i-25c9b162dec9b81e1bc246be1b9a2f80-240px-Reverdir_les_toilettes.jpg

Ja, in der Tat: Heute, am 19. November, ist der World Toilet Day (Danke an Lars Fischer für den Facebook-Hinweis). Und da ich – ach Du heilige Sch… – nichts passendes vorbereitet hatte, greife ich jetzt mal ins Klo Archiv und reposte einen älteren Text, der zeigt, dass diese menschlichste aller Infrastruktureinrichtungen durchaus ein paar wissenschaftliche und entwicklungspolitische Überlegungen wert ist. Wer sich sonst für Toilettenthemen interessiert, kann auch hier und hier noch was finden …
——————–
(Originalveröffentlichung am 18. Juni 2008)

Daran, dass unzureichende sanitäre Infrastruktur eines der wichtigsten Probleme bei der Bekämpfung von Epidemien in der dritten Welt ist, besteht kein Zweifel. Doch falls jemand daraus im Umkehrschluss folgern würde, dass moderne Sanitäranlagen – mit Wasserspülung nach westlichem Vorbild, versteht sich! – die Lösung des Problems wären, so irrt sich der.

Es ist schwer, ernst zu bleiben, wenn die Schlagzeile der Pressemitteilung “Latrines Trounce Toilets” (salopp etwa mit “Latrinen machen Toiletten platt” zu übersetzen) lautet (der Artikel selbst erschien in “Environmental Sciences and Technology“). Aber die Frage, mit der sich die Professoren David Watkins und James Mihelcic, gemeinsam mit der Doktorandin Lauren Fry, am Sustainable Futures Institute der Michigan Technological University befassten, ist eine ernste Betrachtung wert: Wie kann man die sanitären Verhältnisse in Entwicklungsländern mit vertretbarem Aufwand verbessern?

Und eine häufig richtige Antwort ist die auch als “Donnerbalken” geschmähte Latrine. Sicher kein Vergnügen für die Nase, aber bei der Bekämpfung von Krankheiten wie der Ruhr (Dysenterie) oder der Cholera hat diese schlichte Sanitäranlage die sprichwörtliche Nase vorn. Denn WCs wären nur dort sinnvoll, wo a) genug Wasser zum Spülen verfügbar ist und b) das dabei entstehende Abwasser geklärt werden kann, ehe es die Bäche und Flüsse erreicht, die Trink- und Nutzwasser für die Landwirtschaft liefern. Eine Latrine, korrekt angelegt, erspart solche Wasserverunreinigungen.

Das klingt nun sicher keineswegs überraschend; in der Praxis sieht es aber leider oft eher so aus, dass moderne “Waschräume” (ein Euphemismus, der offenbar aus dem amerikanischen Sprachgebrauch übernommen wurde) als Vorzeigeobjekte der Entwicklungshilfe gelten. Wie Watkins selbst zugibt: “Als Ingenieure bauen wir halt gerne Sachen.” Aber manchmal seien die kleinen, low-technischen Maßnahmen besser als die scheinbar fortschrittlicheren Lösungen.

Foto: Jean-Luc Henry via Wikimedia Commons

flattr this!

Kommentare (7)

  1. #1 rolak
    19. November 2011

    Das ermöglicht mir eine ausgleichende Replik: Ich sag nur “Ferguson” 😉

    Gar so wild muß die Nasentortur der wassersparenden Variante allerdings nicht sein, wie ich schon bei diversen Gastaufenthalten in Bauwagenkolonien u.ä. feststellen durfte. Ordentlich geführt, fällt so ein Teil olfaktorisch eher gar nicht mehr auf. Ok, ist ja auch Donnerbalken deLuxe…

  2. #2 Theres
    19. November 2011

    Ja, Artikel und Feiertage wie dieser helfen doch weiter (bei einem Grippchen)… Lachen ist ja und so weiter. Das Problem sehe ich durchaus, und erinnere mich mit Wehmut an die Seite “Toilets of North America”, die mir einst gute Dienste leistete. (Die gibt es nicht mehr …)

  3. #3 JK
    19. November 2011

    Ich will gar nicht wissen, wie man diesen Tag würdig begeht.

  4. #4 rolak
    19. November 2011

    Dann erzähle ich Dir auch nicht vom schon zelebrierten ersten Ritus, JK 😉

  5. #5 ohno
    19. November 2011

    @JK: Ich scheiß einfach drauf.

    S,cnr

  6. #6 BreitSide
    19. November 2011

    Hehe, ich hatte auch schon mal beruflich mit der leckeren braunen Masse zu tun. Und erinnere mich dann natürlich gut an Reportagen, die zeigen, wie weißwurstähnliche Säckchen und Pflaumenmus in den Versuchsanlagen benutzt werden. Ich hatte mit der echten Materie zu tun, ein wahrlich anrüchiges Geschäft.

    Zu diesem Tag passt ja die Meldung, dass auf dem neuesten(?) US- Flugzeugträger das ganze System versagt. Man sprach da von Urinverhalten der Soldaten, schweren Blasenerkrankungen, Trinkverweigerung und fehlgeschlagenen Versuchen, die uringefüllten Getränkeflaschen über Bord zu leeren (spuxte nach Lee, gehts in die See, spuxte nach Luv, kommts wieder ruv).

    Weiß jemand, wie es mit den Trenntoiletten weiter ging? Fäkalien in die Latrine, Urin (keimfrei und voller Pflanzennährstoffe) in die Flasche und aufs Feld, das hörte sich gut an. Ich kenne jemanden, der hat sich für seinen Bauernhof das selbst gebastelt. Der “verpackt” sogar die Fäkalien. Mit Rindenmulch oder so.

    Eine weitere Schwierigkeit bei heutigen Kläranlagen ist, dass ja alle Medikamente dort gemischt werden. Sei es die, die natürlich ausgeschieden werden, sei es das Drittel, das der Deutsche ins Klo schmeißt, weil die Symptome weg sind und er den Bakterien lieber die Chance zur Resistenzbildung in seinem Körper lässt.

    Durch diese Vermischung aller Medikamente mit all den Bakterien (die ja auch noch munter untereinander die Resistenzen tauschen) ergibt sich ein leckerer Cocktail. Man spricht schon über bakteriendichte Filter am Ablauf.

    Jaja, das Rieselfeld ist ein weites Feld. Besserung – eben auch der Resistenzlage – könnte die flächendeckende Einführung von Vakuumklos sein, wie in Skandinavien.

    Übrigens: bei einem solchen Thema kann doch der WebPetz nicht fehlen. Wann kommt sein Häufchen?

  7. #7 Roland
    20. November 2011

    Wenn Urin separiert wird und der Rest trocknet, sind es keine Latrinen, sondern Komposttoiletten. Und die stinken halt nicht, mangels der Nässe, die für die Gestank-Entstehung nötig ist.
    Das sollt man begrifflich trennen.