i-73dea07eca9028f62b02dc28853d27d3-Lim-cover.jpg

Nachdem ich mit meinen eigenen Beiträgen (hier und hier) über das Verhältnis von Traditioneller Chinesischer Medizin (TCM) und evidenzbasierter Medizin – genauer gesagt, über eine Grauzone, in der eine Annäherung zwischen beiden gesucht wird – eine ans Wütende grenzende Kommentarschlacht entfacht hatte, war ich erst zögerlich, als ich sah, dass die aktuelle Ausgabe von nature eine Sonderbeilage zu genau diesem Thema hat. Aber nun stellt sich mir doch die Frage (die natürlich auch im einleitenden nature-Editorial angeschnitten wird): Ist das akzeptabel bei einer der führenden Wissenschaftspubliaktionen der Welt? Wird nicht allein schon durch die Würdigung in nature, unabhängig von der begreiflichen wissenschaftlichen Intention, der Eindruck erweckt, dass TCM bereits die Schwelle dessen, was wir als Medizin bezeichnen (und was eben nicht die alternativen, weil nicht wissenschaftlich belegbaren Behandlungsmethoden aller Art und Herkunft einschließt), erreichen konnte?

Ich zitiere hier gleich mal eine entsprechende Passage im Beitrag Convergence: Where West meets East, die mit “Closing the gaps”(Schließen der Lücken) überschrieben ist:

One practice in TCM that is adapting to science is diagnosis. Each patient receives a personal diagnosis based on a TCM syndrome or zheng, which is a characteristic phenotype of identifiable manifestations gleaned from general appearance, listening to and smelling the patient, feeling the pulse and asking questions. TCM diagnosis includes many symptoms considered less important in modern medicine, such as thirst, the tongue’s condition, whether the limbs feel cold, and mood. In contrast, modern disease diagnosis is based primarily on clinical signs such as temperature and blood pressure, pathological examination of individual organ functions and biochemical analysis of blood or urine.

Oder ist der persönliche Bericht des chinesischen nature-Mitarbeiters Felix Cheung über seine ersten Erfahrungen mit Akupunktur wirklich etwas, was einem wissenschaftlichen Blatt (selbst wenn es nur eine unter anderem von der japanischen Firma Saishunkan Pharmaceutical Co. gesponserte Beilage ist – die entsprechende Sponsor-Botschaft findet sich hier) angemessen ist? Anekdoten sind keine Daten, auch wenn sie in einem wissenschaftlichen Magazin erzählt werden:

I walked happily away with my leg feeling much better. As I left the hospital, I saw the women still doing their baduanjin*. I began to wonder if maybe I should start practicing baduanjin too.

*baduanjin ist eine auf Heilung ausgerichtete Form von Qui-gong

Womit nichts gegen chinesische oder asiatische Medizin generell gesagt sein soll: Wenn es Medizin (im Sinne einer evidenzbasierten Behandlungsform) ist, dann mag es vielleicht einige kulturelle Unterschiede – vor allem im gegenseitigen Umgang von Arzt und Patient – geben, aber die Grunderkenntnisse bleiben vergleichbar.”Alternative” oder “traditionelle” Heilmethoden sind einfach – auch wenn deren Einsatz gelegentlich begreiflich erscheint (siehe meine oben verlinkten Beiträge – zu weit von dem entfernt, was naturwissenschaftlich vertretbar ist.

flattr this!

Kommentare (26)

  1. #1 Dr. Weihnachtswebbaer
    22. Dezember 2011

    (…) aber die Grunderkenntnisse bleiben vergleichbar (…)

    Hoffen wir das mal. BTW: Sheng Fui ist gar nicht so übel, fast hätte sich Dr. Weihnachtswebbaer mal dementsprechend sein Büro eingerichtet, oder wie das heißt.

  2. #2 Jürgen Schönstein
    22. Dezember 2011

    @WB
    Sheng Fui? Klar doch!

  3. #3 Para
    22. Dezember 2011

    Ich werd nie verstehen warum “Westler” so wahnsinnig angetan von Traditionen aus dem “Osten” sind und diese dann preisen als wäre es die Weisheit(TM) schlecht hin nur weil es aus einer anderen Kultur stammt und damit erstmal unvertraut ist. (Als wären die “Westler” zu Blöde für sowas).
    Ok, dass in einem Land wie China mit seiner eigenen Geschichte (und dem Problemen mit wissenschaftler Aufklärung) TCM noch verbreitet ist, kann man nachvollziehen. Nicht kann ich das in Ländern die schon länger westlichen Standard erreicht haben. Es käme ja auch niemand auf die Idee plötzlich die Wirksamkeit von Drudenfuß, Einhornmehl und Greifenfedern zu testen, nur weil das Traditionelle Europäische Medizin (TEM ^^) ist und auf Grund der “magischen Kraft jener Symbole/Wesen” geholfen haben soll. (wohl gemerkt, die vorstellung der “Magie”, nicht etwa die Inhaltsstoffe der Heilmittel).

    Wird nicht allein schon durch die Würdigung in nature, unabhängig von der begreiflichen wissenschaftlichen Intention, der Eindruck erweckt, dass TCM bereits die Schwelle dessen, was wir als Medizin bezeichnen (…)

    …ist zu befürchten…

  4. #4 Spoing
    22. Dezember 2011

    @Jürgen Schönstein: Die Seite ist echt gut gemacht… musste erst ganz genau hinschauen bis ich gesehen habe, das es Satire ist. Ist aber doch recht witzig aufgebaut. Nur ich konnte dort leider nichts zur Büroeinrichtung finden. Warscheinlich hat Dr. Weihnachtswebbaer es deshalb auch gelassen.

  5. #5 BreitSide
    22. Dezember 2011

    @prust! Laut Sheng Fui muss man sich doch WeBärsche halten, um reich zu werden?

    Was wohl dahinter steckt, wenn so seriöse Medien sich so verirren? Geld kann es kaum sein, sooo viel Geld kommt ja nicht aus China. Ist es Romantik? Ich erinnere an die intellektuelle Szene in den 60ern und 70ern, die ungetrübt von den Erkenntnissen über Gräuel und Menschenrechtsverletzungen im “Ostblock” diesem (und eben nicht nur dem Idealbilds des Kommunismus/Sozialismus) weiterhin treu die Stange hielten.

    Ist es der Teil Irrationalismus, der auch dem rationalsten Menschen innewohnt? Der Vergleich zu Steve Jobs scheint mir nahe zu liegen.

  6. #6 Wolf
    22. Dezember 2011

    Supi.
    Ein Aufkleber “Fernöstliche Weisheit” oder “jahrtausendealte chinesische Tradition” und die Leute kaufens wie blöd.

    Aber wehe auf nem Spielzeug steht “Made in China”….

  7. #7 Lorenz Meyer
    22. Dezember 2011

    @Spoing hat das Thema Büroeinrichtung nach Sheng-Fui-Richtlinien angesprochen… Als Einstieg in die sperrige Materie empfehle ich unseren Beitrag über die Positionierung und Gestaltung des Schreibtisches https://www.sheng-fui.de/wohnen/mobiliar/sheng-fui-wohnberatung-der-schreibtisch

    Ansonsten wünsche ich dem GeoGraffitico-Betreiber Jürgen Schönstein und all seinen Blog-Besuchern ein energetisches Weihnachtsfest, eine spirituelle Zeit zwischen den Jahren und Chi heil für 2012!

    Lorenz Meyer

  8. #8 Para
    22. Dezember 2011

    Ein Aufkleber “Fernöstliche Weisheit” oder “jahrtausendealte chinesische Tradition” und die Leute kaufens wie blöd.

    Aber wehe auf nem Spielzeug steht “Made in China”….

    Genial, Anwärter auf Zitat der Woche !:-D

  9. #9 Dr. Weihnachtswebbaer
    23. Dezember 2011

    Spoing hat das Thema Büroeinrichtung nach Sheng-Fui-Richtlinien angesprochen…

    Dr. Weihnachtswebbaer aber zuerst!, auch Ihnen schöne Weihnachtstage!

    MFG
    Dr. Wwb

  10. #10 Bullet
    23. Dezember 2011

    @Jürgen:

    Nachdem ich mit meinen eigenen Beiträgen […] über das Verhältnis von Traditioneller Chinesischer Medizin (TCM) und evidenzbasierter Medizin […] eine ans Wütende grenzende Kommentarschlacht entfacht hatte

    LOL. In zwei Artikeln 53 Kommentare (mit freundlicher *hüstel* Unterstützung von Ludmila) – DAS ist für dich eine “ans Wütende grenzende Kommentarschlacht”? Schreib doch mal wieder einen Artikel, in dem das Wort “Fahrradhelm” auftaucht. *g*

  11. #11 noch'n Flo
    23. Dezember 2011

    @ Bullet:

    Schreib doch mal wieder einen Artikel, in dem das Wort “Fahrradhelm” auftaucht.

    Oder “Klimawandel”. Oder “Astrologie”. Oder “Relativitätstheorie”. Oder “Impfen”. Oder “Homöopathie”.

    Also am besten: “Impfen gegen die Relativitätstheorie: wie ein Astrologe mittels eines Fahrradhelms den Klimawandel widerlegt (ganz homöopathisch)”. Der schafft die 1000-Kommentare-Marke garantiert unter 48 Stunden.

  12. #12 claudia
    23. Dezember 2011

    Also ich selber habe keine Erfahrungen mit der chin. Medizin gemacht, doch meinem Mann hat diese sehr geholfen. Also Noch`n Flo deine Ironie passt hier nicht hin.

  13. #13 Dr. Weihnachtswebbaer
    23. Dezember 2011

    Dr. Weihnachtswebbaer hat jetzt selbst keinen Schäferhund, aber richtig ist natürlich schon, dass man solche Effekte, nennen wir sie einmal an dieser Stelle “Chinesische Medizin”, am besten kulturalistisch bearbeitet. Mehr kam dort eben nicht. Was auch nicht problematisch sein muss, man kann’s ja korrigieren.

  14. #14 Dagda
    23. Dezember 2011

    @ Claudia
    Mir persönlich hat ja Leitungswasser immer sehr gut geholfen.

  15. #15 cydonia
    23. Dezember 2011

    @claudia
    Ironie passt überall hin und Anekdoten sind keine Daten…..
    Aber was ganz Anderes:
    Jenseits von Akupunktur und zusammengerührten Pülverchen zweifelhafter Provenienz hat die echte traditionelle chinesische Medizin(und nicht die homöopathische Variante für fernostgläubige Hypochonder westlicher Art) einige Therapien zu bieten, die hochinteressant sind und deren Wirksamkeit sich auch sauber nachweisen lässt.
    Besonders beeindruckt hat mich das großflächige gezielte Zerstören von hautoberflächennahen Blutgefäßen, das dem Immunsystem eine schwere Verletzung vorgaukelt, und zu einer heftigen Reaktion seitens des Körpers führt, was z.B. eine schwere Erkältung sehr schnell verschwinden lässt. Auch das phytotherapeutische Wissen lohnt einen zweiten Blick.
    Das anthroposophenkompatible Brimborium sollte man aber gezielt entfernen. einiges von dem, was dann übrig bleibt, sollte meiner Meinung nach genauer unter die Lupe genommen werden. Sämtliche Techniken, die das Immunsystem zu einer Reaktion zwingen, ohne dass Medikamente eingesetzt werden, sind eine wissenschaftliche Überprüfung wert.

  16. #16 Stefan
    23. Dezember 2011

    Convergence: Where West meets East

    Or, if TCM is modernized to the point where it can make scientifically valid claims, might it offer new perspectives that can benefit modern medicine

    Mal sehen. Wenn es gelingt, dass TCM auch immer mehr die Erkenntnisse der Anatomie, Physiologie, Chemie und Biologie aufnimmt, wird sie in 200 Jahren vielleicht dort sein, wo die moderne westliche Medizin (MWM) heute ist.

  17. #17 Barton Fink
    23. Dezember 2011

    Aja, darüber hat schon Respectfull Insolence auf scienceblogs.com berichtet:
    https://scienceblogs.com/insolence/2011/12/nature_shills_for_tcm.php

    Eine Schande!

  18. #18 Hermann
    28. Dezember 2011

    TCM in Nature, ach ist das schön wenn sich klugscheißende Skeptiker darüber ärgern 😉

  19. #19 noch'n Flo
    28. Dezember 2011

    @ Hermann:

    Wer scheisst hier klug? Wir weisen lediglich darauf hin, dass TCM nicht den Ansprüchen moderner Wissenschaft genügt und an vielen Stellen den Wirksamkeitsnachweis schuldig bleibt.

  20. #20 Drübersteher
    28. Dezember 2011

    Ist das hier Scienceblogs oder Bild.de? – das zu einer Diskussion aufrufende Posting wird gefolgt von rund 10 “Häme-und-Haue- Beiträgen” an nicht genehme Diskussionsteilnehmer, etwa 5 Nonsens-Antworten sowie knapp 5 ernsthaften (ok, mit viel gutem Willen sind sie auch ein bisschen ernsthaft) Beiträgen. Sind hier nur weihnachtsgelangweilte Schüler unterwegs? Niveau: Null komma null.

  21. #21 Stefan W.
    28. Dezember 2011

    Breisinghaus, Yahndil, Kähmerer und Backelstädt haben in einer aufsehenerregenden Studie zu nordeuropäischen Anekdoten im ländlichen Raum 347 Anekdoten untersucht, und in diesem Kontext waren Anekdoten übrigens Daten.

    Ich bitte in entsprechenden Äußerungen jene Forschung immer als löbliche Ausnahme zu vermerken.

  22. #22 Para
    29. Dezember 2011

    @Drübersteher
    …du beschreibst sehr schön deinen eigenen Beitrag
    @StefanW
    Welche Studie soll das denn sein ? (Google findet nur eine News-Seite ohne Beitrag/G.Scholar findet nichts bei den Namen).

  23. #23 michael
    30. Dezember 2011

    @Para

    >@StefanW
    >Welche Studie soll das denn sein ?

    Über das Verhalten betrunkener Berliner Informatiker in norddeutschen Kneipen anhand von Anekdoten.

    Die Studie konnte nicht publiziert werden, da einige Wirte Umsatzeinbußen befürchteten.

  24. #24 femidav
    31. Dezember 2011

    Oder ist der persönliche Bericht des chinesischen nature-Mitarbeiters Felix Cheung über seine ersten Erfahrungen mit Akupunktur wirklich etwas, was einem wissenschaftlichen Blatt (selbst wenn es nur eine unter anderem von der japanischen Firma Saishunkan Pharmaceutical Co. gesponserte Beilage ist – die entsprechende Sponsor-Botschaft findet sich hier) angemessen ist?
    Ehrlich gesagt – nein, ist nicht angemessen. Hab die meisten Artikel da überflogen und mich tierisch darüber geärgert.

  25. #25 zayıflama hapları
    25. Mai 2012

    es nur eine unter anderem von der japanischen Firma Saishunkan Pharmaceutical Co. gesponserte Beilage ist – die entsprechende Sponsor-Botschaft findet sich hier) angemessen ist?
    Ehrlich gesagt – nein,

  26. #26 geciktirici
    25. Mai 2012

    es nur eine unter anderem von der japanischen Firma Saishunkan Pharmaceutical Co. gesponserte Beilage ist – die entsprechende Sponsor-Botschaft findet sich hier) angemessen ist?
    Ehrlich gesagt – nein,