Dies sollte eigentlich ein viel längerer, polemischer Text werden, in dem ich eine Gegenposition zum Beitrag meines SB-Kollegen Christian Reinboth über grüne Gentechnik in Sachsen-Anhalt beziehen wollte. Die Gegenposition bleibt, nur die lange Polemik habe ich wieder gestrichen, nachdem ich mich eben aus aktuellem Grund noch viel mehr über American Airlines und deren tief verankerte Abneigung gegen die Leute, die sich in ihre Flugzeuge setzen wollen, geärgert habe. Ich hab’ einfach nicht die Luft für zwei Tiraden.
Was an der Gentechnik schlecht ist, lässt sich in zwei Wörtchen sagen: ihr Image. Und daran ist niemand sonst schuld als “die Gentechnik” selbst. Das hätte ich zwar gerne differenziert nach gentechnische Forschung und gentechnische Produktion und Vermarktung, und dann die Schuld allein auf Letztere geschoben – aber mit dieser gemeinsamen Erklärung der großen deutschen Forschungsinstitute ist diese Trennung leider längst aufgehoben worden: Angst um den Standort Deutschland, weil ein von Verbrauchern abgelehntes Produkt nicht angebaut werden darf? Lasst mal stecken.
Okay, schneller zur Sache: Warum will der deutsche Verbraucher keine Erzeugnisse der so genannten grünen Gentechnik? Weil sie bisher keine Erzeugnisse geliefert hat, die der deutsche Verbraucher will. Besser gesagt: die er braucht. Mit der Anti-Matsch-Tomate ging’s doch schon los: DieFlavr-SavrTomate wurde 1994 in den USA auf den Markt geworfen; dank eines veränderten Gens sollte sie nicht so schnell matschig werden, also länger haltbar sein. Klingt scheinbar gut, aber mal ehrlich: Wer will eine länger haltbare Tomate? Der Verbraucher wohl nicht, denn der (ganz nebenbei: in meiner Polemik werde ich mich auch ganz ungeniert des generischen Maskulinums bedienen, auch wenn ich weiß, dass Tomaten sowohl von Frauen als auch von Männern verzehrt werden) kauft Tomaten, um sie zu verzehren. Längere Haltbarkeit dient ausschließlich dem Nutzen des Anbieters.
Auch der herbizidresistente Mais ist nicht besser für den Verbraucher, sondern nur für die Anbieter. Selbst das Argument, dass der Mais ja ein bisschen billiger hergestellt werden könne (ich nehm’ das jetzt mal für bare Münze), bringt dem deutschen Verbraucher nicht viel. Und wenn er sich entscheidet, dass ihm gentechnikfreie Landwirtschaft höhere Preise wert ist, dann ist das sein Recht.
Ah so, es geht ja gar nicht um den deutschen Markt, höre ich da. Wenn wir nicht auf deutschen Feldern forschen, und den Mais an deutsche Esser verfüttern, dann werden die armen Kinder in der dritten Welt verhungern. Erinnert mich irgendwie an das “Argument”, mit dem ich als Kind genötigt wurde, verhasste und pampige Breie zu verspeisen, “weil die Kinder in Biafra nichts zu essen haben”. Wie mein leerer Teller deren Mägen hätte füllen sollen, hab’ ich bis heute nicht kapiert. Bitte nicht falsch verstehen: Ertragreichere Nutzpflanzen sind in jedem Fall wünschenswert. Aber so viel verstehe ich von der Landwirtschaft, dass diese Pflanzen am besten für und in den Anbauregionen gezüchtet werden, wo sie dann auch wachsen sollen. Die deutschen Anbauflächen werden beim besten Willen nicht ausreichen, um neun Milliarden Menschen (die bald auf der Erde leben sollen) zu verköstigen.
Wenn es um den Forschungsstandort Deutschland schlecht bestellt ist, dann werden ein paar Stängel Mais auch nicht viel helfen. Die Probleme, die vor allem junge Wissenschaftler ins Ausland treiben, sind viel profunder – und hier auf ScienceBlogs auch nachzulesen. Und wenn BASF seine Dependance in Sachsen-Anhalt dicht macht, dann bestimmt nicht (nur) wegen irgendwelcher Proteste; in vielen Jahren als Wirtschaftsjournalist (ja, das mach’ ich auch) habe ich gelernt, dass Unternehmen ziemlich protestresistent sein können, so lange sie ein Geschäft machen können.
Für ihren Ruf ist die Gentechnik-Branche erst mal ganz alleine verantwortlich. In jeder anderen Branche gilt es als rückständig, wenn Hersteller ignorieren, was die Verbraucher wollen. Nur in der grünen Gentechnik soll das anders sein?
P.S.: Und sich über Verbraucher lustig machen, die sagen, sie wollen kein Essen “mit Genen drin” (das Gleiche gilt für “mit Chemie drin”) bringt auch nichts: Wir wissen alle sehr genau, was damit gemeint ist. Nur weil es naiv ausgedrückt wird, ist es noch lange nicht lachhaft.
Und noch ein P.P.S.: Auch wenn’s nicht auf Anhieb klar wurde – dies ist ein Plädoyer für Gentechnik.
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