Eine der Maßnahmen, mit denen sich der Kohlendioxid-Ausstoß unserer Zivilisation(en) ziemlich effizient verringern lässt, ist die Reduktion des Verbrauchs an fossilen Brennstoffen. Und in die westliche Alltags-Begriffswelt übersetzt heißt dies vor allem: sparsamere Autos. Die Europäer mit ihren Minikarossen und Kraftstoff geizenden Dieseln werden da sicher sagen können: Klar doch, machen wir ja. Aber bei den Amerikanern haut dies einfach nicht hin: Seit 1980 haben sich die Verbrauchswerte der US-Automobile gerade mal um 15 Prozent verbessert – und das, obwohl hier die gleichen effizienzsteigernden Technologien verfügbar sind wie beispielsweise in Europa oder Japan. Aber der Haken ist nur, dass die technologischen Verbrauchssenkungen dadurch ausgehebelt werden, dass die Amerikaner seit den 80-er Jahren auch immer größere, schwerere und übermotorisierte Vehikel fahren.
Diesen Effekt, dass eine technologische Verbrauchssenkung durch eine Nachfragesteigerung aufgezehrt wird – Wirtschaftswissenschaftler sprechen hier vom Rebound – hatte der britische Nationalökonom William Stanley Jevons schon vor 145 Jahren in seinem Werk The Coal Question beschrieben; er wird ihm zu Ehren auch als Jevons Paradoxon bezeichnet (ich hatte mich hier vor etwa einem Jahr schon mal damit befasst). Für die automobile Welt der USA hat nun der MIT-Wirtschaftswissenschaftler Christopher Knittel diesen Rebound-Effekt noch einmal ausdrücklich belegen können; sein Paper über Automobiles on Steroids ist in der Dezember-Ausgabe der American Economic Review erschienen.
Aber was hat der Rebound-Effekt, oder konkret das Autokauf- und Fahrverhalten der Amerikaner, mit der Höhe der Steuern zu tun? Das ist so simpel, dass es beinahe banal ist: Nehmen wir einfach nur mal an, das Budget der US-Haushalte für den Treibstoffverbrauch sei von Monat zu Monat, Jahr zu Jahr konstant. Bei gleichem Budget und gesteigerter Effizienz resultiert dies entweder in mehr Streckenleistung, sprich: sie fahren mehr – oder in entsprechend größeren Autos, die dann entsprechend mehr verbrauchen.
Ist zwar schon ein paar Jahrzehnte her, dass ich mich durch die Wirtschaftswissenschaften (als Nebenfach) durchgequält hatte, aber mit dem bisschen, an was ich mich da noch erinnere, kann ich auch gleich die eventuelle Frage vorweg beantworten, warum es denn nicht einfach so sein könne, dass die Amerikaner halt bei gleichem Fahr- und Kaufverhalten sich an einer finanziellen Ersparnis ergötzen würden. Nun, da ist zum einen der Zusammenhang von Angebot und Nachfrage beim Benzinpreis: Auf sinkende Nachfrage reagiert der Preis elastisch nach unten, um selbige wieder zu motivieren. Und genau so etwas war bei den Benzinpreisen – zumindest über lange Zeiträume hinweg – auch in den USA zu beoobachten: Laut Knittels Paper waren die Spritpreise zwischen 1980 und 2004 real um 30 Prozent gesunken. Und dann kommen andererseits die Marketingmechanismen der Nachfrage-Ankurbelung hinzu: Autofahren als Lustprinzip (von dem ja sowohl die Kraftstoffindustrie als auch die Autoherstelle profitieren) hat dazu geführt, dass trotz immer noch strenger Tempobegrenzungen die Motoren imme höher gezüchtet werden: In den meisten Bundesstaaten sind 105 km/h (65 Meilen) das Höchste der legalen Gefühle, und selbst großzügige Verkehrsministerien erlauben bestenfalls mal 75 Meilen – 121 km/h! Warum man dafür bis zu mehr als 400 PS unter der PKW-Haube braucht, ist mit rein vernunftmäßigen Ansätzen nicht mehr erklärbar …
Aber der Trend seit 2004 zeigt, dass bei entsprechend höherem Benzinpreis durchaus die Idee akzeptabel erscheint, ein auch nach absoluten Maßstäben sparsames Fahrzeug zu kaufen. Auch nicht schwer nachzuvollziehen, oder?
So, nun also zur Preisfrage – im wörtlichen Sinn: Allein durch Effizienzvorgaben, die sich auf das Fahrzeugsortiment der Hersteller beziehen, lässt sich das Verhalten der Verbraucher nicht verändern. Sicher, ein gewisser Sparsamkeitseffekt tritt vielleicht sogar im Verbrauch ein (aber moderater, als umweltpolitisch wünschenswert wäre, weil diese so genannten C.A.F.E.-Standards politisch ausgehandelt werden, was drastische Einschnitte de facto ausschließt), aber das würde den Rebound durch höheren Strecken-“Konsum” nicht verhindern. Da gilt immer noch Jevons Paradoxon.
Also muss der Benzinpreis steigen – das wiederum würde, nach den simplen Prinzipien des Preismechanismus, die Nachfrage reduzieren. Darüber sind sich, wie ich dieser Pressemitteilung des MIT entnehme, auch andere Wirtschaftswissenschaftler mit Knittel einig – sagt er jedenfalls: “I think 98 percent of economists would say that we need higher gas taxes.”
Genau: Das geht am zuverlässigsten durch eine enstprechende Kraftstoff-Steuer, und wie das funktioniert, wissen europäische Finanzpolitiker ja schon schon lange. In Deutschland, beispielsweise, kommt auf jeden Liter Benzin eine Steuer von 1,55 0,65 Euro – in den USA hingegen liegt der Steuer-Durchschnitt bei 0,47 Dollar pro Gallone, also umgerechnet etwa 0,095 Euro pro Liter!
Aber darf der Staat das denn? In den heiligen Markt eingreifen, die Nachfrage verzerren, die Preise manipulieren? Aus amerikanischer Sicht (und, wie ich aus Erfahrung weiß, auch aus der Sicht einiger LeserInnen hier) ist das ein Teufelswerk, und der Zorn der energischen Verfechter des freien Marktes, die staatliches Handeln sowieso schon für bedenklich und staatliche Eingriffe in Märkte als inakzeptabel ansehen, wäre jedem Präsidenten oder Regionalpolitiker sicher. Was aber, wie ich vermute, eher damit zusammenhängt, dass sie eine sehr simplizistische, naive (oder, was auch nicht unwahrscheinlich ist, ideologisch verzerrte) Vorstellung vom Markt oder besser gesagt, von dessen Freiheit haben. Die Idee, dass die freie Preisbildung das einzig akzeptable Resultat des marktwirtschaftlichen Handelns sei, geht zumindest aus dem Modell, an das ich mich erinnere (und in dem sich Angebots- und Nachfragekurven so schön in einem Punkt schneiden) nicht hervor.
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