Nachdem ich feststellen musste, wie schnell die Debatte um geistiges Eigentum und Urheberrecht in Unsachlichkeiten und ad hominem-Attacken abgleitet, hatte ich eigentlich die Lust darauf verloren, meine Position hier weiter auszuführen. Aber warum eigentlich? Dies ist mein Blog, und wenn ich mich einschüchtern ließe, meine Meinung zu verschweigen, nur weil sie manchen Mit-Lesern nicht passt, dann hätte damit so ziemlich jedes Argument, warum wir ein offeneres Web brauchen, Harakiri begangen …
Dies hier ist kein Manifest, keine auch nur ansatzweise als abschließend betrachtete Analyse des Problems. Es sind – wieder einmal – ein paar Beobachtungen aus der Sicht eines Betroffenen. Denn ja, ich habe ein Vierteljahrhundert ein den “alten” Medien gearbeitet, aber ich war auch mit dabei, als das Internet als “Medium” entdeckt und erschlossen wurde. Und jetzt bin ich Blogger …
Was ich an dieser Diskussion pro oder contra ACTA/SOPA/PIPA (oder wie immer die Buchstabensuppe heißt, die uns da vorgesetzt und in den Schlund gewürgt werden soll) zum Kotzen finde (ja, zum Kotzen, das war kein Tippfehler) ist doch, dass so oder so erst mal die Interessen von Multimilliardären bedient werden – und die eigentlich Betroffenen, die ich als das Content-Proletariat bezeichnen möchte (und zu dem ich mich zähle) interessieren keine Sau. Sicher, wenn vom Tisch der Reichen was abfällt, dann wird auch das eine oder andere Ferkel mal was zu beißen kriegen – aber ist es das, was wir uns unter einem gerechteren Internet, einem freieren Zugriff auf geistige Leistungen und kreative Schöpfungen vorstellen?
Fangen wir mal mit den “alten” Medien an, also jener Gruppe, die auch massiv hinter dem pro-ACTA/PIPA/SOPA-Lobbying steht. Das Vermögen, das man aus dem Vermarkten der geistigen Arbeit anderer schlagen kann, ist schon ziemlich enorm – nicht ganz zufällig zählen die Verleger und Eigentümer von Multimediakonzernen weltweit zu den Reichsten ihrer jeweiligen Gesellschaften. Und wenn man Software dazu zählt, dann sind globale Spitzenplätze nicht unerreichbar. Klar, deren Geschäftsmodell beruht darauf, von ihren Lesern/Zuschauern/Zuhörern kräftig Gebühren für den Konsum ihrer ideellen Produkte, in Form von Eintrittsgelderm, Abo- oder Kioskpreisen und so weiter, zu kassieren.
Auf der anderen Seite sind die Googles und Facebooks, die selbst keinen Content generieren, sondern sich eine goldene Nase damit verdienen, den Content, den andere produziert haben, zu bündeln. Und muss ich noch darauf hinweisen, dass auch die Personen hinter Google und Facebook Multimilliardäre sind? Was die Verleger wurmt, ist doch nicht, dass diese Bündler mit “ihrem” Content klotzig verdienen – sie sind nur sauer, weil sie nichts davon abkriegen.
Klingt das polemisch? Nö, das ist sogar ganz unumwunden hier nachzulesen. Es geht doch ganz offensichtlich nicht darum, dass irgend welche neuen Freiheiten im Internet geschaffen oder etabliert werden sollen – es geht nur darum, wie der große Kuchen verteilt werden soll. Und egal wie, für das Content-Proletariat wird’s immer nur Krümel geben. Wenn überhaupt. Denn wozu für etwas bezahlen, was ich auch umsonst kriegen kann? Ironischer Weise ist dies genau das Argument, mit dem auch die ACTA-Gegner ihre Ablehnung begründen. Und damit stehen sie, ob sie es wollen oder nicht, den Interessen jener näher, die sie scheinbar bekämpfen. Letztlich nützt auch ein “freieres” Internet vor allem jenen, die schon jetzt mit Content, den andere generiert haben, reich werden – und wir, das Content-Proletariat, das schon jetzt für ein paar Pennies (wenn überhaupt) arbeitet, sind die Idioten, die sich dann von beiden Seiten anhören müssen, dass sie sich halt einen anderen Job suchen sollen, wenn sie davon nicht leben können.
Kommentare (26)