Das Tragische an der Malaria ist nicht nur, dass sie eine der tödlichsten Krankheiten der Welt ist: Im Jahr 2010 sind nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation rund 655.000 Menschen daran gestorben; nach einer Lancet-Studie von Experten der University of Washington, gemeinsam mit der australischen University of Queensland, liegt die tatsächliche Zahl sogar etwa doppelt so hoch. Ihre eigentliche Tragik ist, dass Malaria – eine der ältesten uns bekannten Krankheiten – mit vergleichsweise geringem Aufwand zu stoppen wäre. Die Aktion Malaria No More will diesem Ziel durch so etwas Simplem wie Moskitonetze näher kommen; um diese Aktion zu finanzieren, haben 62 Autorinnen und Autoren, darunter Jeff Jarvis, Jonah Lehrer und Seth Godin – letzterer betreut die Aktion durch sein Domino Project – Beiträge zu einem Buch mit dem schlichten Titel End Malaria beigesteuert. Passend dazu hat Godin zum Welt-Malaria-Tag am 25. April den End Malaria Day ausgerufen, um auf diese Aktion aufmerksam zu machen. Ich habe mit dem Marketing-Experten kurz über diese Aktion und den Nutzen simpler Maßnahmen geplaudert:
Warum gerade jetzt eine Aktion gegen Malaria?
Seth Godin: Die läuft ja nicht erst seit jetzt; Malaria No More arbeitet schon seit Jahren daran. Malaria ist eine sehr leicht zu verhindernde Krankheit, die eigentlich nur deshalb noch existiert, weil die Menschen in der privilegierten Welt sie nicht kapieren. Und weil sie das nicht kapieren, kümmern sie sich auch nicht darum, dass sie mit einem Aufwand von ein paar Dollar pro Person ausradiert werden könnte.
Und das hat genügt, um mehr als 60 Autoren freiwillig und kostenlos für das Buchprojekt zusammen zu bekommen?
Godin: Für die 65 Autorinnen und Autoren war es gar keine Frage, denn die Aktion ist komplett uneigennützig. Hier geht es nicht darum, dass jemands Tochter oder jemands Bruder an einer Krankheit leidet, die es zu besiegen gilt. Der einzige Grund ist: Wenn wir über Kreativität und Veränderung reden wollen, dann ist es sicher eine gute Idee, mit etwas anzufangen, mit dem man ganz selbstlos Millionen von Menschen helfen kann.
Und hier können Sie als Marketing-Experte mithelfen, nehme ich an …
Godin: Ja, und es fiel mir ziemlich leicht, mich dahinter zu stellen. Denn hier fehlt es nicht am wissenschaftlichen Durchbruch – unser Problem ist, die Geschichte zu vermitteln.
Und Geld aufzutreiben, nehme ich an. Wie viel wird denn benötigt?
Godin: Wir haben bisher schon mehr als eine Viertelmillion Dollar zusammen gebracht. Und das ist mehr, als mit irgend einem Business-Buch bisher mobilisiert wurde. Und 100 des Geldes, das andernfalls an die Autoren und an meine Firma und andere Beteiligte gegangen wäre, jeder Penny geht an Malaria No More – und die kaufen davon Moskitonetze für Betten.
Ganz einfach Moskitonetze? Die können doch nur eine begrenzte Zeit des Tages überhaupt schützen.
Godin: Sie sollten wissen, dass Moskitos nur nachts stechen. Man muss das Moskitonetz nicht den ganzen Tag lang tragen, um einen wirksamen Schutz vor Malaria zu haben. Und es funktioniert ja auch nicht so wie in den Comicfilmen, wo der Moskito zusticht und man fällt tot um. Normaler Weise dauert es Monate, bis man die Infektion spurt, und dann kostet die Behandlung mehr als 60 Dollar- nicht eingerechnet der Verlust an Produktivität. Von den vielen Kindern gar nicht zu reden.
Werden die Netze also vor allem an Kinder gehen?
Godin: Sie gehen an Familien, aber Kinder werden den größten Nutzen davon haben.
Schön. Aber Netze bekämpfen ja nicht wirklich das Problem. Wäre ein Projekt, das den Malariaerreger auslöscht oder die Moskitos an der Vermehrung verhindert, also an die Wurzel des Übels geht, nicht viel attraktiver?
Godin: Ja, das Argument habe ich schon oft gehört. Und die meisten Leute, die es vorbringen, verwenden weder viel Zeit noch viel Geld damit, irgendwelche Leben zu retten, und nehmen dann dies als Vorwand, sich vor allem Weiteren zu drücken. Wir wissen, dass Moskitonetze wirken, und wir wissen, dass sie das hier und jetzt tun. Keine Frage, dass es auch helfen könnte, ganz Afrika mit DDT zu bedecken – aber die Nebenwirkungen wären enorm. Ich bin ja auch für eine Malaria-Schutzimpfung und die Moskito-Bekämpfung – aber ich würde lieber schon heute mit einfachen Mitteln ein Leben retten. Vor allem, wenn es sich um Kinder handelt.
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