Nicht ausdrücklich, aber de facto dann doch: Ein (bereits am 4. Januar) gegen das Veto des demokratischen Gouverneurs John Lynch mit der überwältigenden Mehrheit der Republikaner in beiden Kammern des Parlaments verabschiedetes Gesetz gibt den Eltern ein kategorisches Recht, ihre Kinder von allen Fächern befreien zu lassen, an deren Inhalt oder Lehrmaterial sie Anstoß nehmen:
Require school districts to adopt a policy allowing an exception to specific course material based on a parent’s or legal guardian’s determination that the material is objectionable. Such policy shall include a provision requiring the parent or legal guardian to notify the school principal or designee in writing of the specific material to which they object and a provision requiring an alternative agreed upon by the school district and the parent, at the parent’s expense, sufficient to enable the child to meet state requirements for education in the particular subject area. The name of the parent or legal guardian and any specific reasons disclosed to school officials for the objection to the material shall not be public information (…)
Zwar bedeutet dies nicht, dass die Kinder generell vom Lernen dieser Fächer befreit sind, doch die Schulen sind verpflichtet, bei Widerspruch der Eltern ein Lehrangebot für deren Kinder zu schaffen, das den Wünschen der Eltern entspricht. Zwar haben diese die Kosten zu tragen, doch in der Praxis käme es dennoch einer Aushöhlung des Kurrikulums gleich, wenn ein nennenswerter Teil der Kinder vom Unterricht ausgenommen wäre und statt dessen private Unterweisungen in “genehmer” Form erhielte.
Mein erster Verdacht war ja, dass dies eine Hintertür für Evolutionsgegner sein sollte. Doch aus dem ersten Kommentar zu diesem Blogbeitrag geht schon hervor, dass die Stoßrichtung eine ganz andere war: Es ging um, genauer gesagt, gegen den Mathematikunterricht.
Und so unsinnig ich ein solches Gesetz finde, das letztlich alle schulischen Inhalte vom Wohlgefühl einzelner Eltern abhängig macht: So ganz unbegreiflich, wie ich es mir doch wünschen möchte, erscheint mir zumindest die Motivation eines solchen Gesetzesentwurfs nicht. Denn mit dem Mathematik-, genauer gesagt: dem Rechenunterricht hatte ich als Vater eines Grundschülers auch erhebliche Probleme. Die Schulen in New York (und auch nvielen anderen US-Bundesstaaten, beispielsweise Massachusetts) folgen dabei einem vom Technical Education Research Center (TERC) entwickelten Kurrikulum, das – um es mal stark vereinfacht auszudrücken – auf das Lernen durch Entdecken setzt. Das klingt erst mal ganz gut, ist im Prinzip an die Montessoripädagogik angelehnt. Wer würde seinem Kind nicht wünschen, dass es seine Welt – auch die Welt der Zahlen – selbst entdecken darf, frei von Drill und Paukerei?
So attraktiv die Idee sein mag, sie hat nur einen Haken: Sie haut nicht hin. Der Schulleiter unserer ersten Grundschule, selbst ein Mathematiklehrer und gewiss einer der engagierteren Pädagogen, die ich kenne, gestand mir einmal seufzend, dass etwa 70 Prozent aller Schüler Probleme mit diesem Lehrplan haben. Sicher, Mathematik ist mehr als nur Rechnen (letzteres kann man heute getrost dem Taschenrechner überlassen), ist eine Herausforderung an das kreative Denken, um Lösungen zu finden. Aber die Lösungen müssen letztlich halt doch rechnerisch richtig sein. Mit anderen Worten: Wenn die Kinder bei der Suche nach solchen neuen Wegen darauf kommen, dass drei mal drei fünf ist, dann hat man sie letztlich doch nur in die Irre geführt. Und wenn Sechstklässler bei einfachen Additionen noch an den Fingern abzählen müssen, dann scheint’s doch an etwas zu fehlen … Ein bisschen “Fakten-Lernen” (so nennt man das hier in den USA) gehört halt dazu. In unserer gegenwärtigen Schule werden daher nun die Fünft- und Sechstklässler im kleinen Einmaleins unterwiesen.
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