Eine gar nicht so kleine Posse aus den USA um Bürokratie und Technologie: Die amerikanischen Ölmultis müssen für das Jahr 2011 insgesamt 6,8 Millionen Dollar (nein, kein Schreibfehler: 6,8 Millionen – angesichts der Milliardenumsätze und -Gewinne dieser Branche also Peanuts) an den amerikanischen Fiskus zahlen, weil sie ihrem Kraftfahrzeug-Treibstoff nicht die gesetzlich vorgeschriebenen Anteile von Cellulose-Ethanol beigemischt haben. Laut dem Gesetz zur Energieunabhängigkeit und -Sicherheit (Energy Independence and Security Act) hätten die Raffinierien insgesamt rund 25 Millionen Liter dieses aus Holzabfällen hergestellten Bioalkohols in ihre KfZ-Treibstoffe mischen müssen. Tatsächlich beigemischt wurde … nichts.

Aber dies liegt nicht am Unwillen der Mineralölindustrie gegenüber einem solchen Gesetz, das letztlich ja in ihre unternehmerischen Freiheiten eingreift – sondern daran, dass selbst beim besten Willen dieser Cellulose-Ethanol nicht verfügbar ist, da er nicht in den erforderlichen industriellen Mengen hergestellt wird. Doch Gesetz ist Gesetz, und dort ist nicht vorgesehen, dass es den vorgeschriebenen Kraftstoffzusatz nicht geben könnte – wer nicht beimischt, muss zahlen. Und im Jahr 2012 wird’s sogar noch teurer, weil da die Quote schon auf mehr als 32 Millionen Liter steigt; bis zum Jahr 2022 sollen sogar insgesamt fast 80 Milliarden Liter Cellulose-Ethanol in Amerikas Tankanlagen gemixt werden. Schwacher Trost für die ob solcher Bürokratie-Kapriolen begreiflicher Weise verärgerten Benzinhersteller, dass ihnen die US-Unmweltschutzbehörde EPA “nur” die geringstmöglichen Bußgelder aufgebrummt hat. Und die werden sie wohl auch bis 2013 bezahlen müssen, wenn frühestens die erste kommerzielle Cellulose-Ethanol-Anlage in Betrieb geht – vorausgesetzt, sie teilt nicht das Schicksal einer Anlage in Soperton, Georgia,, die trotz einer 162-Millionen-Dollar-Subvention vor ziemlich genau einem Jahr geschlossen werden musste. Nicht, dass es einen großen Unterschied gemacht hätte, wenn Soperton weiter gelaufen wäre: Statt der erhofften Kapazität von 20 Millionen Gallonen (gute 75 Millionen Liter) konnte sie gerade mal 100.000 Gallonen (378.000 Liter) produzieren.

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Kommentare (19)

  1. #1 celsus
    10. Januar 2012

    Gehen wir mal davon aus, dass die Mineralölkonzerne nicht auf diesen Kosten sitzen bleiben.

  2. #2 Jürgen Schönstein
    10. Januar 2012

    @celsus
    Genau deshalb sind diese Bußgelder ja so unsinnig, weil sie sowieso keine Wirkung zeigen.

  3. #3 Arno
    11. Januar 2012

    Die Bussgelder sorgen fuer Nachfrage nach Cellulose-Ethanol, weswegen es sich lohnt eine Produktionsanlage zu bauen. “Angebot folgt der Nachfrage” ist jetzt doch keine sooo absurde Annahme, oder?

  4. #4 Jürgen Schönstein
    11. Januar 2012

    @Arno
    Nein, es geht hier nicht um das Schaffen von Nachfrage – die ist ja gesetzlich per verbindlicher Quote garantiert. Es geht um die durchaus groteske Situation, dass die Nachfrage, die gesetzlich geschaffen wurde, nicht befriedigt werden kann, weil dazu die Produktionskapazitäten fehlen. Also selbst wenn die Mineralölindustrie wollte (denen ist’s ja letztlich wurscht, da sie alle eventuellen Zusatzkosten sowieso an die Autofahrer durchreichen können), könnten sie die gesetzlichen Auflagen nicht erfüllen. Welchen Sinn dann ein Bußgeld hat, ist nicht mehr nachvollziehbar.

  5. #5 Statistiker
    11. Januar 2012

    Und warum haben die Ölmultis von ihren Milliardengewinnen nicht längst die entsprechenden Produktionsanlagen gebaut? Ich rate mal: 1) Weil die Bußgelder Peanuts sind im Gegensatz zu den Baujosten einer solchen Anlage und den Produktionskosten des Sprits und 2) weil man davon ausgeht, dass das Gesetz wieder aufgehoben wird, wenn die Republikaner (mit freundlicher Spendenunterstützung durch die Olmultis – können die sich bei den Milliardengewinnen ja leisten) wieder an der Macht sind.

  6. #6 Statistiker
    11. Januar 2012

    PS: Ach ja, man redet doch immer von Globalisierung. Warum haben die Ölmultis den Sprit dann nicht im Ausland gekauft? In Deutschland werden die Firmen E 10 nicht los, hätten die bestimmt gerne in die USA verkauft…

  7. #7 Regina
    11. Januar 2012

    Ist halt eine versteckte Steuer – wie immer: Die Reichen leben von den Dummen und die Dummen vom Arbeiten.

  8. #8 anonymant
    11. Januar 2012

    da zahlen die ölmultis doch eher geld, damit da keine cellulose-anlagen entstehen. denn das bedeutet nicht nur konkurenz, sondern auch kosten.
    @statistiker: hierzulande wird der ethanol aber doch nicht aus cellulose hergestellt. wäre mir neu.

  9. #9 Jürgen Schönstein
    11. Januar 2012

    @statistiker
    Wie @anonymant schon schrieb, geht es hier speziell um Cellulose-Ethanol, nicht um Bioalkohol schlechthin. Und zweitens ist eines der Ziele des Gesetzes ja die Verringerung der Importabhängigkeit (darauf spiel das Wort “Independence” im Gesetzestitel an); und auch wenn ich im Text selbst bisher keine klare Aussage dazu gefunden haben würde es mich doch nicht wundern, wenn die Ausführungsbestimmungen bei der Quotenfestlegung irgendwo die Vorgabe enthalten, dass diese aus inländischen Quellen erfült werden müsse.

  10. #10 Statistiker
    12. Januar 2012

    Korrekt, nicht alle Bio-Alkohole sind aus Cellulose hergestellt, aber Cellulose-Alkohol ist auch ein Bio-Alkohol. Und Alkohol aus Mais-Silage erfüllt m.E. doch den Anspruch, Cellulose als Grundstoff zu haben.

    Tja, und zur Independence… da müsste man genauer ins Gesetz schauen:

    Unabhängigkeit von Treibstoff-Importen generell
    oder Unabhängigkeit von fossilen Öl-Importen insbesondere aus dem arabischen Raum
    oder Unabhängigkeit von fossilem Öl generell?

    Die Frage bleibt aber: So ein Gesetz fällt ja nicht vom Himmel, das dauert ja etliche Zeit vom ersten Entwurf bis zum Inkrafttreten. Warum haben die Amis diese technisch recht simplen Produktionsstätten nicht längst selbst errichtet???

  11. #11 Popeye
    12. Januar 2012

    Wie sieht es mit dem Ausgangsmaterial aus, gibt es überhaupt genügend Holzabfälle für den Bedarf?

  12. #12 BreitSide
    13. Januar 2012

    Also wenn das wirklich nur Prouktionsabfälle wären, die da vergoren werden, wäre die ganze Sache ja schon fast sinnvoll. Um Größenordnungen sinnvoller wäre es allerdings, die Holzabfälle einfach direkt zu verbrennen und zu Strom zu machen.

    So oder so werden es immer nur Bruchteile des Sprits bleiben, der biologisch hergestellt wird. Durch Solarzellen kann man 10-mal mehr Energie pro Fläche und Zeit erzeugen als durch jede Art von Energiepflanzen.

    Sprit aus Mais in D ist nur gestört. Wir importieren die Futtermittel für unsere Tiere, und der hierzulande angebaute Mais soll zur Energiegewinnung dienen. Das ist einfach krank.

  13. #13 Jeberle
    14. Januar 2012

    Die Energie-Bilanz ist, mal eben überschlagen, gar nicht so schlecht.

    Der Rohstoffbedarf um 1 to Stickstoff nach dem Haber-Bosch-Verfahren zu synthetisieren liegt bei rund 2 t Erdöl.

    Immerhin reicht das für die Düngung von ca. 5 ha Mais und bei 3000 Litern Ausbeute pro Hektar werden aus 2 t Rohöl 150000 L Bioethanol.

    Kommen noch ein paar andere Elemente zur Düngung dazu, die schätzungsweise 200 Liter Rohöl mehr verbrauchen.
    Dann kann man nochmals zweihundert Liter Diesel für die Traktoren und ein paar KWh für die Herstellung von Pflanzenschutzmittel hinzu rechnen.

    Alles in allem ist die Produktion natürlich teurer als die Förderung und teurer als das Bußgeld, insbesondere für den genannten Fall, dass die Infrastruktur für die Produktion noch errichtet werden muss.
    Bleibt noch die Frage, ob die Automobilindustrie überhaupt schon auf die veränderte Kraftstoffqualität eingestellt wäre – ich habe da meine Zweifel.

  14. #14 BreitSide
    15. Januar 2012

    @Jeberle: Mit Solarzellen kriegst Du das Zehnfache an Energie pro Fläche raus.

    Zusätzlich hast Du nicht eine Monokultur mit hohem Pestizidverbrauch. Unter den Zellen und in den geschätzt 50% Fläche, die nicht bedeckt ist, liegt ein fast ideales Biotop vor allem für die Pionierpflanzen und Frühblüher.

    Biosprit ist und war nie eine wirkliche Alternative gewesen.

    Warum bekomme ich keine Mitteilungen? Anscheinend ist das vor allem hier. Aber da muss ich nochmal nachschauen.

  15. #15 miesepeter3
    16. Januar 2012

    Wie sieht es denn hier in Deutschland aus? Die Petrolunternehmen sind vom Staat verpflichtet, einen bestimmten Marktanteil für Super E10 zu erreichen. Wenn sie das Ziel nicht erreichen, winken Geldbußen.
    Wie, die Kunden kaufen das nicht? Dann müßt ihr sie besser “aufklären”, damit sie kaufen. Schließlich haben wir immer noch `ne ziemlich miese CO2-Bilanz.
    Wie, ihr wißt nicht, wie ihr die Kunden noch mehr aufklären sollt? Ihr bescheißt sie doch auch sonst recht gut. Nun könnt ihr das doch auch mal im staatlichen Auftrag tun. Moral? Falsche Fragestellung.

  16. #16 BreitSide
    16. Januar 2012

    mp3: Hä? Was außer “Alle sind blöd außer mp3” soll uns das sagen?

  17. #17 miesepeter3
    17. Januar 2012

    @ Breitside

    Noch mal für die Blöden :

    “Biosprit nicht verfügbar? Bestraft wird trotzdem!”
    So lautet die Überschrift des Artikels. Ein Gesetz aus der Praxis Amerikas.
    Wie sieht es bei uns aus? Gibt genug E 10, aber keiner will es kaufen.
    Trotzdem gibt es Bestrebungen in der Politik, für die Kaufverweigerung die Benzinverkäufer zu bestrafen.
    Ist also ähnlich sinnvoll , wie in den USA. Politikerentscheidungen eben.
    Darauf wollte ich hinweisen.
    Haben außer Dir offensichtlich alle verstanden. Also fast keiner blöd.

  18. #18 Jeberle
    17. Januar 2012

    @BreitSide
    Ich bin auch kein Freund von der Biosprit- Erzeugung. Man denke nur an die weltweit steigenden Preise für Nahrungsmittel. Aus der Sichtweise betrachtet könnte man den Unwillen der US Mineralölindustrie direkt als soziales Engagement bezeichnen^^.

    Solarzellen sind wahrscheinlich in der Investition zu teuer, um mit den nachwachsenden Rohstoffen, die ja eine ach so hohe gesellschaftliche Akzeptanz haben, zu konkurrieren.
    Und nebenbei hat die Agrarlobby vielleicht auch noch ein Wörtchen mit zu reden…

    Die USA hat eben andere Probleme als Deutschland. Mit besser oder schlechter lässt sich in der Diskussion kaum etwas bewerten.

  19. #19 BreitSide
    17. Januar 2012

    @Jeberle: jaja, die Ölbarone als Sozialkämpfer…^^

    Solarzellen sind inzwischen so billig, dass sie Solarturmkraftwerke, mit denen mW Solar Millenium punkten wollte, platt gemacht haben. Allein über den Preis.

    Und da Solarzellen die 20-fache Energieernte wie die besten Energiepflanzen bringen, sind auch hier die “Fronten” klar. Und der Preisverfall geht ungebremst weiter. Genau wie in der Chipindustrie. Ist ja schließlich auch die selbe Technologie…

    Die Agrarlobby? Den Bauern ist es hinreichend egal, womit sie ihr Geld machen. Raps, Rüben, Windräder, Silizium, angebaut wird, was Geld bringt. Bzw vor der Pleite rettet.

    Besser oder schlechter? Die ökologischen Bilanzen sind eindeutig. Ist nur die Frage, ob man eine gute Ökobilanz für gut oder schlecht hält.