Darüber, warum Frauen in den so genannten MINT-Fächern und -Berufen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) – die im Englischen übrigens als STEM bezeichnet werden – unterrepräsentiert sind, haben wir hier schon mehrfach laut nachgedacht. Dass Frauen unterrepräsentiert sind, ist leider eine Tatsache: In den USA ist nur jeder 5. Student in technischen Fächern (= engineering) weiblichen Geschlechts. Und natürlich werden die Gründe dafür gerne in weiblich-geschlechtsspezifischen Eigenschaften verankert. Doch daran liegt’s nicht, wie das Paper Professional Role Confidence and Gendered Persistence in Engineering nachweisen kann (ist zwar bereits im vergangenen Oktober in der American Sociological Review erschienen, aber ich bin erst jetzt durch den MIT-Newsletter darauf aufmerksam geworden).
Um es kurz zu machen: An der – vorgeblichen – Tatsache, dass Frauen (denen biologisch die Rolle des Kinder Austragens zufällt) ihre Berufswahl eher nach den Aspekten der Familienplanung treffen und daher solche technischen Felder zu Gunsten von “sanften” Studiengängen (Kunst oder Sozialwissenschaften, beispielsweise) meiden, liegt es definitv nicht. Einfach deshalb, weil sich dieses Verhalten bei Frauen nicht als typisch nachweisen lässt. Im Gegenteil: Frauen mit sehr klaren und traditionllen Vorstellungen von Familienpanung neigen sogar eher dazu, einen Ingenieursberuf zu wählen – bei Männern hingegen nimmt diese Neigung mit dem Wunsch nach Familie ab! Beweise gefällig? Hier:
Vielleicht sollte ich erst mal erklären, was hier überhaupt untersucht wurde: Die AutorInnen der Studie, darunter die MIT-Anthropologin Susan Silbey, hatten über vier Jahre hinweg 288 Engineering-Studenten – 125 Frauen und 163 Männer – des MIT, der University of Massachusetts in Amherst, des Smith College und des Olin College begleitet und dabei auch unter anderem nach der Selbsteinschätzung ihrer mathematischen Fähigkeiten, ihren Familienplänen und – zum Ende des Studiums – auch danach befragt, ob sie sich auch in fünf Jahren noch vorstellen könnten, in einem technischen Beruf zu arbeiten (dies wird als “Intentional Persistence” in obiger Grafik bezeichnet).
Zwar schätzen die Frauen durchweg ihre mathematisch-technischen Talente geringer ein als die Männer – auf ihre Bereitschaft, ein technischen Studium durchzuziehen und später auch in diesem Feld zu arbeiten, wirkt sich diese Selbsteinschätzung nicht aus. Bei den Männern übrigens auch nicht (was sagen soll: Nicht nur Mathe-Talente oder solche, die sich dafür halten, interessieren sich für Technik). Auch die Familienplanung ist, wie bereits erwähnt, kein Grund, der sie aus dem Feld vertreibt (und dass es so einen Grund geben muss, zeigt sich daran, dass Frauen doppelt so häufig wie Männer das Handtuch warfen und auf andere Fächer umsattelten). Im Gegenteil: “Frauen, die eine deutlicher Absicht ausdrückten eine Familie gründen zu wollen, blieben mit größerer Wahrscheinlichkeit dabei, und Männer, die eine klarere Absicht zur Familiengründung hatten, sattelten um”, erklärt die MIT-Anthropologin Silbey. “Wir haben dafür noch keine Erklärung, aber es ist ein Faktum, das untersucht werden muss.”
Stimmt. Aber hier geht’s erst mal noch um die Frauen. Was ist den nun der Grund, der sie von den technischen Berufen abhält? Einfach Antwort: Die Männer. Genauer gesagt, die Tatsache, das vor allem in den Ingenieursberufen offenbar noch solche Macho-Attitüden gepflegt werden, dass den Frauen einfach die Lust darauf vergeht, hier zu arbeiten. “Sie erleben, dass die Kluft zwischen dem, was sie sich unter einem Ingenieursberuf vorstellen und wie die Praxis dann aussieht, einfach zu groß ist”, erklärt Silbey. Denn in dieser Praxis, mit der sie durch Praktika ja bereits im Studium vertraut gemacht werden, sieht ihre Rolle oft so aus: Notizen machen, während die Männer diskutieren; Termine organisieren; Arbeitsabläufe managen. Und dafür haben sie nicht vier Jahre lang Maschinenbau oder Bauingenieurswesen studiert.
Und während bei Männern erst mal grundsätzlich angenommen wird, dass sie von Technik eine Ahnung haben, wird das bei Frauen erst mal ebenso grundsätzlich angezweifelt: “Die Leute, mit denen ich hier arbeite, nehmen mich nicht ernst”, beklagt sich beispielsweise eine MIT-Studentin. “Nicht alle aber doch ein großer Teil der älteren Männer in meinem Umfeld sind so. Sie behandeln mich, als ob ich keine Ahnung hätte und hier nur arbeiten dürfte, weil mein Vater auch hier beschäftigt ist. Die wissen gar nicht, dass ich einen Notendurchschnitt von 1,1 habe und alle meine Engineering-Klassen mit Bravour bestanden habe.” Dieses Arbeitsklima, so resümiert das Paper, bürde den Frauen auf, “dass sie beweisen müssen, trotz der Geschlechtsvorurteile fähige Ingenieure zu sein” – und das sei auf lange Sicht nicht erträglich.
Mir ist klar, dass sich jede Menge Anekdoten von Männern finden lassen, die sich auch erst in ihrem technischen Beruf beweisen mussten. Doch dass es ein Unterschied ist, ob man sich lediglich als Neuling profilieren muss, oder ob das Geschlecht die Hürde zur Anerkennung ist: Ersteres erledigt sich mit der Zeit von alleine, aber eine Frau bleibt immer eine Frau. Und die Aussicht, ein ganzes Berufsleben lang dagegen kämpfen zu müssen, ist gewiss nicht verlockend.
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