Wie ich hier eben schon mal erwähnt hatte, treffe ich mich in Cambridge ab und zu, ganz formlos, mit Forschern, Künstlern und Autoren (und alle sowohl in männlicher als auch weiblicher Ausführung repräsentiert) zu einer Art Stammtisch – wir nennen’s vornehmer Salon. Einfach so, zum Plaudern, ohne Programm und/oder Agenda. Eines dieser Stöckchen, auf die wir neulich vom sprichwörtlichen Höckchen* dabei kamen, waren wissenschaftliche Metaphern im weiteren Sinn. Also jene Sprachbilder, mit denen dem Laien (und manchmal auch dem Wissenschaftler selbst) ein ansonsten ziemlich komplizierter Sachverhalt anschaulich vermittelt werden soll. An sich eine gute Sache – so lange das Bild nicht schief hängt. Denn dann kann es manchmalsogar den Blickwinkel der Wissenschaftler verzerren.
* Keine Ahnung, was das eigentlich ist oder wo diese Redewendung herkommt …
Über solche Metaphern hatte sich mein Blogger-Kollege Ernst Peter Fischer ja vor einigen Wochen schon mal ein paar Gedanken gemacht. Sie sind natürlich immer eine Krücke, auf denen die Vergleiche dann mehr oder weniger elegant herumhinken müssen. Wenn Physiker beispielsweise von Schalen reden, auf denen sich Elektronen bewegen, dann ist das eigentlich recht anschaulich, weil uns das an die Zwiebelschalen erinnert. Die Bezeichnung Flavor, also Geschmack, für die verschiedenen Arten von Quarks kann hingegen im Laienverständnis schnell auf falsche Denkbahnen führen (nicht zuletzt, weil wir uns unter Geschmack im Zusammenhang mit Quark ja etwas sehr Konkretes, aber eben völlig Anderes vorstellen können). Wenn sie vom “Spin” der Elektronen reden, dann stellen wir Laien uns etwas vor, was an die Rotation eines Planeten (oder Mondes) auf seiner Umlaufbahn erinnert – aber wie passt da die Welleneigenschaft dieser Teilchen rein?
Auch das schwarze Loch ist letztlich nur ein Sprachbild, das durch die Analogie zu etwas aus unserem Alltag Bekannten zwar einige wichtige Eigenschaften dieses Objekts ganz zutreffend schildert, aber dafür bei anderen (zum Beispiel der Tatsache, dass ein Loch primär erst mal die Abwesenheit von etwas ist, also als Haupteigenschaft das Fehlen von etwas beschreibt) ins Holpern kommt. Ähnlich problematisch ist das Wurmloch, das ja, um als Bild zu funktionieren, erst mal die gedankliche Assoziation schaffen muss, dass es durch einen Hyperraum gebohrt wird, der letztlich nur aus der (Über-)Welt der Sciencefiction-Romane entlehnt ist.
Und damit kommen wir zu einer weiteren Kategorie, die ich mal ad-hoc-Metaphern nennen möchte – sie sind kein Teil des wissenschaftlichen Fachjargons, sondern bedienen sich bei populären Sciencefiction- oder Fantasymotiven, um komplexe Probleme zu erklären, ohne dabei all zu umständliche, ins Detail gehende Erklärungen bemühen zu müssen. Ein typisches Beispiel dafür ist die vor allem bei der Beschreibung von Metamaterialien fast unausweichlich auftauchende Tarnkappe, die sich an Perseus und Harry Potter anlehnt. Oder der Röntgenblick (der in diesem Fall lediglich das Phänomen beschreibt, dass zwei Augen mehr sehen als eines, und damit, wenn sie – wie bei vielen Säugetieren – parallel nach vorne schauen, auch quasi “um” ein schmales Hindernis “herum” schauen können). Beide Vergleiche hinken nicht nur, sie stolpern und fallen flach auf die Fresse – allerdings, das muss man zugeben, nicht selten mit lautem medialem Begleitgeräusch. Darüber habe ich mich unter anderem hier schon mal echauffiert …
Aber manche Metaphern haben solch eine Kraft entwickelt, dass sich selbst die Wissenschaft in den Bann ihrer Bildhaftigkeit schlagen lässt. Ironischer Weise sind die beiden mächtigsten Beispiele, die mir einfallen, ursprünglich zum genauen Gegenteil dessen konzipiert worden, was ihnen heute als Eigenschaft zugeschrieben wird – sowohl Schrödingers Katze als auch der Big Bang (dem deutschen Urknall fehlt die nötige Dimensionalität) sollten eigentlich eher die Absurdität dessen ausdrücken, wofür sie heute als Sinnbild stehen.
Mit seinem Beispiel von der bis zum Öffnen der Kiste sowohl toten als auch lebenden Katze wollte Erwin Schrödinger – hier glaube ich mal Wikipedia, vor allem, weil ich es nicht für plausibel halte, dass so ein brillianter Kopf wie Schrödinger, das was andernfalls ja ein Denkfehler in seinem Beispiel gewesen wäre, nicht bemerkt haben konnte – vor allem die Unvollständigkeit der Quantenphysik demonstrieren. Denn selbstverständlich ist die Katze entweder tot oder lebendig, und zwar schon lange bevor die Kiste nun aufgemacht wird. Dazu habe ich in dem Beitrag Was wusste Schrödingers Katze? schon mal ausführlicher geschrieben; aber ich musste auch lernen, dass ernsthafte Wissenschaftler ganz ernsthaft davon überzeugt sind, dass das, was wir Realität nennen, auch in der Makrowelt, durch den beobachtenden Forscher “erzeugt” werden kann – und dass diese “Superpositionen” einander eigentlich ausschließender Quantenzustände auch in dieser Makrowelt existieren muss, weil sie diese ja gemessen haben.
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