Schande über mich. Bisher hatte ich die Diskussion um “Open Science” als eine verstanden, in der es darum geht, immer mehr Quellen akademischer Arbeit frei zugänglich zu machen, also immer mehr Paper, die bisher hinter einer (für Nichtmitglieder akademischer Institutionen meist unüberwindlich hohen) Paywall verbergen, für jedermann und -frau zu öffnen. So soll’s ja idealer Weise auch sein: Forschung, die mit öffentlichen Mitteln (zum Beispiel an staatlichen Universitäten, aber auch mit staatlicher Förderung, zum Beispiel durch die National Science Foundation oder die National Institutes of Health) gemacht wurde, sollte ihre Ergebnisse auch öffentlich verfügbar machen. Aber dabei hatte ich hier völlig verschlafen, dass im US-Kongress ein diametral entgegengesetzter Kampf tobt: Ein Gesetzesentwurf, der am 16. Dezember 2011 vom republikanischen Kongressabgeordneten Darrell Issa und seiner demokratischen Kollegin Carolyn Maloney eingebracht wurde und nun im Abgeordnetenhaus zur Abstimmung ansteht, würde die bisherige Praxis der National Library of Medicine ausdrücklich untersagen – bisher gilt (seit 2008) nämlich die Regel, dass alle Forscher und Institutionen, die Fördermittel der National Institutes of Health annehmen, eine Kopie der daraus resultierenden Publikationen auf der Website der Gesundheitsbibliothek frei zugänglich machen müssen. Dem will das Gesetz einen Riegel vorschieben:
No Federal agency may adopt, implement, maintain, continue, or otherwise engage in any policy, program, or other activity that–
(1) causes, permits, or authorizes network dissemination of any private-sector research work without the prior consent of the publisher of such work; or
(2) requires that any actual or prospective author, or the employer of such an actual or prospective author, assent to network dissemination of a private-sector research work.
(Achtung: Wichtiger Nachtrag: Bitte unbedingt diesen Kommentar von Martin Bäker dazu lesen – und handeln!)
Ein früherer (und ausführlicher formulierter) Gesetzesentwurf vergleichbaren Inhalts mit dem Titel Fair Copyright in Research Works Act war bereits in der Legislaturperiode 2009-2010 im Kongress gescheitert; über den Status des neuen Entwurfs – der sich im Gegensatz zu seinem Vorgänger nur noch Research Works Act nennt – kann man also bisher nur spekulieren. Trotzdem, dass bereits offene Quellen wieder verstopft werden sollen, ist bedenklich. Und falls jemand hier mit der Freiheit der Wissenschaft kommen will und dem Recht des Forschers, über die Ergebnisse seiner Arbeit zu verfügen: Niemand will den Forschern, die staatliche Gelder angenommen haben, die geistigen Eigentumsrechte an ihrer Arbeit absprechen, Es sind ja auch zumeist nicht die Forscher, die diese Open-Science-Politik bekämpfen, sondern die Journale, die für die Publikation dieser Arbeiten gutes Geld verlangen können. Aber mal ehrlich: Wie schwer kann es sein, eine Open-Science-Peer-Review zu organisieren? Welches Monopol hätten die Journale dann noch?
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