Nachdem ich mit meinen eigenen Beiträgen (hier und hier) über das Verhältnis von Traditioneller Chinesischer Medizin (TCM) und evidenzbasierter Medizin – genauer gesagt, über eine Grauzone, in der eine Annäherung zwischen beiden gesucht wird – eine ans Wütende grenzende Kommentarschlacht entfacht hatte, war ich erst zögerlich, als ich sah, dass die aktuelle Ausgabe von nature eine Sonderbeilage zu genau diesem Thema hat. Aber nun stellt sich mir doch die Frage (die natürlich auch im einleitenden nature-Editorial angeschnitten wird): Ist das akzeptabel bei einer der führenden Wissenschaftspubliaktionen der Welt? Wird nicht allein schon durch die Würdigung in nature, unabhängig von der begreiflichen wissenschaftlichen Intention, der Eindruck erweckt, dass TCM bereits die Schwelle dessen, was wir als Medizin bezeichnen (und was eben nicht die alternativen, weil nicht wissenschaftlich belegbaren Behandlungsmethoden aller Art und Herkunft einschließt), erreichen konnte?
Ich zitiere hier gleich mal eine entsprechende Passage im Beitrag Convergence: Where West meets East, die mit “Closing the gaps”(Schließen der Lücken) überschrieben ist:
One practice in TCM that is adapting to science is diagnosis. Each patient receives a personal diagnosis based on a TCM syndrome or zheng, which is a characteristic phenotype of identifiable manifestations gleaned from general appearance, listening to and smelling the patient, feeling the pulse and asking questions. TCM diagnosis includes many symptoms considered less important in modern medicine, such as thirst, the tongue’s condition, whether the limbs feel cold, and mood. In contrast, modern disease diagnosis is based primarily on clinical signs such as temperature and blood pressure, pathological examination of individual organ functions and biochemical analysis of blood or urine.
Oder ist der persönliche Bericht des chinesischen nature-Mitarbeiters Felix Cheung über seine ersten Erfahrungen mit Akupunktur wirklich etwas, was einem wissenschaftlichen Blatt (selbst wenn es nur eine unter anderem von der japanischen Firma Saishunkan Pharmaceutical Co. gesponserte Beilage ist – die entsprechende Sponsor-Botschaft findet sich hier) angemessen ist? Anekdoten sind keine Daten, auch wenn sie in einem wissenschaftlichen Magazin erzählt werden:
I walked happily away with my leg feeling much better. As I left the hospital, I saw the women still doing their baduanjin*. I began to wonder if maybe I should start practicing baduanjin too.
*baduanjin ist eine auf Heilung ausgerichtete Form von Qui-gong
Womit nichts gegen chinesische oder asiatische Medizin generell gesagt sein soll: Wenn es Medizin (im Sinne einer evidenzbasierten Behandlungsform) ist, dann mag es vielleicht einige kulturelle Unterschiede – vor allem im gegenseitigen Umgang von Arzt und Patient – geben, aber die Grunderkenntnisse bleiben vergleichbar.”Alternative” oder “traditionelle” Heilmethoden sind einfach – auch wenn deren Einsatz gelegentlich begreiflich erscheint (siehe meine oben verlinkten Beiträge – zu weit von dem entfernt, was naturwissenschaftlich vertretbar ist.
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