Der “pädagogische” Kindesmissbrauch, auch Körperstrafe oder Prügelstrafe genannt, ist ja zumindest in Deutschland vor ein paar Jahrzehnten langsam aus der Mode gekommen und seit dem Jahr 2000 auch gesetzlich abgeschafft. Damit sind die Deutschen (sofern sie sich überhaupt daran halten, wessen ich mir nicht ganz sicher bin) weltweit in der Minderheit; selbst in Europa hat sich die Idee, dass man mit Schlägen in der Kindererziehung nichts erreicht, noch nicht gänzlich durchgesetzt, wie diese Karte (via Wikipedia) zeigt:
Und in den USA ist Prügelstrafe in den Schulen in 19 der 50 Bundesstaaten ausdrücklich erlaubt; in den übrigen 31 Staaten ist es zumindest in Privatschulen durchaus legal – das Verbot gilt nur für staatliche Schulen. Ein gesetzliches Verbot für Eltern, ihre Kinder zu schlagen, gibt es – so weit ich das feststellen konnte – nirgendwo in Amerika.
Dass man “mit Schlägen in der Kinderersiehung nichts erreichen kann”, hatte ich weiter oben geschrieben – aber das war , wie ich nun weiß, völlig falsch. Denn man kann durchaus etwas erreichen, wenn man Kinder züchtigt, wie ein Paper nun aufzeigt, das in der kommenden Ausgabe des Journals Child Development erschienen ist: Kinder, die schon im frühen Alter (hier: drei und vier Jahre) körperlich in den Schulen/Kindergärten gezüchtigt werden, entwickeln sich nicht nur zu häufigeren Lügnern – sie sind auch “bessere” Lügner als Kinder, die lediglich mit Worten ermahnt werden. (Das Paper ist – bis jetzt – noch nicht auf der Online-Version zu finden, ich musste also erst mal mit der Uni-Pressemitteilung Vorlieb nehmen – die allerdings konsistent mit einem etwas früher erschienenen Paper im Journal Social Development ist, in dem ebenfalls die differenzierenden Effekte körperlicher Bestrafung kleiner Kinder analysiert wurden.)
Na, da sag’ einer noch, dass Erziehung nix bringt. Für das Paper hatten die kanadische Verhaltenforscherin Victoria Talwar und ihr Kollege Kang Lee zwei Privat-Vorschulen in der gleichen Nachbarschaft in Westafrika verglichen – eine, an der selbst kleinere “Vergehen” wie das Vergessen eines Bleistifts mit Schlägen auf den Hinterkopf oder mit einem Lineal geahndet wurde; eine zweite, in der als Strafen typischer Weise nur so genannte “time-outs” (etwa so wie unser “In-der-Ecke-stehen”) oder eine Standpauke verhängt wurden. In beiden Schulen wurde der gleiche Versuch durchgeführt:
In Einzelgesprächen wurden die Kinder von einer lokalen Person (also nicht den “exotischen” Versuchsleitern) zu einem Ratespiel animiert. Dann ging die erwachsene Person kurz aus dem Zimmer, aber nicht ohne die Kinder zu ermahnen, nicht zu schummeln und ein verdecktes Spielzeug heimlich auszuspionieren. Natürlich konnte kaum eines der Kinder – sie waren, wie gesagt, zwische drei und vier Jahre alt – dieser Versuchung widerstehen. Von der erwachsenen Person hinterher befragt, ob sie heimlich nachgesehen hätten, sagten praktisch alle Kinder der Prügel-Schule die Unwahrheit, im Gegensatz zu etwa der Hälfte der Kinder an der “sanften” Schule. Und nicht nur, dass sie zahlenmäßig mehr zur Unwahrheit neigten, die Kinder der “harten” Schule waren auch raffinierter darin, ihre Lüge bei Befragung durchzuhalten – zum Beispiel, indem sie bei Nachfragen explizit ein falsches Spielzeug errieten oder zumindest konsequentes Unwissen über die Natur des Spielzeuges vortäuschen konnten, währen die Kinder der “sanften” Schule eher dazu neigten, sich (und den Namen des Spielzeugs) zu verraten. Woraus Talwar und Lee folgern:
” … a punitive environment not only fosters increased dishonesty but also children’s abilities to lie to conceal their transgressions …”
Da ich keine Informationen darüber habe, wer in unseren westlichen Gesellschaften eher dazu neigt, seine Kinder zu züchtigen, müsste ich an dieser Stelle eigentlich erst mal den sprichwörtlichen Griffel fallen lassen. Und wer darauf besteht, hier keine Spekulationen lesen zu wollen, sollte sich ab hier auch ausklinken.
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Aber ich kann der Versuchung nicht widerstehen, zumindest jene kleine Bemerkung hier einzuflechten, die ich auf Wikipedia – jawohl, Wikipedia – gefunden habe:
Private schools in most states are exempt from state bans and may choose to use the paddle. Here too, most of those which actually do so are to be found in Southern states. These are largely, but by no means exclusively, Christian evangelical or fundamentalist schools.
Und nein, das ist offenbar keine amerikanische Besonderheit: In England gibt es eine Initiative christlicher Privatschulen zur Wiedereinführung der Züchtigung in Großbritannien. Über die Ironie dieses Erziehungskonzepts, das statt aufrichtiger Menschen geschulte Lügner im Namen Gottes heranzieht, kann sich jeder ja ab hier eigene Gedanken machen …
Grafik: Wikipedia
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