Da ich von irgend einem mir unbekannten Erreger für einen Tag im wörtlichen Sinn flachgelegt wurde, ist meine ethische Toleranzschwelle für Mikroben – begreiflicher Weise, wie ich hoffe – derzeit ziemlich niedrig. Aber wie es der Zufall will, brachte mir die Post heute die aktuelle Ausgabe der Rotunda, Mitgliederzeitschrift des American Museum of Natural History. Und das hat meine Ansichten gleich ein bisschen modifizierrt, denn darin steht neben einem Artikel über Terraforming des Mars, der aus Anlass der Sonderausstellung Beyond Planet Earth (ein kleiner Vorschau-Clip folgt am Ende dieses Beitrags) der folgende Hinweis auf die ethischen Probleme eines solchen Unterfangens: “Wenn mikrobisches Leben auf dem Mars gefunden wird, werden wir Menschen entscheiden müssen, ob wir mit dem Terraforming weitermachen, oder ob wir die Mikroben ungestört lassen.” Darüber, dass auch Mikroben ein Recht auf Leben – und auf ihren eigenen Planeten – haben, wird in der Tat schon länger diskutiert. Eine ausführlichere Debatte ist beispielsweise hier in der Online-Version des Magazins Astrobiology zu finden.

Und hier nun der angekündigte (leider etwas magere) Video-Vorschauclip der Ausstellung. Falls jemand in den nächsten Monaten mal nach New York reist, sollte er sich einen Tag fürs American Museum of Natural History reservieren – es lohnt sich ganz bestimmt.

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Kommentare (21)

  1. #1 cydonia
    6. Januar 2012

    Indem wir leben, nehmen wir einer Menge Lebewesen den Lebensraum weg, und indem wir Infektionskrankheiten bekämpfen, zerstören wir ganze Generationen von Einzellern, Viren, etc.
    Und solange wir es zulassen, dass auf diesem Planeten hochkomplexe, für die Stabilität von Ökosystemen wichtige Arten einfach verschwinden, und solange wir mitansehen, wie tagtäglich Menschen abgeschlachtet werden, scheint mir die Debatte merkwürdig verschroben zu sein.
    Wenn es irgendwann soweit sein sollte, und Terraforming vor der Tür steht, kann die Debatte mit einer besseren Erkenntnislage effektiver geführt werden. Im Moment ist es höchstens eine Übungsdebatte im leeren Raum. Sie sagt vielleicht etwas über ein grundlegendes Ethikverständnis des Menschen aus, wenn wir es nicht mit real existierenden Problemen zu tun haben, aber darüber hinaus…. Ansonsten kann ich immer nur darauf hinweisen, dass es ethische Probleme gibt, über die zu diskutieren sich lohnt, weil etwas getan werden kann, und über die kaum diskutiert wird.
    Und es geht mir tatsächlich auf den Nerv, wenn hypothetische Probleme durch hypothetische Eingriffe auf hypothetischen Planeten auf breites interesse stoßen.
    Es kommt bei mir ein bisschen so an, wie das große Interesse der Bildzeitung und deren Leser am Beinbruch und den Herzproblemen eines Hamsters(real, nicht erfunden), wenn gleichzeitig überall der Baum brennt. Ich kann das verstehen, möchte aber auch über Relevantes reden und diskutieren können.

  2. #2 MartinB
    6. Januar 2012

    Ja klar, ich gehe ins AMNH udn gucke mir langweilige Raumfahrtausstellungen an…
    (kopfschüttel)

  3. #3 Spoing
    6. Januar 2012

    Individuelles Lebensrecht wird denen ja hoffentlich noch nichtmal von Hardcore-Veganern zugesprochen werden, aber die ethische Frage, ob wir einen Ganzen Stamm auslöschen dürfen ist natürlich eine andere.
    Ich sehe es da einfach ganz pragmatisch: Wenn der (terrageformte)Mars notwendig sein sollte um menschliches Elend auf der Erde zu verringern dann mal los.
    Wir versuchen ja auch Grippevierren etc. auszurotten, da stellt auch keiner die Frage nach Moral. Selbst höhere Lebensformen wie bestimmte Getreidesorten etc. verschwinden durch unsere Monokulturen.
    Man sollte jedoch genug proben von diesen Microorganismen sammeln.

    Ach und an cydonia: Ich sehe das völlig anders. Man sollte Grundlagenforschung (und deren damit verbundenen ethischen Probleme) nicht erst betreiben dürfen wenn alle Probleme der Welt gelöst sind. Mit der Argumentation wäre ja auch CERN etc. völlig falsch, so wie eigendlich alles was nicht direkt aus der Erforschung der Lösung aktueller Probleme hervorgegangen ist. Damit wären wir jetzt noch nichtmal im Mittelalter angelangt.

  4. #4 cydonia
    6. Januar 2012

    @Spoing
    So unklar bin ich doch hoffentlich nicht gewesen, oder?
    Und natürlich hatte ich den Einwand befürchtet….habe ich irgendwo gesagt, dass man nicht darüber diskutieren darf, wie viele Engel auf eine Nadelspitze passen?
    Nochmal: Es gibt reale Dinge, und auch hypothetische Dinge, die man real erforschen kann. Eine ethische Diskussion über eventuell existierende Lebewesen gehört meiner Meinung nach nicht zur Grundlagenforschung. Vor allem ist es in der Form eine ausgelagerte Scheindebatte: “Die armen eventuell existierenden Einzeller!”
    Man darf sich auch mit Dingen beschäftigen, die naheliegender sind. Nicht jede philosophisch/ethisch anmutende Diskussion ist zu jeder Zeit sinnvoll. Manchmal hat man es einfach mit Hirnwi……ereien zu tun, und damit muss ich meine Zeit nicht verschwenden.

  5. #5 Jürgen Schönstein
    6. Januar 2012

    @MartinB
    ??? Das Museum ist, soweit ich es beurteilen kann, eines der besten seiner Art weltweit und meiner Meinung (ok, es nur meine Meinung) immer einen Besuch wert. Ich selbst gehe im Schnitt einmal monatlich dorthin. Aber wenn Du es langweilig findest, musst Du ja nicht gehen …

    @cydonia
    So ganz inaktuell ist die Frage wohl doch nicht. Sicher, das (geplante) Terraforming ist ein möglicher Weise utopisches Konzept. Aber wir schicken ja schon heute irdische Objekte zu Planeten und Monden unseres Sonnensystems – und riskieren damit auch eine Kontaminierung eventueller außerirdischer Lebensräume. Und das wirft schon jetzt eigentlich genau diese ethische Frage auf. Aber ich will niemanden zwingen, darüber zu diskutieren …

  6. #6 MartinB
    6. Januar 2012

    @Jürgen
    Nein, ich meine wenn man ins AMNH geht, dann geht man dahin, um Dinos zu sehen. Oder Dinos. Oder die Dinos. Man kann auch die Dinos angucken
    Zur absoluten Not kann man auch noch die prähistorischen Säugetiere angucken. Alles andere verblasst dagegen doch völlig, das ist ungefähr so, als wenn du in die Oper gehst, um dir die Garderobe anzuschauen. (Ich dachte, es wäre klar, dass ich auf die Dinos anspiele, wal wieder zu sehr um die Ecke gedacht, sorry….)

  7. #7 cydonia
    6. Januar 2012

    Ich denke es liegt an der Art und Weise der Problemstellung, warum ich mich sperre. Um die ganz reale Gefahr der Kontaminierung durch Sonden oder Ähnliches scheint es nicht zu gehen. Sondern um einen rein hypothetischen Fall, der eben noch lange nicht akut werden kann. Mich stört es einfach, wenn plötzlich riesige ethische Probleme postuliert und konstruiert werden, obwohl gleichzeitig real existierende Schwierigkeiten(im gleichen ethischen Bereich und in Reichweite) keines Blickes gewürdigt werden.
    Ich habe gerade einen nervigen Diskussionsmarathon hinter mir, in dem Menschen sich auf Kleinigkeiten stürzten, um sich dem offen zutage liegenden Chaos nicht stellen zu müssen. Den Blick dann langsam auf das Chaos zu ziehen ist ziemlich anstrengend gewesen, und ich denke, dass ich deswegen bei rein theoretischen Gedankenspielchen gerade etwas ungehalten werde, insofern diese bei mir den Anschein erwecken, rein ablenkend wirken zu wollen. Nichts für ungut.

  8. #8 JK
    6. Januar 2012

    das ist ungefähr so, als wenn du in die Oper gehst, um dir die Garderobe anzuschauen

    … ist manchmal interessanter als alles andere 😉

    Mikroben auf dem Mars: Ihre Verdrängung wäre vermutlich weniger ein ethisches als ein wissenschaftliches Problem, weil dann ein ganz fremdes Ökosystem nicht mehr erforscht werden kann. Und vielleicht stellt sich im Umgang mit Mikroben auch grundsätzlich eher die Frage danach, ob es klug ist, sie auszurotten, und weniger die Frage danach, ob es ethisch vertretbar ist.

  9. #9 Jürgen Schönstein
    6. Januar 2012

    @MartinB

    Ich dachte, es wäre klar, dass ich auf die Dinos anspiele,

    Ahhh, Ironie … 😉 Da ich ja nur empfohlen habe, das Museum zu besuchen, und nicht nur eine bestimmte Ausstellung, war die an mir vorbei gegangen. Aber mal im Ernst: Natürlich ist der 4. Stock, mit seinem Gang von den ersten Wirbeltieren bis hin zu den Rüsseltieren (ja, die kommen hier in der Kladistik nach dem Primaten), und eben den Dinosauriern dazwischen, sensationell. Aber ein bisschen Zeit sollte man sich auch für – Auswahl eher zufällig, weil Geschmackssache – die Hall of Ocean Life mit dem lebensgroßen Blauwal-Modell, oder das Rose Center und vor allem auch die Gottesman Hall of Planet Earth nehmen. Oder für die Hall of Human Origins (unvergleichlich!), oder die aktuellen Sonderausstellungen, in denen nicht nur der neueste Stand der jeweiligen Wissenschaft, sondern auch der Präsentationstechnik zu bewundern sind. Das Museum ist wirklich ein Ort, den man als New-York-Besucher nicht auslassen sollte … (und es ist einer der Hauptgründe, warum ich hier in Cambridge noch oft Heimweh nach Manhattan habe).

  10. #10 MartinB
    6. Januar 2012

    @Jürgen
    Klar, aber ich träume schon seit Jahren von der Dino-Ausstellung – das einzige mal, das ich in New York war, war 4 Wochen vor der Neueröffnung der Dino-Halle, da konnte ich nur durch ein kleines Fensterchen reingucken und mich ärgern (Die Säugetiere waren aber auch cool) und ja, man verbringt ne Menge Zeit dort (und hinterher habe ich ein All-You-can-Eat-Buffet abgeräumt, dass der Kellnerin hören und sehen verging…)

  11. #11 Jürgen Schönstein
    6. Januar 2012

    @MartinB
    OK, hier ist mein Angebot: Wenn Du mal wieder nach New York kommst, sag’ mir rechtzeitig Bescheid. Falls ich selbst in der Stadt sein kann, werde ich Dir – mit freiem Eintritt, versteht sich – eine Privattour durch das Museum geben, bei der die Dinos nicht zu kurz kommen, aber auch andere Ecken gezeigt werden. Und falls ich, aus welchen Gründen auch immer, verhindert sein sollte, werde ich das bisschen an Goodwill, das ich bei den Museumsleuten noch genieße (leider ist mein engster Kontakt dorthin wegen Verrentung nicht mehr verfügbar), dafür verwenden, eine fachkundlich geführte Privattour für Dich zu organisieren (Letzteres wär’ Dir vermutlich sowieso lieber …)

  12. #12 Gelmir
    6. Januar 2012

    leider ist mein engster Kontakt dorthin wegen Verrentung nicht mehr verfügbar

    Hui, das wird doch nicht einer der alten Museumswächter gewesen sein? ;-))

  13. #13 JK
    7. Januar 2012

    das wird doch nicht einer der alten Museumswächter gewesen sein

    … oder eines der Rüsseltiere im 4. Stock?

  14. #14 MartinB
    7. Januar 2012

    @Jürgen
    Danke, das ist super, jetzt brauch ich nur noch ne sinnvolle Konferenz in NY 😉

  15. #15 JK
    8. Januar 2012

    @ MartinB, @ Jürgen Schönstein:

    Wie wär´s mit der FFANY Collections Show 2012 , 6.-8.Juni? Gibt Stöckelschuhe, Strandsandalen …

  16. #16 MartinB
    8. Januar 2012

    @JK
    Und da reiche ich dann einen Vortrag ein mit dem Titel
    “Simulation of frictional behaviour of natural leathers and pavement and its implications for footwear material selection”, oder wie?

  17. #17 roel
    8. Januar 2012

    @MartinB hast du denn noch keine Einladung zu einem der Meetings von N.Y.P.S. https://www.nyps.org/Meetings.htm ?

  18. #18 MartinB
    8. Januar 2012

    @roel
    Tja, ich arbeite ja an nem Maschbau-Institut – da muss ich schon seeeeehr große Augen machen (a la gestiefelter Kater), damit mein Chef mir eine Dino-Konferenz spendiert. Vielleicht, wenn bei den neuen Projekten was sinnvolles rauskommt, ansonsten wird’s sicher auch irgendwann mal ne Werkstoff-Tagung in den USA geben, die man bezahlen kann…

  19. #19 JK
    8. Januar 2012

    @ MartinB: Vielleicht noch etwas spezifiziert, z.B. “Comparative strain analysis of fashionable footwear for male and female dinos”. Oder wie wäre es mit “Calculation of size of shoes for dinos and microbes. New results of the ecolocical footprint-research.”

    Womit der Bezug zum Thema des Blogbeitrags wieder hergestellt wäre, der einer schuh- und dinophilosophisch völlig unerklärlichen kommentatorischen Albernheit zum Opfer gefallen ist. Dabei ist das Blogthema nicht uninteressant. Ob man die Existenz von Mikroben als ethisches Problem sieht, hängt vermutlich eng damit zusammen, ob man die Bewahrung der Natur an sich als ethisches Problem sieht. Die Natur hat ja, wie die Mikroben, auch nicht den Status einer Person (oder eines empfindungsfähigen Wesens), an den man oft die Möglichkeit knüpft, Gegenstand ethischer Überlegungen zu sein.

  20. #20 WolfgangK
    8. Januar 2012

    Um einen einfachen Gedanken zum Thema ethischen Anspruch von Mikroben auszusprechen: selbstverständlich werden wir auf dem Mars genau das tun, was wir auch hier massiv vertreten. Zum Einen werden wir alles auszurotten versuchen, was uns gefährlich werden könnte. Zum Anderen, also bei Gefahrlosigkeit werden wir höchstens dazu übergehen, die Entwicklung fremder Lebensformen in einem “Naturschutzgebiet” zu beobachten. Es macht keinen Unterschied, ob es sich um Mikroben auf dem Mars oder auf der Erde handelt (oder um Braunbären). Wir werden uns nur aus physikalischen oder finanziellen Gründen daran hindern lassen, fremde Planeten zu besiedeln und unseren Interessen (wie Bodenschätze) nachzugehen. Und sobald es Mikroben dabei an den Kragen geht, werden sich hier ein paar Mahner erheben und dagegen demonstrieren, aber dabei wird es dann auch bleiben. Letztendlich werden die Entscheidungen, ob zum Mars geflogen wird nicht von ein paar Wissenschaftlern oder Moralisten getroffen, sondern von der Politik, und da ist die Kombination aus finanziellen und machtstrukturellen Interessen stets eindeutig. Glaubt wirklich jemand ernsthaft, dass der Mensch plötzlich mit der Besiedlung des Weltraums vernünftig wird und Rücksicht auf außerirdische Lebensformen nimmt? Der schafft es ja nicht einmal bis heute, die paar Indianer in Ruhe zu lassen, deren evolutionäre Entwicklung massiv zerstört und verändert wurde.

  21. #21 JK
    8. Januar 2012

    @ WolfgangK: Vermutlich haben Sie recht mit Ihrer Einschätzung, wie es ablaufen würde. Aber lässt sich Ihre Kritik an der menschlichen Rücksichtslosigkeit ethisch begründen, bzw. soll man die fiktive Ausrottung der Mars-Mikroben überhaupt als “Rücksichtslosigkeit” bezeichnen (was ja ein ethisches Argument ist)? Der Vergleich mit den Indianern greift nicht, da geht es um die Verletzung von Menschenrechten und es dürfte (außerhalb rassistischer Kreise) weitgehend Einigkeit bestehen, dass das ethisch nicht zu rechtfertigen ist.