basteln”.

Naja, erstens ist die Idee nicht ganz neu, da Horner sie vor zweieinhalb Jahren schon mal in einem Wired-Interview ausgebreitet hatte und im März 2011 auch in einem TED-Vortrag präsentierte:

Und zweitens ist es auch aus wissenschaftlicher Sicht nichts Neues, dass beim evolutionären “Update” des genetischen Codes die älteren Versionen nicht unbedingt gänzlich gelöscht werden, sondern lediglich durch entwicklungsbiologische Mechanismen deaktiviert werden; in bestimmten Phasen der Embryonalentwicklung, und in seltenen Fällen auch im fertigen Lebewesen, können solche alten gentischen Merkmale – so genannte Atavismen – wieder zur Ausbildung kommen.

Soweit, so … gut? Sieht man davon ab, dass es sicher eine “sportliche” Herausforderung ist, aus einem Hüherei durch entwicklungsbiologische Eingriffe (die nach der Zeugung, also beim Heranreifen des Embryos gemacht werden – der genetische Code ist immer noch der eines Huhns) ein dinosaurierähnliches Wesen wachsen zu lassen: Welchen Erkenntniswert hätte dies, außer “dass man’s kann”? Selbst Horner, der an dem Projekt seit gut drei Jahren arbeitet – was er sich offenbar dank seiner Prominenz (die sich ziemlich gut als Geldquelle nutzen lässt) auch leisten kann – geht nicht davon aus, dass er einen T. rex oder einen Deinonychus oder sonst einen spezifischen Dinosaurier damit “schaffen” kann. Bestenfalls erhält er ein Huhn mit einem langen Schwanz, Zähnen und weniger Federn, das äußerlich einem Dinosaurier ähnelt. Über die Genetik – oder wenigstens die Motorik – der Dinos wird uns das wenig vermitteln können.

Ich finde die Idee eher abschreckend, denn wie gesagt, großartige neue Erkenntnisse über reale Dinosaurier, die den Preis eines zu befürchtenden “frankensteinschen” Imageschadens aufwiegen könnten, sind dabei wohl nicht zu erwarten. Mich interessiert hier aber vor allem, was andere von der Idee halten, aus einem Hühnerei einen atavistischen Theropoden schlüpfen zu lassen. Hat jemand eine Meinung dazu?

flattr this!

Kommentare (22)

  1. #1 Dr. Webbaer
    24. September 2011

    Mich interessiert hier aber vor allem, was andere von der Idee halten, aus einem Hühnerei einen atavistischen Theropoden schlüpfen zu lassen.

    Hängt von der Schmackhaftigkeit des Produkts ab. Letztlich sind die nicht lebensfähigen, irgendwie zusammengestellten, Frankensteinschen Lebewesen doch für den Verzehr gedacht, oder wurde da was falsch verstanden?

  2. #2 lillatoril
    24. September 2011

    Eigentlich haben wir bei Jurassic Park ja gesehen, was passiert, wenn man etwas tut, nur weil man es kann… Und wenn das überhaupt keine neue Erkenntnis bringt – warum sollte man?

    @ Dr. Webbaer: Ich bin mir nicht sicher, dass sich sowas verkaufen ließe… Die meisten Menschen sind da doch recht altmodisch.

  3. #3 A.S.
    24. September 2011

    Natürlich klingt es auf den ersten Blick enttäuschend, dass nur „ein Huhn mit einem langen Schwanz, Zähnen und weniger Federn“ dabei herauskommen soll.

    Andererseits — besser, als gar kein Dinosaurier!

  4. #4 Sven Türpe
    24. September 2011

    Mich interessiert hier aber vor allem, was andere von der Idee halten, aus einem Hühnerei einen atavistischen Theropoden schlüpfen zu lassen.

    Tastes like chicken.

  5. #5 Toni
    24. September 2011

    Mich interessiert hier aber vor allem, was andere von der Idee halten, aus einem Hühnerei einen atavistischen Theropoden schlüpfen zu lassen.

    Im Moment muss auch ich mir wirklich Mühe geben da etwas sinnvolles zu sehen. Wenn man weit ausholt könnte man so ein “Wesen” nutzen um es Kreationisten vor zu setzen um [mal wieder] einen neuen Beleg für die Richtigkeit der Evolutionstheorie zu präsentieren. Allerdings bezweifle ich die Wirksamkeit, schlimmstenfalls könnte das auch nach hinten losgehen und man wird sagen “ha- seht ihr, Zwischenformen sind nur durch einen Designer möglich”.
    Andererseits, bei nahe Verwandten Arten (Gattung/Familie) die kürzlich (~Jahrhunderte) ausgestorben sind, wäre das was anderes (Stell. Seekuh, Auerochse, Huja).

  6. #6 Dr. Webbaer
    24. September 2011

    In “Darwin und die Götter der Scheibenwelt” stellt Terry Pratchett einen kreationistischen Gott vor, der an Elefanten mit Rädern bastelt – und nicht ganz glücklich wird. In etwa diesem Unterfangen gleicht das Retro-Vorhaben des Jack Horner.
    Was dagegen gehen würde [1], wäre natürlich die Schaffung ganz neuer Lebewesen, die Nanotechnologie bemüht sich hier, langfristig wohl auch mit selbstreplizierenden Nanomaschinen. – Hier stellt sich dann die Frage, wie leistungsfähig diese Geräte werden können; aber für den Hausgebrauch dürfte es reichen.

    [1] die aktuellen Lebensdatenhaltungen kann der Mensch nicht abstrahieren – man soll sich hier von Wortwahlen wie “entschlüsseln” nicht täuschen lassen

  7. #7 Faustus
    24. September 2011

    Langer Schwanz und Zähne würden zumindest für etwas reichen, dass zwar das Genom eines Huhns hat aber aussieht wie Archaeopteryx^^
    So ein Tier würde auf jeden Fall für viel Publicity, aber auch wieder Gegenstimmen sorgen. Genau so wie leuchtende Fische oder Mäuse mit ohrenförmigen Gebilden auf dem Rücken…

  8. #8 WolfgangK
    24. September 2011

    Wenn man ethische Regeln ein wenig beiseite schiebt und die Regel “alles was passieren kann passiert auch irgendwann” berücksichtigt, so dürfte die Wiederauferstehung ausgestorbener Arten eigentlich nur eine Frage der Zeit sein. Viel zu groß ist der über den enstprechenden Wissenschaftler herniederregnenden Ruhm, um es nicht zu versuchen. Und wenn es nicht in den USA passieren darf, weil das Gesetz es verbieten sollte, dann passiert es garantiert irgendwo anders auf der Welt. Letztendlich wird irgendwann immer alles gemacht, was machbar ist. Und ob es wissenschaftlich ein Gewinn ist oder nicht, wird sich auch erst hinterher zeigen. Deshalb erübrigt sich eigentlich die Frage, ob es irgendwem gefällt oder nicht. Manche Dinge kann man eben einfach nur achselzuckend zur Kenntnis nehmen.

  9. #9 Dr. Webbaer
    24. September 2011

    Naja, Wolfgang, Ihr Glauben in allen Ehren, aber es gibt keine Saurier-DNA und auf Versatzstücke zurückzugreifen erinnert stark an die Frankenstein-Thematik und wird vielleicht etwas schaffen oder vielleicht auch nicht, aber es wird nicht das sein, was war.

    Für Sie mal auf Deutsch ein paar Horner Zitate: 1.) “Das hat mich auf die Idee gebracht, dass wir einen Vogel sozusagen zurückmanipulieren könnten, sodass er so aussieht, wie wir uns einen Dinosaurier vorstellen.” 2.) “Forscher haben schon das Gen für Zähne gefunden. Sie können Vögel – Hühner – mit Zähnen züchten.” 3.) “Wir würden an der DNA herumpfuschen.” 4.) “Richtig, es [RR: der “Dinosaurier”] wird sich wie ein Huhn verhalten.” 5.) ” Letztendlich wird irgendwann immer alles gemacht, was machbar ist.” (Quelle)

    Upps, sorry, die 5 war von Ihnen.

    HTH + schönes WE noch!
    Dr. Webbaer

  10. #10 Jürgen Schönstein
    24. September 2011

    Vögel zählen ja, evolutionsbiologisch betrachtet, zu den Dinosauriern – wenn Horner also einen Dino haben will, dann könnte er sich auch mit dem Huhn an sich begnügen. Und da sein “Huhnosaurier” keine neue Art wäre (wie gesagt, genetisch bleibt’s ein Huhn), bliebe es vermutlich bei diesem einen Exemplar – oder zumindest einigen wenigen, da der Aufwand der “Herstellung” enorm sein dürfte. Ein “Jurassic-Park”-Szenario wäre also kaum zu befürchten …

    Mich beschäftigt halt die Frage, was es soll. Wenn es beweisen soll, dass sich atavistische Gene auch wieder einschalten lassen – geschenkt, das tut die “Natur” manchmal schon alleine. Wenn es beweisen soll, dass Vögel Dinosaurier sind, dann eignet sich der Versuch auch nicht, da atavistische Gene auch aus viel früheren Entwicklungsstufen stammen können (siehe die embryonalen “Kiemen” beim Menschen). Und wenn es beweisen soll, dass Evolution funktioniert, dann wird es eher ein Schuss in den Fuß, denn was immer dabei herauskommt, wäre ein Lebewesen, das es auf evolutionärem Weg eben nicht geben könnte – es hätte tatsächlich einen “Schöpfer”. Und wenn es nichts beweisen soll … tja, dann ist es, streng genommen, auch keine Wissenschaft mehr.

    Andererseits: Hat eigentlich schon jemand versucht, den Evolutionsprozess einfach umzukehren und durch Rückkreuzung aus Hühnern einen Dinosaurier zu züchten?

  11. #11 Dr. Webbaer
    24. September 2011

    Andererseits: Hat eigentlich schon jemand versucht, den Evolutionsprozess einfach umzukehren und durch Rückkreuzung aus Hühnern einen Dinosaurier zu züchten?

    Aus dem Gedächtnis und unter Vorbehalt: Nils (‘evolvismus’-Blogger) hat dazu mal geschrieben, dass das keine Devolution wäre, sondern ebenfalls Evolution.

    MFG
    Wb (der das Vorhaben sehr uncool findet)

  12. #12 Prehistoric World
    24. September 2011

    Den genannten Zweifeln kann ich zustimmen. An sich wäre es natürlich cool, wenn man einen echten Dinosaurier wiedererwecken könnte, aber Horners Hühnerdino wird wohl nichts weiter als ein künstlich erzeugter Mutant sein, der bis auf sein Aussehen nichts mit einem Dinosaurier zu tun haben wird, denn Horner sagt ja anscheinend selbst, dass sich der Hühnerdino nicht wie ein Dinosaurier, sondern wie ein Huhn verhalten wird. Erkenntnisgewinn gleich 0.

  13. #13 Toni
    24. September 2011

    @WolfgangK

    Viel zu groß ist der über den enstprechenden Wissenschaftler herniederregnenden Ruhm, um es nicht zu versuchen.

    Und hier leigt das Problem. Ohne neue Erkentnisse, kein Ruhm.

  14. #14 Sorter
    25. September 2011

    Wer sagt denn dass es keine “Sauria-DNA” gibt ?
    Gab es nicht das junge deutsche Forscher-Team mit der neuen Methode DNA aus Knochen zu extrahieren, denn davon haben wir ja genug oder sehe ich da was falsch ?

  15. #15 Jürgen Schönstein
    25. September 2011

    @Sorter
    “Fossile” Saurier-DNA ist zu stark degradiert, als dass sie – außerhalb der fiktiven Welt von “Jurassic Park” – für genetische Experimente verwendet werden könnte.

  16. #16 Sorter
    25. September 2011

    Okay, schade, wäre natürlich auch zu schön gewesen, wenn doch noch etwas mehr übrig geblieben wäre, aber mal sehen. In irgendeinem Knochen wird durch glückliche Umstände vielleicht doch noch etwas mehr zu finden sein, dass vielleicht irgendwann durch bekannte Sequenzen vervollständigt werden könnte.
    Da in dem TED-Talk immer nur die Rede davon war “wir haben keine gefunden”, mir aber dieser Beitrag aus dem “Scienceblog?” in den Kopf gekommen ist, der eben dieses Knochen-DNA Problem gelöst hatte.

    Die Hoffnung stirbt zu Letzt, denn die Vorstellung ist einfach zu schön 🙂
    Ansonsten bauen sie sich halt einen eigenen.

  17. #17 peter
    25. September 2011

    Warum nicht aus einem Menschen direkt einen Affen rückevolutionieren? Einige der hiesigen Schreiberlinge würden bestimmt eine erfolgversprechende Ausgangsbasis liefern.

  18. #18 BreitSide
    6. Oktober 2011

    @peter: sehr richtig! Häng Dir einen braunen WebPelz um, erfinde Dir einen Dr., und Du bist schon einen Schritt weiter.

  19. #19 WolfgangK
    14. März 2012

    Das Verfolgen eigener Kommentare gestaltet sich immer recht schwierig, wenn man zu einem Thema später noch etwas findet (wie hiess der Artikel, wer war der Autor?). Gibt es einen einfacheren Weg, eigene Kommentare wiederzufinden?

    Wie dem auch sei: zu meinem Kommentar möchte ich noch ergänzend auf den jetzt erschienenen Artikel bei SPON hinweisen. Es scheint tatsächlich so zu sein: was machbar ist, wird irgendwann gemacht. Und wer weiss schon genau, ob nicht doch irgendwann ein tiefgefrorenes Dino-Ei mit entsprechend reproduzierbarer DNA gefunden wird. Immerhin lösen sich durch die Klimaveränderung derzeit uralte Eisvorräte auf…

  20. #20 roel
    15. März 2012

    @WolfgangK und Jürgen Schönstein Genau diesen Beitrag hatte ich gestern auch gesucht – und es dauerte mir zu lange ihn zu finden. Wolfgang, volle Zustimmung. Jürgen, kann evtl. die Suchfunktion verbessert werden? Irgendwie scheint die eh nicht richtig zu funktionieren.

  21. #21 Jürgen Schönstein
    15. März 2012

    @WolfgangK @roel
    Ich stimme zu: Eine Suchfunktion, die sich auch auf Kommentare erstreckt, waere nuetzlich. Werde mal sehen, ob sich dies bei demnaechst sowieso bald mal faelligen Updates der ScienceBlogs-Seite einrichten laesst …

  22. #22 rolak
    15. März 2012

    waere nuetzlich

    Gibt es schon:

    Suchmuster site:https://www.scienceblogs.de/

    in googles Maske eingetippt (andere Maschinen, andere Syntax) ergibt das und -oh Wunder- ich bin nicht der einzige, der das Wort ‘Suchmuster’ benutzt 😉 Selbstverständlich kann vermittels zB

    <Suchmuster> site:https://www.scienceblogs.de/<blogname>/<jahr>/

    oder ähnlich der Suchbereich gut eingeschränkt werden.
    Einziger Wermutstropfen: Es dauert eine gewisse Zeit, bis die kommentarigen Ergüsse auch in googles Datenbank eingesickert sind…