Heute (22.11.2011) vor 48 Jahren, um 12:30 Uhr Ortszeit, fielen auf der Dealey Plaza in Dallas drei Schüsse; zwei davon trafen den US-Präsidenten John F. Kennedy tödlich. Und die Welt war danach nicht mehr die gleiche … oder doch? Als ich auf der Suche nach einem “Aufhänger” war, um diesem Jahrestag des Kennedy-Attentats zu gedenken, stieß ich auf die von mir bisher ignorierte Veröffentlichung von Stephen Kings neuestem Roman, 11/22/63 (sorry, ich bin kein Stephen-King-Fan), in dem es darum geht, dass ein Zeitreisender aus Maine versucht, das Kennedy-Attentat zu verhindern. Diese Bucherscheinung wiederum rief mir in Erinnerung, dass ich den Artikel Never Happened im New Yorker der vergangenen Woche über alt-history-Literatur noch gar nicht fertig gelesen hatte (und richtig, Kings Roman kommt darin auch vor). Und diese Story wiederum erinnerte mich daran, dass ich erst kürzlich in meinem Beitrag über die Mörderische Weltgeschichte auf eine alternativgeschichtliche Karte zur Balkanisierung Amerikas als Folge eines “anderen” Geschichtsverlaufs gestoßen war. Und ja, auch in meiner Wieder-Lektüre von Einstein’s Dreams (deutscher Titel: Und immer wieder die Zeit), das von meinem Kollegen Alan Lightman geschrieben wurde wurde mir wieder klar, wie sehr auch dort mit dem “was wäre gewesen wenn” gearbeitet wird. Warum soll ich’s dann nicht auch mal probieren dürfen?
Aber das fand ich dann doch langweilig. Erstens, weil es fast unausweichlich wäre, sich dann wieder mit all den Kennedy-Verschwörungstheorien rumzuschlagen (dazu später noch ein paar Bemerkungen), zweitens, weil es einfach ein zu beliebiges Spiel ist – wir wissen eben nicht, was andernfalls passiert wäre. Natürlich kann ich mir eine Geschichte stricken, in der Kennedy das Attentat überlebt, seine Wiederwahl haushoch gewinnt (was angesichts des Gegenkandidaten Barry Goldwater wohl nicht wirklich ein Problem gewesen wäre) und dann den Vietnamkrieg, wie angekündigt, zum Jahr 1965 beendet. Oder eine Story, in der er beschließt, dass er seinen Besuch in Dallas abkürzen würde (oder gleich ganz ausfallen ließ) – nur um dann bei einem anderen Wahlkampftermin ermordet zu werden.
Nein, ich fände die Spekulation viel spannender, dass all dies gleichzeitig passiert, und dass Stephen Kings Zeitreisender sich immer wieder und wieder nach Dallas beamt, weil er – a la Und täglich grüßt das Murmeltier – jedesmal nach seiner Rückkehr in die Gegenwart feststellen muss, dass sich nichts geändert hat. Die Idee ist bei der Viele-Welten-Interpretation der Quantenmechanik entliehen – jedes mögliche Ereignis, also Attentat und Nicht-Attentat, Wahlerfolg und Wahlniederlage, Krieg oder Frieden etc. findet gleichzeitig statt – aber an jeder dieser “Weichen” spaltet sich dann ein neues Universum ab, in dem dann diese veränderte Situation zum Ausgangspunkt der “Realität” wird. Der Zeitreisende kann also sein eigenes Schicksal bzw. das seiner Welt nicht ändern, sondern lediglich immer neue Universen wie Funken aus einem Feuerstein herausschlagen.
Ich vermute mal, dass die Idee leider nicht originell genug ist, um nicht sowieso schon Dutzenfach in SciFi-Romanen verwendet worden zu sein (da lass ich mich dann in den Kommentaren gerne belehren – aber ich bitte um Respekt dafür, dass man kein Ignorant sein muss, nur weil man nicht immer alles gelesen haben kann). Andererseits erlaubt sie mir, mich hier nun aus der Affäre zu ziehen, weil in irgend einer Parallelwelt irgend ein Parallel-Ich sowieso noch munter an diesem Thema weiter schreibt.
Ich wollte lieber noch, wie angeküdigt und quasi als Disclaimer, meine Ansicht zu den Kennedy-Verschwörungstheorien bekanntgeben:
Ich wäre nicht überrascht, wenn sich irgendwann feststellen ließe, dass Lee Harvey Oswald doch Komplizen hatte – weil es halt bei den meisten Verbrechen Mitwisser und Mittäter gibt. Aber nur weil diese Möglichkeit nicht auszuschließen ist, ist dies nicht automatisch ein Beweis, dass es nur so gewesen sein kann. Aber selbst wenn, dann war es mit größter Sicherheit eine kleine Gruppe, die eingeweiht war – denn andernfalls wäre es nicht wahrscheinlich, dass die Wahrheit™ so lange verborgen bleiben konnte.
Aber – und nun kommt mein großes aber – ich bin mir andererseits sicher, dass es eine ganze Menge Vertuschungen gab. Das ist nicht das Gleiche wie eine Verschwörung, ist jener aber ähnlich genug, um die Hartnäckigkeit zu erklären, mit denen sich die Kennedy-VT an Details festklammern kann. Denn zu Vertuschen – was, im Gegensatz zur Verschwörung eine reine ex-post-Aktion ist, also nicht voraus plant – gab es gewiss genug: Jeder Sicherheits- und Geheimdienst, jede Polizei, jeder Behörde letztlich versucht bei jeder Panne erst mal, ihre Fehler zu verdecken. Muss ich das jetzt einzeln ausführen, oder haben wir es schon oft genug erlebt, dass der Umgang mit der Wahrheit™ nach kleineren oder größeren Fehlern, sagen wir mal, sehr selektiv gestaltet wird? Und die Ermordung eines Präsidenten ist keine “Panne”, sondern der Super-Gau; da gibt es immer genug zu verbergen, verschleiern, vertuschen eben.
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