Den nachstehenden Artikel hatte ich vor einiger Zeit mal im Auftrag einer großen süddeutschen Tageszeitung geschrieben. Aber dort blieb er dann erst mal aus Platzmangel liegen – und inzwischen ist die Chance, dass er dort noch erscheint, geringer als die Wahlchancen eines Newt Gingrich (völlig unnötiger – im Englischen würde man sagen “gratuitous” – Seitenhieb auf einen mir persönlich bekannten US-Politiker). Da Georg Hoffmann auf seinem Blog Primaklima das Thema der technischen Verbesserungen in der Photovoltaik angeschnitten hat, um das es ja her ganz speziell geht, und damit er nicht ganz unveröffentlicht bleibt, stelle ich ihn nun hier ein:
Bei Sonnenlicht betrachtet, sind Hochhäuser wahre Energiepakete: Die Sonne bestrahlt jeden Quadratmeter Oberfläche, in unseren Breiten jedenfalls, jährlich mit einer Leistung von etwa einer Megawattstunde; auf das Hochhaus des Süddeutschen Verlages in München brennt sie jährlich also mit mehr als 5700 Megawattstunden nieder.
Mit transparenten, organischen Solarzellen ließe sich wenigstens einen Teil dieser Energie für die Stromgewinnung einfangen, ohne dass dazu architektonische Kompromisse oder bauliche Änderungen nötig wären: In dünner Schicht auf herkömmliches Fensterglas aufgetragen, oder zum Nachrüsten auf transparenten Kunststofffolien, könnten sie Hochhäuser in urbane Solarkraftwerke verwandeln. Diese Solarzellen setzen sich aus mehreren Schichten zusammen, die dennoch gerade mal insgesamt die Dicke von etwa 0,3 Mikrometern (zum Vergleich:ein menschliches Haar durchmisst etwa 50 Mikrometer) erreichen. Zwischen zwei Kathodenschichten – für gewöhnlich Indiumzinnoxid für die Anode, Silber für die Kathode – sind Halbleiterschichten eingebettet, die nicht, wie bei Computerchips und herkömmlichen Sonnenzellen, aus anorganischem Silizium, sondern aus organischen (kohlenstoffhaltigen) Materialien bestehen: vor allem Phthalocyanine, die bereits als industrielle Farbstoffe (unter anderem für Bluejeans) im Einsatz sind, und Fullerene, das sind kugelförmige Kohlenstoffmoleküle, deren Aufbau an einen Fußball erinnert.
Das Anwendungspotenzial dieser Dünnschicht-Photozellen ist vielversprechend; auch die Bundesregierung fördert diese Forschung, vor allem am Institut für angewandte Photophysik (IAPP) der Technischen Universität Dresden. In den USA befassen sich vor allem Wissenschaftler des Massachusetts Institute of Technology (MIT) und der University of Michigan mit dieser Technologie, die allerdings noch im Laborstadium steckt: Ihr derzeitiger Wirkungsgrad von etwa zwei Prozent -aus jedem Kilowatt, das auf sie scheint, können sie höchstens 20 Watt umsetzen – ist, selbst bei bescheiden Ansprüchen, noch zu wenig für den praktischen Einsatz.
Aber Richard Lunt, dessen Labor am MIT* unter anderem vom US-Energieministerium finanziert wird, sieht bereits kurzfristig ein Verbesserungspotenzial um das Zwei- bis Dreifache, und zumindest theoretisch, so erklärte er gegenüber der Süddeutschen Zeitung, sei für organische Photozellen ein Wirkungsgrad von acht bis zwölf Prozent denkbar. Sein Kollege Karl Leo am Dresdner IAPP schätzt das Potenzial mit „fünf bis zehn Prozent bei guter Transparenz” vergleichbar ein.
Das liegt zwar immer noch deutlich unter dem, was herkömmliche Solarzellen leisten können (deren Wirkungsgrad liegt in der Größenordnung von 18 Prozent), aber dafür bieten die organischen Zellen gleich ein ganzes Bündel von Vorteilen:
– Sie sind transparent und können daher anstelle von gewöhnlichem Fensterglas eingesetzt werden, womit allein schon die Klagen über die „Verschandelung” durch Solaranlagen verstummen dürften; die Verwendung als Fenster- und Fassadenmaterial bietet zudem den Vorteil, dass vor allem bei niedrig stehender Sonne (die in Mitteleuropa nun mal eher der Normalfall ist) das einfallende Sonnenlicht besser, weil auf größerer Fläche, genutzt werden kann. Um wieder das SZ-Hochhaus als Vergleichsmaßstab zu verwenden: In die Ebene verlegt, entspräche allein schon seine Südfassade knapp der Fläche eines Fußballfeldes.
– Da sie ohne baulichen Mehraufwand anstelle herkömmlicher Glasscheiben eingesetzt werden können, rechnet Lunt auch mit vergleichsweise geringen Anschaffungskosten. Allein der Einbau herkömmlicher Solarzellen macht etwa die Hälfte ihrer Investitionskosten aus; Glasscheiben mit organischer Solarbeschichtung hingegen sind im Einbau nicht teurer als gewöhnliche Fenster.
– Die Beschichtung selbst geschieht mit handelsüblichen Substanzen bei Raumtemperatur, ganz im Gegensatz zu den hochreinen Hochtemperatur-Prozessen, in denen das Silizium für herkömmliche Solarzellen gewonnen wird. Letztere kommen daher mit einer hohen „Energieschuld”, die frühestens nach fünf Betriebsjahren ausgeglichen ist.
Lunt und seine Kollegen am MIT konzentrieren ihre Forschung zudem auf organische Halbleiter, die speziell nur auf Licht im Infrarotspektrum reagieren; ein aufgedampfter, nanometerdünner Infrarotspiegel erhöht die Energieausbeute der Halbleiter, ohne das dabei nennenswerte Verluste im sichtbaren Lichtspektrum anfallen – im Gegensatz zu bisherigen Dünnschicht-Photozellen sind die MIT-Solarzellen fast so klar wie gewöhnliches Fensterglas.
Ein Nachteil der Dünnschicht-Technologie könnte jedoch die Haltbarkeit sein. „Bei so neuen Materialien ist die Lebensdauer schon ein Problem”, räumt der MIT-Forscher Lunt* ein. Um die organischen Halbleiter selbst macht er sich dabei geringere Sorgen – die gleichen Materialien werden auch für organische Leuchtdioden verwendet, und hier deute bisher nichts auf mangelnde Haltbarkeit der Halbleitersubstanzen hin. Doch wie jeder weiß,der entspiegelte Brillengläser trägt, sind diese Beschichtungen empfindlich gegen Staub und Kratzer, die beim Putzen unvermeidlich entstehen. Aber da moderne Fenster sowieso typischer Weise mehrfach verglast sind, wäre es kein größeres Problem, die Dünnschicht auf einer Innenseite – und so geschützt vor Witterungs- und Reinigungsschäden – anzubringen.
Die größte Herausforderung bleibt also, den Wirkungsgrad der organischen Solarzellen so weit zu steigern, dass sich ein Einsatz am Bau auch wirklich lohnt. Dies dürfte, nach Leos Schätzung, schon in relativ bald der Fall sein: „Erste hochpreisige Muster”, so schätzt er, seien „in zwei bis der Jahren zu erwarten, Massenprodukte in etwa fünf Jahren.”
*Lunt lehrt inzwischen an der Michigan State University
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