“Geschlechtergerechte Sprache ist ja immer ein Aufregerthema”, hatte Martin Bäker als einleitenden Satz zu seinem Beitrag Gibt es ein “generisches Maskulinum”? geschrieben – und ich gebe zu, ich finde das Thema meistens einen Aufreger. Aufregend genug, dass ich trotz eines verbeulten linken Arms (Ellbogen -> Betonplatte -> Knacks -> Aua!) doch mal, wie hier schon angedroht, in die Tasten greifen muss. Aber die Aufregung besteht meinerseits nicht darin, dass ich das das generische Maskulinum hier verteidigen will – im Gegenteil: Ich halte es für absolut (also ohne Ansehen irgendwelcher Ziele und Zwecke) vermeidenswert; jede Formulierung, die dieses “generische Maskulinum” überflüssig macht, ist zu begrüßen.

Was micht aufregt, sind vielmehr die Studien, die dazu angestellt werden. Ich beziehe mich jetzt mal nur auf das Paper, das auch Martins Beitrag zu Grunde liegt: Generically intended, but specifically interpreted: Why beauticians, musicians and mechanics are al men. Die Idee, mal zu untersuchen, ob sich die generische von der spezifischen Bedeutung des grammatischen Maskulinums trennen lässt, ist extrem spannend. Denn irgendwie sind beide Interpretationen in einer Art “Superposition” in diesem Maskulinum enthalten: Erst durch genaues Nachschauen kann ich feststellen, welches im konkreten Fall anwendbar ist, und durch den Akt des Nachschauens löst sich diese Superposition – in der grammatischen Idealwelt – in eine eindeutige Anwendungsform auf. Etwa so wie bei der (nur als Metapher zu verstehenden) hypothetischen Katze Ernst Schrödingers, die in ihrer speziellen Situation gleichzeitig sowohl tot als auch lebendig sein – und dadurch, dass die Kiste geöffnet und nachgeschaut wird, kollabiert diese “Superposition” zu einem spezifischen Zustand, entweder tot oder lebendig.

Das generische Maskulinum nimmt übrigens gleich mehrere solcher Superpositionen ein: Es kann eine “entweder-oder”-Bedeutung haben (wir wissen nicht, ob es sich bei der/den bezeichneten Person/en um einen oder mehrere Frau/en oder Mann/Männer handelt) als auch Ein “Sowohl-als-auch” ausdrücken: Die beschriebene Gruppe besteht aus Frauen und Männern. Ist an sich schon trickreich, da diese Verknüpfungen, wie ich noch vage aus dem Mathematikunterricht (Boolesche Algebra) in Erinnerung habe, als Gegensätzlich verstanden werden: Konjunktion (und) beziehungsweise Disjunktion (oder)*.

*Letzteres übrigens in der Form der ausschließenden Disjunktion: Das generische Maskulinum soll ja nicht dazu dienen, den biologischen Spezialfall des Zwitters oder andere Genderdefinitionen zu umschreiben, sondern ein grammatisches Problem lösen, bei nicht eindeutig bekanntem natürlichem Geschlecht dennoch ein eindeutiges grammatisches Geschlecht zuzuordnen.

Aber das generische Maskulinum muss gleichzeitig auch das spezifische Maskulinum sein können – beide Formen werden exakt gleich gebildet (im Gegensatz etwa zur Anredeform und der 3. Person Plural: Beide werden sehr ähnlich gebildet, doch die höfliche Anredeform “Sie” wird korrekter Weise groß geschrieben – die 3. Person Plural hingegen “sie” und somit klein geschrieben). Auch dies ist eine “Superposition” – es kann bei genauerem Hinschauen nicht beides zugleich sein.

Das Problem bei der Forschung ist nun, dass sie einen Weg finden muss, diese “Superpositionen” zu erlauben und gleichzeitig das Ergebnis “festnageln” zu können. Vielleicht wird das Dilemma klarer, wenn ich das Beispiel, das auch Martin aus der zitierten Arbeit ausgewählt hatte, mal entsprechend präsentiere:

Satz 1: “Die Sozialarbeiter gingen durch den Bahnhof.” (The social workers were walking through the station.)
Satz 2: “Weil schönes Wetter angekündigt war, trugen einige der Frauen keine Mäntel.” (Since sunny weather was forecast several of the women weren’t wearing a coat.)

Satz 1 kann als solcher erst mal spezifisch sein, also die Sozialarbeiter sowohl im grammatischen als auch natürlichen Geschlecht männlich sein (= keine Frauen dabei). Oder er kann generisch gemeint sein, also ein Teil der Sozialarbeiter ist männlich, ein Teil weiblich (das generische Maskulinum als “sowohl-als auch”). Oder er kann generisch im Sinn von “entweder-oder” gemeint sein: Wir wissen nicht, wie sich die Gruppe zusammensetzt – es können alles Frauen sein, alles Männer, oder ein Teil Männer. Wir wissen es nicht.

Okay, nun schauen wir uns Satz 2 an: Der verrät uns die Gegenwart von Frauen, und wenn man mal von der Möglichkeit absieht, dass die Subjekte der beiden Sätze nichts miteinander zu tun haben (wobei sich der zweite Satz dann auf die mit großer Wahrscheinlichkeit auf einem bevölkerten Bahnhof anzutreffenden Frauen bezöge, völlig unabhängig von der sozial arbeitenden Gruppe), kann das Maskulinum des ersten Satz schon mal definitv nicht spezifisch sein. Der Haken ist nur, dass die Formulierung des zweiten Satz auch die generische Deutung ausschließt – weil er verrät, dass wir die Zusammensetzung der Gruppe kennen. Die Konstruktion “einige der Frauen” setzt, logisch gesehen, die “Frauen” des 2. Satzes mit den “Sozialarbeitern” des 1. Satzes gleich. (Vielleicht wird dies an einem anderen Beispiel klarer: “Die Mannschaft des FC Knickfuß betritt das Spielfeld. Einige der Spieler tragen noch sichtbar die Verletzungen vn ihrem letzten Match” – jedem ist klar, dass mit “Spieler” die “Mannschaft des FC Knickfuß” gemeint ist.) Wenn aber die Sozialarbeiter alle Frauen sind, und wir – wie wir im 2. Satz verraten haben – das auch wissen, dann ist ein generisches Maskulinum nicht angebracht: “Sozialarbeiterinnen” wäre dann die grammatisch korrekte Form.

Mit anderen Worten: Mit dieser Zweisatz-Konstruktion lässt sich das generische Maskulinum gar nicht untersuchen, weil sie streng genommen gar kein generisches Maskulinum enthält (= weil die Bedingungen für die Anwendung der generischen Form nicht erfüllt). Dass dennoch Resultate erzielt wurden, die in der erwarteten Größenordnung liegen, wäre vielleicht eher der Verwirrung der Testpersonen zuzuschreiben.

Aber Moment mal: Haben die ForscherInnen um Pascal Gygax diese Interpretation nicht ausdrücklich ausgeschlossen? Klar, was mein Sprachgefühl mir sagt (es sagt mir, dass meine obige Darstellung korrekt ist), hat rein wissenschaftlich gesehen nur anekdotischen Wert. Und so schlau sind die ForscherInnen natürlich auch, also haben sie in einer separaten Pilot-Testreihe untersucht, ob ihre Testpersonen anhand dieser Satzpaare – das oben zitierte Beispiel ist nur eines von insgesamt 36, die jeweils in deutscher, englischer und französische Sprache getestet wurden – akzeptieren könnten, dass die erste Gruppe sowohl aus Männern als auch Frauen besteht. Und in der Tat fanden 89,9 Prozent, dass das generische Maskulinum des ersten Satzes auch in Hinblick auf das, was der zweite Satz verrät, sowohl männliche als auch weibliche Gruppenelemente enthalten könne:

The results of the pilot revealed a low rate of deviations from the intended perception of the group as being gender-mixed.

Also was jetzt? Wenn neun von zehn Testpersonen finden, dass eine generisch maskulin markierte Gruppe aus Elementen beider Geschlechter bestehen kann, dann ist doch die generische Natur dieses Maskulinums mit großer Gewissheit erst mal bestätigt, oder? Wenn aber der Nachweis der Unwirksamkeit des generischen Maskulinums vom Nachweis seiner Wirksamkeit abhängt (nur wenn die Resultate der Pilotstudie gültig sind, sind auch die Resultate der Hauptstudie abgesichert), dann habe ich … ein Paradox. Dann habe ich wieder die Katze, die gleichzeitig lebt und tot ist.

Aber ignorieren wir mal dieses Paradox und nehmen die Zahlen, die diese Studie ermittelt hat, einfach mal als gültig an (ich betrachte jetzt mal nur die deutschen Werte). Die erste Folgerung der Forscher hier war, dass die stereotypische Geschlechterzuordnung der Gruppe aus Satz 1 (Piloten, Golfspieler und Chirurgen beispielsweise werden überwiegend als männliche Domänen betrachtet, während Krankenpfleger oder Kosmetiker primär als weibliche Berufsbilder gelten) bei ihren Resultaten keine große Rolle für deutschsprachige ProbandInnen spielte, sondern die grammatische Vorgabe entscheidend war. Als Gegenbeispiel wurde dazu die englisch sprechende Gruppe genannt, in der die Akzeptanz des zweiten Satzes als logische Fortsetzung des ersten in hohem Maße (85 bzw 88 %) davon abhing, dass die Gruppenbezeichnung (Männer bzw. Frauen) des zweiten Satzes mit dem Stereotyp der Gruppenbezeichnung (Sozialarbeiter, Anwälte, Spione etc.) des ersten Satzes übereinstimmt. Bei den deutschen Probanden hingegen hatten 69 Prozent bei männlichem Stereotyp und “Männern” im Fortsetzungssatz zugestimmt, 65 Prozent bei weiblichem Stereotyp und “Männern”, 40 Prozent bei weiblichem Stereotyp und “Frauen”, sowie 35 Prozent bei weiblichem Stereotyp und “Männern”.

Vielleicht bin ich naiv, aber ich finde diese Resultate genau so, wie man sie erwarten sollte: Erstens könnte man argumentieren, dass sich die Deutschen nicht primär von Stereotypen leiten lassen. Oder, um aus dem Paper zu zitieren:

… when no mark of gender is provided by role names or their accompanying definite articles, the representation of gender is based on stereotypicality.

Was ja nichts anderes heißt als: In der angeblich so “geschlechtsneutralen” Sprache Englisch spielt das Geschlechtsstereotyp eines Berufes die enscheidende Rolle. Dann sind Machaniker und Golfspieler immer Männer, und Krankenpfleger oder Geburtshelfer immer Frauen – und entsprechend groß ist die Überraschung, wenn dann doch eine Frau (im Profi-Golfturnier, beispielsweise) oder ein Mann als Krankenpfleger auftaucht. Genau das Gegenteil, was eine angeblich geschlechtsneutrale Sprache in den Köpfen bewirken soll.

Und zweitens finde ich, dass die – grob betrachtet – Zweidrittel-Eindrittel-Verteilung der Antworten genau den zu erwartenden Wahrscheinlichkeiten entspricht. Darf ich mal vorrechnen? Das Maskulinum hat in der deutschen Grammatik zwei Funktionen – es kann spezifisch sein und es kann generisch sein; das Femininum ist auschließlich spezifisch – es gibt kein generisches Femininum. Es gibt drei grammatische Möglichkeiten, das Geschlecht* einer Person zu beschreiben: Männlich, weiblich und unbestimmt/unbekannt = generisch. Das Substantiv in seiner weiblichen Form deckt nur eine dieser drei Möglichkeiten ab, das Maskulinum hingegen zwei.

Wenn also das generische Maskulinum nicht funktioniert – oder, wie Anatol Stefanowitsch in einem Blogeintrag zu diesem Thema resümierte, nicht existiert – dann müsste ein Satz wie “Die Sozialarbeiter gehen durch den Bahnhof” zwingend bedeuten, dass diese Gruppe männlich ist. In diesem Fall könnte dann ein Folgesatz “Die Frauen trugen keine Mäntel” nicht als logische Fortsetzung angesehen werden. Dann ist aber ein Zustimmungswert von über 60 Prozent dazu, dass dies doch eine logische Fortsetzung wäre, nicht erklärbar – der müsste dann eher bei Null Prozent liegen. (Dies schreiben übrigens auch Gygax et al. in ihrem Paper – aber sie bewegen sich dabei wieder in der oben beschriebenen Paradoxschleife.)

Eine ganz andere Frage ist zudem, ob die Annahme berechtigt ist, dass dieses generische Maskulinum zu einer Wahrnehmungsverschiebung führt, die Frauen automatisch benachteiligt. Dass Sprache unser Denken beeinflusst, wird ja seit der Sapir-Whorf-These immer wieder und immer heftig diskutiert. Generell halte ich das auch für glaubhaft: Wenn Arbeitskollegen, die in einem anderen Land als Deutschland geboren wurden, als “Gastarbeiter” bezeichnet werden, dann schließt das die – integrationshindernde – Erwartung mit ein, dass dieser “Gast” auch wieder abreisen werde. Wer Ausländer als “Kanaken” bezeichnet, wird sie kaum als gleichberechtigte Mitbürger akzeptieren. Und wenn immer nur von Feuerwehrmännern die Rede ist, werden sich wenige Frauen vorstellen können und wollen, dies als Berufsbild anzustreben.

Aber sind Frauen in Gesellschaften, deren Sprache – wie beispielsweise das Englische – keine grammatische Markierung von Substantiven kennt (die also zumindest in dieser Hinsicht “geschlechtsneutral” sind), wirklich besser gestellt als in Gesellschaften, die – wie im Deutschen – neben casus und numerus auch noch genus in ihrer korrekten Grammatik beachten müssen? Ich habe einfach mal ein paar Zahlen herausgesucht:

In Deutschland sind knapp 33 Prozent aller Bundestagsabgeordneten weiblich – in den USA hingegen sind nur jeweils 17 Prozent der Sentoren und Kongressabgeordneten weiblich. In Großbritannien ist die Situation zwar ein wenig besser als in Amerika, aber auch dort werden nur 22,3 Prozent der Unterhaussitze von Frauen eingenommen. (Quelle) Die US-Streitkräfte erlauben zwar schon seit vielen Jahrzehnten den Dienst von Frauen in Uniform, und immerhin 14,4 Prozent der US-Militärangehörigen sind weiblich. In der deutschen Bundeswehr dürfen Frauen zwar schon seit Mitte der 70-er Jahre in bestimmten Funktionen (Gesundheitswesen und Musik) dienen, aber in vollem Umfang werden sie erst seit 2001 akzeptiert – und immerhin schon 8 Prozent der Bundeswehrsoldaten sind weiblich; im sprachlich “geschlechtsneutralen” Großbritannien liegt die Soldatinnenquote mit 9,1 Prozent nur knapp über der deutschen.

Dies ist natürlich nur ein grober Vergleich. Aber die Ergebnisse überraschen mich nicht: Die Annahme, das Englische sei aufgrund seiner fehlenden Markierung eines grammatischen Geschlechts irgendwie neutraler und daher einer Gleichstellung von Mann und Frau förderlicher, ist – leider – absurd. Dies weiss ich nicht nur aus meinem englischsprachigen Alltag, oder aus solchen “Besonderheiten” wie beispielsweise den Gentleman’s-Clubs wie etwa dem New Yorker Yale Club, der bis Ende der 60-er Jahre keine Frauen als Mitglieder duldete und selbst die Gattinnen der Mitglieder nur durch einen Nebeneingang eintreten ließ. Über den Mangel an weiblichem Nachwuchs in Wissenschaft und Technik habe ich hier ja schon mehrfach geschrieben. Und die Tatsache, dass Ehepaare hier ganz offiziell allein mit dem Namen des Mannes – “Mr. & Mrs. Jack Smith”, beispielsweise – angeschrieben werden, die Frau also nicht einmal eine eigene Namenspräsenz zugestanden bekommt, finde ich jedesmal entsetzlich, wenn ich so etwas lesen muss (und das ist ziemlich häufig). Ausserdem ist es ein Irrtum zu glauben, dass das Englische eine “geschlechtsneutrale Sprache”: Selbstverständlich wird Geschlecht im Englischen markiert, aber eben nicht als grammatische Varation der Substantive, sondern über die Personalpronomen “he” und “she”, die dann die “Superposition” eines generischen Begriffes wieder geschlechtsspezifisch kollabieren lassen – oder, wie die Gygax-Studie belegt, über die Macht der Stereotype. Und warum ausgerechnet das erstrebenswerter sein soll, ist mir immer noch nicht klar.

Nein, ich glaube nicht, dass die Abschaffung des generischen Maskulinums irgend einen nennenswerten Beitrag zur Gleichstellung der Frau leisten wird – allein schon deshalb nicht, weil es den Einfluss der stereotpischen Geschlechterrrollen noch zu verstärken scheint. Aber ich bin dennoch, wie ich eingangs schon erklärt hatte, absolut dafür, es so weit wie nur irgend möglich zu vermeiden. Weil es meistens unnötig ist. Und weil das bisschen Mühe, das mit der Vermeidung dieses Generikums verbunden ist, auch ein Zeichen des Respekts ist – für Frauen, die dann nicht mehr nur als “unter ferner liefen” unter die männliche Form subsumiert werden (“Liebe Kollegen”, auch wenn’s massenhaft Kolleginnen gibt), und für die LeserInnen und/oder ZuhörerInnen, die sich dann ein bisschen weniger die Köpfe zerbrechen müssen darüber, was oder wen ich nun genau gemeint habe könnte. Weil, kurz gesagt, Klarheit eine wichtige Eigenschaft guter Sprache ist, die meiner Ansicht nach sogar höher einzuschätzen ist als grammatische oder ortografische Korrektheit. Und weil ich nun schon seit Stunden an diesem Text gefummelt habe, es inzwischen zwei Uhr morgens ist, in viereinhalb Stunden mein Wecker klingelt und mein verbeulter Arm nun wirklich nicht mehr weitermachen will, überlasse ich hier darum Anatol Stefanowitsch das letzte Wort, dem ich sowieso nichts mehr hinzuzufügen hätte:

Es ist auch umständlich und überflüssig, die Flagge eines Staatsgastes vor dem Reichstagsgebäude zu hissen, Menschen nett zu begrüßen und sich nach ihrem Befinden zu erkundigen oder mit Messer und Gabel zu essen. Trotzdem gelten diese Gesten als Zeichen von Respekt, Interesse und gutem Benehmen. Genauso könnte es umständlich und überflüssig sein, statt eines „generischen Maskulinums” eine der anderen Alternativen zu verwenden — ein Zeichen für das Ziel einer allgemeinen Gleichberechtigung wäre es trotzdem.

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Kommentare (24)

  1. #1 A.S.
    14. Mai 2012

    Also.

    Erstens zur Frage des Einflusses von Stereotypen und/oder der sprachlichen Form: Das sind zwei voneinander unabhängige Faktoren. Im Englischen, wo die sprachliche Form keinen Einfluss haben kann, weil keine getrennten Formen existieren, schlagen die Stereotype voll auf die Ergebnisse durch, im Deutschen und Französischen, wo die sprachliche Form einen Einfluss haben kann, zeigt sich, dass dieser Einfluss tatsächlich vorhanden ist und den Einfluss möglicher Stereotype ggf. sogar überdeckt. Dieser Punkt ist keine Schwäche der Studie, sondern eine entscheidende Stärke, da damit gezeigt wird, dass die sprachliche Ebene selbst, und nicht das Wissen um echte oder vermeintliche gesellschaftliche Verhältnisse hier der entscheidende Faktor ist.

    Zweitens zur Frage des generischen Maskulinums. Es ist doch unstrittig, dass das Maskulinum oft so verwendet wird, als sei es generisch. Das wissen selbstverständlich auch die Versuchspersonen und deshalb sagen sie im Vortest, ohne Zeitdruck, dass „die Sozialarbeiter“ zur Bezeichnung einer gemischtgeschlechtliche Gruppe bezeichnet werden kann. Die entscheidende Frage ist aber, ob tatsächlich ein generisches Maskulinum existiert, oder ob die entsprechende Interpretation nur das Ergebnis einer Anwendung von Interpretationsstrategien ist. Und genau hier hakt das Experiment ein und zeigt, dass die generische Interpretation eben nicht automatisch, sondern nur infolge einer Uminterpretation der ursprünglich rein männlichen Interpretation erfolgt. Das erklärt die Reaktionszeitunterschiede.

    Keine Paradoxien, kein Schrödinger, kein „generisches“ Maskulinum.

  2. #2 Radiccio
    14. Mai 2012

    Die entscheidende Frage ist aber, ob tatsächlich ein generisches Maskulinum existiert

    wenn es generisch verwendet wird, dann existiert es auch. denn was in einer sprache existiert, entscheiden allein die sprecher.

    das gilt übrigens auch für die grönländischen begriffe für schnee.

  3. #3 Dr. Webbaer
    14. Mai 2012

    Die entscheidende Frage ist aber, ob tatsächlich ein generisches Maskulinum existiert

    wenn es generisch verwendet wird, dann existiert es auch. denn was in einer sprache existiert, entscheiden allein die sprecher. (Radiccio)

    Seit Erfindung der Linguistik auch die Pfleger der Sprache, aber hier ist das Urteil – Ausnahmen mag es geben – eindeutig: Ja, das generische Maskulinum existiert, wie auch die generischen Feminina und Neutra!

    So weit hält sich der Erkenntnisgewinn also in Grenzen, wer Sprache umformen will, soll das aber offen sagen, bspw. so: ‘Ja, ich will die generischen Maskulina weghaben!’, Argumentionen, die eine Nicht-Existenz einfach behaupten, wirken dagegen unredlich.

    MFG
    Dr. Webbaer (der kürzlich selbst auf das generische Femininum reingefallen ist 😉

    PS: Die Sprache ist kein Ponyhof, da gibt’s nicht immer alles mit Sahnehäubchen.

  4. #4 Dr. Webbaer
    14. Mai 2012

    SR, aber das, sollte es ernst gemeint gewesen sein – ‘Das Maskulinum hat in der deutschen Grammatik zwei Funktionen – es kann spezifisch sein und es kann generisch sein; das Femininum ist auschließlich spezifisch – es gibt kein generisches Femininum.’ – wäre leider, trotz ansonsten genereller Zustimmung zum ausgezeichneten Beitrag des werten Inhalteträger, anzumängeln.

    MFG
    Dr. Webbaer (der zudem dringend anrät sich von letztlich im Unklaren Schwimmenden nicht das Butter [1] vom Brot nehmen zu lassen)

    [1] Positionen der LINKSPARTEI vertreten kann auch Dr. W ohne Linguist zu sein, man sollte aber nicht die Deckung vernachlässigen und das Tor aufmachen

  5. #5 Dr. Webbaer
    14. Mai 2012

    Nachtrag:

    ‘Gelegentlich werden auf Menschen auch generische Feminina („die Person“, „die Geisel“, „die Waise“) und generische Neutra („das Opfer“, „das Kind“) angewandt. Zur Kategorie der generischen Neutra gehören alle Diminutive, sofern sie als solche erkannt und empfunden werden („das Männchen“, „das Schneiderlein“, aber „die Heidi“; bei Johanna Spyri heißt es hingegen noch: „das Heidi“, weil bei ihr das Bewusstsein dafür noch lebendig ist, dass „Heidi“ „kleine Adelheid“ bedeutet).’ (Quelle)

    Ihr in D müsst da mal aufpassen, dass nicht zu viel Ideologisches in die Wikipedia gerät, man weiß ja nicht wer da mitschreibt und welchen Intentionen gefolgt wird, hier finden aber in der Wikipedia erkennbar sprachlicher Abbau und Diskriminierung statt.

    HTH
    Dr. Webbaer (der sich nun gerne ausklinkt)

  6. #6 Thomas J
    14. Mai 2012

    @Webbaer

    “weil bei ihr das Bewusstsein dafür noch lebendig ist, dass „Heidi“ „kleine Adelheid“ bedeutet).”

    interessant… leider gibt Wikipedia für diese Behauptung keine Quelle an… ich hätte jetzt spontan gesagt, dass das eine schweizer Eigenart in einigen Regionen ist.
    Nur Vornamen “Ds Rosmarie”
    Vor- und Nachname “Ds Huber Rosmarie”

  7. #7 Jürgen Schönstein
    14. Mai 2012

    @A.S.

    Und genau hier hakt das Experiment ein und zeigt, dass die generische Interpretation eben nicht automatisch, sondern nur infolge einer Uminterpretation der ursprünglich rein männlichen Interpretation erfolgt. Das erklärt die Reaktionszeitunterschiede.

    Was wiederum nur heisst, dass man manchmal beim Sprechen und Zuhoeren etwas laenger nachdenken muss – aber nicht, dass etwas allein deswegen schon nicht gesagt wurde, weil ich es nicht auf Anhieb verstehen kann. Na und? Plusquamperfekt und Futur II machen manchen RednerInnen/Schreiberinnen und ZuhoererInnen/LeserInnen auch Probleme in der korrekten Anwendung und werden nicht immer gleich richtig verstanden. Nochmal: Ich verteidige den Einsatz des generischen Maskulinums nicht und versuche, es zu vermeiden wo ich nur kann. Aber nicht, weil es “nicht existiert” oder die Rezipienten zum Denken zwingt, sondern weil es – wie Du selbst sagst – vermeidbar ist und die Vermeidung an sich eine Geste des Respekts. Ansonsten sehe ich meine “Superpositions”-Metapher nicht widerlegt.

    @WB
    Sie haben recht (und ich schiebe meinen Lapsus auf die spaete Stunde des Schreibens): Es gibt auch Feminina, die generisch verwendet werden. “Die Armee”, beispielsweise (siehe meine Bemerkung zu Frauen im Wehrdienst), “die Feuerwehr”, “die Wache”, etc. Und es gibt grammatische Feminina, deren natuerliches Geschlecht ausschliesslich maennlich ist: “Die Mann(!)schaft”, beispielsweise, oder “die Kurie”. Meine Einschraenkung sollte sich – das haette ich deutlicher formulieren muessen – alein auf das Sortiment von Gruppenbezeichnungen beziehen, das Gygax et al. zur Basis ihrer Studie(n) verwendet haben.

  8. #8 A.P.
    14. Mai 2012

    @Jürgen Schönstein:

    “Dies ist natürlich nur ein grober Vergleich. Aber die Ergebnisse überraschen mich nicht: Die Annahme, das Englische sei aufgrund seiner fehlenden Markierung eines grammatischen Geschlechts irgendwie neutraler und daher einer Gleichstellung von Mann und Frau förderlicher, ist – leider – absurd. Dies weiss ich nicht nur aus meinem englischsprachigen Alltag, oder aus solchen “Besonderheiten” wie beispielsweise den Gentleman’s-Clubs wie etwa dem New Yorker Yale Club…”

    Ich verstehe jetzt nicht, was die Existenz “elitärer Gentleman’s-Clubs” mit der englischen Sprache zu tun haben soll! Der Vergleich bzw. das Inbeziehungsetzung von “Sprache” und “gesellschaftlichen Strukturen/Institutionen” ist nicht nur grob, sondern auch unsinnig.

    Wenn in den USA bspw. nur jeweils 17 Prozent der Sentoren und Kongressabgeordneten weiblich sind, dann hat das sicher “nichts” mit der Sprache (allein) zu tun. Das heißt doch nur, dass Sprache neben vielen anderen Faktoren ein Grund für “Diskrimierung” ist/sein kann. (Oder wo versteckt sich da der “kausale” Zusammenhang Ihrer Meinung nach.)

    Ansonsten empfehle ich Ihnen als Ergänzung den Aufsatz “Sprache und Ungleichheit” von Stefanowitsch, der einige weitere bedenkenswerte Argumente zum Thema enthält. (Download als PDF hier: https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/126515/ungleichheit-ungleichwertigkeit )

  9. #9 Dr. Webbaer
    14. Mai 2012

    Wichtich ist halt zu verstehen, dass Zusammenfassungen einen Genus haben müssen, leider leider dieser Sprache geschuldet, und dass ein ideologisiertes Aufsetzen (Sexus, aber der wäre wohl nur ein Intro) hier Probleme bereiten kann oder muss.

    Es wäre ja nicht Schluss, wenn jene Kräfte hier einen Fußbreit reinkriegen, es würde ja weitergehen und letztlich müsste man dann tatsächlich fallweise in “Bremen” anrufen.

    MFG
    Dr. Webbaer

  10. #10 Jürgen Schönstein
    15. Mai 2012

    @A.P.

    Der Vergleich bzw. das Inbeziehungsetzung von “Sprache” und “gesellschaftlichen Strukturen/Institutionen” ist nicht nur grob, sondern auch unsinnig.

    Genau das wollte ich damit sagen. Aber genau diese “Inbeziehungsetzung” (Monsterwort!) wird auf der Basis der Sapir-Whorf-These propagiert. Und auch hier lese ich oft: Wir müssen die Sprache ändern, damit wir das Denken und Handeln ändern. Dass das Denken und Handeln im Hinblick auf die Gleichstellung geändert werden muss, steht außer Frage – dass die geforderte Abschaffung des generischen Maskulinums dazu einen Beitrag leisten kann, halte ich für nicht beweisbar. Und wenn ich das Gygax-Paper anschaue, sogar für kontraproduktiv, weil dadurch das Gewicht der steretotypischen Geschlechterrollen in den Denkstrukturen sogar noch verstärkt wird.

    Generell möchte ich nur mal anmerken, auch wenn ich die linguistische Literatur dazu nicht studiert habe, dass die Annahme, die englische Sprache kenne kein generisches Maskulinum (weil sie ja generell kein Maskulinum oder Femininum markiere), noch zu beweisen wäre. Dem ersten Anschein nach ist es doch eher so, dass das Englische nur das generische Maskulinum kennt. Generisch ist die fehlende Geschlechermarkierung allemal, und wenn man sich anschaut, wie in den seltenen Fällen, in denen eine feminine Form existiert – Actor/Actress, Master(Mister)/Mistress, beispielsweise – die Endung auf “-er” der männlichen Form vorbehalten bleibt, während die weibliche Form durch das aus dem Französischen entlehnte “-ess” gebildet wird. Demzufolge wäre also das Männliche die “Grundeinstellung”, und das generische Maskulinum der Normalfall.

    @WB
    Ihre Beispiele des “generischen” Neutrums sind leider nicht sehr zutreffend: In den von Ihnen beschriebenen Fällen handelt es sich zwar um eine Diskrepanz zwischen natürlichem und grammatischem Geschlecht – aber die Zuordnung ist immer eindeutig. “Das Mädchen” ist immer mit natürlichem Geschlecht eindeutig weiblich, “das Männchen” immer eindeutig männlich, ebenso “das Schneiderlein”.

  11. #11 Dr. Webbaer
    15. Mai 2012

    @Schönstein
    ‘Ihre Beispiele des “generischen” Neutrums sind leider nicht sehr zutreffend (…)’ Mag sein, der Aufreger, und Sie merken das ja auch im Artikel früh an: es ist ein Aufreger!, entsteht aber weniger zum generischen Neutrum. Gute Besserung übrigens noch!

    Äh, und wenn Sie mal zufällig einen Blick in die Empfehlungen (die teilweise auch rechtlich bindend sind) für die “gerechte” Sprache werfen, Dr. W hat gerade mal eine halbe Stunde investiert, also: Da hat sich einiges getan und die einmal beschäftigten Lingualkräfte bauen nach und nach aus, teilweise sinnlos, teilweise auch Männer diskriminierend. – Lustig ist jedenfalls, wie die Besserstellung der weiblichen Form bzw. der weiblichen Person in diesen Empfehlungen als ganz natürlich betrachtet wird. [1] – So ganz ohne Reflektion…

    MFG
    Dr. Webbaer

    [1] vgl. auch Affirmative Action oder Positive Diskriminierung

  12. #12 mi fhèin
    15. Mai 2012

    @Jürgen Schönstein:

    dass die geforderte Abschaffung des generischen Maskulinums dazu einen Beitrag leisten kann, halte ich für nicht beweisbar.

    Genau – ganz im Gegenteil würde dessen Abschaffung nämlich eine Verarmung der Sprache bewirken. Es würde nämlich die Form, die zwar ein grammatisches Geschlecht, aber kein natürliches besitzt, verloren gehen. (Der allgemeine Begriff “die Radfahrer” ist zwar vom Genus maskulin, macht aber – es sei denn, aus dem Kontext wäre etwas anderes ersichtlich – keine Aussage über das natürliche Geschlecht der Menschen in dieser Gruppe. Das können daher sowohl auschließlich Frauen als auch nur Männer oder aber auch Menschen beiderlei Geschlechts sein. Das ist auch der Grund, warum ich das generische Maskulinum nicht vermeide. Ich gehe eigentlich davon aus, daß die überwiegende Mehrheit der Menschen, mit denen ich mich unterhalte, wissen, was ich meine. Ist das nicht der Fall, kann man gegebenenfalls die Formulierung so wählen, daß es klar ist. Aber auf das generische Maskulinum verzichten muß ich deswegen nicht.)

    Und es gibt grammatische Feminina, deren natuerliches Geschlecht ausschliesslich maennlich ist: “Die Mann(!)schaft”

    Wieso? Stimmt doch nicht. Z.B. auch beim Frauenhandball heißt es Mannschaft – und da sind gar keine Männer dabei, oder? (Langsam sollte man sich wirklich von der Ansicht trennen, daß im Deutschen das grammatische viel mit dem natürlichen Geschlecht zu tun hat.)

    Ihre Beispiele des “generischen” Neutrums sind leider nicht sehr zutreffend: In den von Ihnen beschriebenen Fällen handelt es sich zwar um eine Diskrepanz zwischen natürlichem und grammatischem Geschlecht – aber die Zuordnung ist immer eindeutig.

    Erstens: ist sie nicht. Den Diminuitiv können Sie eigentlich von sehr vielen Wörtern bilden – sie können z.B. auch von einem Persönchen sprechen und da ist es nicht eindeutig.
    Und zweitens wird generisch hier wirklich im Sinne vom grammatischen Geschlecht (Genus) verwendet – das heißt also nicht unbedingt, daß das natürliche Geschlecht unbestimmt sein muß, sondern es kann auch einfach nur unterschiedlich zum grammatischen sein. (Wird auch in einigen Grammatikbüchern m.W. so erklärt. Ich such das auch gerne mal raus.)

  13. #13 mi fhèin
    15. Mai 2012

    Es würde nämlich die Form, die zwar ein grammatisches Geschlecht, …

    Ich meinte hier natürlich “eindeutiges grammatisches Geschlecht” – erstaunlicherweise gibt es im Deutschen nämlich auch Formen, die ein solches gar nicht haben.

  14. #14 mi fhèin
    16. Mai 2012

    Wer auf das generische Maskulinum verzichten will, der möge bitte übrigens einmal versuchen, den folgenden Satz dementsprechend umzuformulieren, sodaß er noch sinnvoll ist:

    Frauen sind die besseren Autofahrer.

  15. #15 rolak
    16. Mai 2012

    Och, das ist einfach, auch ohne generell auf Generika verzichten zu wollen:

    Frauen fahren besser Auto als Männer

  16. #16 mi fhèin
    16. Mai 2012

    Noch eine Anmerkungn zur Mannschaft: bei generischen Maskulina oder Feminina handelt es sich eigentlich um Bezeichnungen von Personen, wobei das natürliche Geschlecht der Person vom grammatischen der Bezeichnung abweichen kann. Dies ist bei der Mannschaft aber nicht der Fall, da eine Mannschaft immer eine Personengruppe bezeichnet, und eine Gruppe hat kein natürliches Geschlecht. (Die Mitglieder der Gruppe hingegen schon.) Daher ist m.M.n. die Mannschaft kein generisches Femininum. (Wenn ich die Gruppe der Autofahrer anschaue, und daraus eine einzelne Person herausnehme, dann ist diese einzelne Person ebenfalls Autofahrer. Nehme ich aber aus der Mannschaft eine einzelne Person heraus, dann ist das nur ein Mitglied der Mannschaft aber keine Mannschaft!)

  17. #17 Sven Türpe
    16. Mai 2012

    BTW, gibt es Geschlechtsstereotype, die der Demografie widersprechen? Falls ja, sind sie die Ausnahme oder die Regel?

  18. #18 A.P.
    16. Mai 2012

    Oder: Frauen fahren am besten Auto. Frauen können am besten Autofahren. Männer fahren nicht so gut Auto wie Frauen. – Wenn man sich ein bisschen anstrengt, fallen einem sicher weitere Varianten ein…

  19. #19 A.P.
    16. Mai 2012

    Oder: Frauen fahren am besten Auto. Frauen können am besten Autofahren. Männer fahren nicht so gut Auto wie Frauen. – Wenn man sich ein bisschen anstrengt, fallen einem sicher weitere Varianten ein…

  20. #20 Dr. Webbaer
    17. Mai 2012

    BTW, gibt es Geschlechtsstereotype, die der Demografie widersprechen? Falls ja, sind sie die Ausnahme oder die Regel?

    Steoreotype sind wie Klischees und “Vorurteile” (vs. Vorurteile) immer in der Sache falsch, denn sie generieren Ressentiments und belegen das Böse in der Mitte der Gesellschaft. – Ansonsten: Natürlich sind die meisten verbreiteten Zwischenurteile grob richtig, sonst wären sie nicht so verbreitet.

    HTH
    Dr. Webbaer

  21. #21 mi fhèin
    18. Mai 2012

    @rolak, A.P.

    Das ist aber nicht genau das selbe. Der Sinn mag zwar im Wesentlichen gleich sein, aber die Sprache verliert so eine Ausdrucksmöglichkeit. Wobei mich ohnehin wundert, daß keiner auf die Idee gekommen ist, “Autofahrende” zu verwenden, wie das leider bei den Studenten jetzt üblich ist, Möglicherweise ist den Leuten der Unterschied zwischen Autofahrenden und Autofahrern eher bewußt, als der zwischen Studenten und Studierenden. (Nicht jeder Student ist auch ein Studierender und umgekehrt.)

    Ein Beispiel für das generische Maskulinum wäre übrigens auch der Bürgermeister. Wie wollen Sie das lösen? BürgerInnenmeister? (Über die Nachteile des Binnen-Is und daß es jeglichen Rechtschreibregeln widerspricht, brauch ich mich wohl hier nicht auszulassen, oder?) Oder Bürgerinnen- und Bürgermeister? Das wird dann besonders lustig, wenn man ein aus mehr als zwei Wörtern zusammengesetztes Wort hat, von denen alle Personen bezeichnen. Da müßten Sie dann quasi das Kreuzprodukt bilden.

    Einen guten Artikel zu dem Thema haben Sie übrigens hier:
    https://www.bruehlmeier.info/sprachfeminismus.htm

    Leider ist der andere Artikel von Frau Dagmar Lorenz, (laut Wiki Dagmar Lorenz: Die neue Frauensprache – Über die sprachliche Apartheid der Geschlechter. Erstmals erschienen in: Muttersprache. Zeitschrift zur Pflege und Erforschung der deutschen Sprache. Heft 3, Sept. 1991. Hrsg.: Gesellschaft für deutsche Sprache, Wbn.)
    im Netz nicht mehr verfügbar, sonst hätte ich den hier auch gepostet.

    Was ich beim Verzicht auf das generische Maskulinum noch bedenklich finde, ist die Tatsache, daß sich dadurch das Sprachgefühl der Leute ändert. Es macht sich dadurch immer mehr die (falsche) Ansicht breit, man müsse z.B. die Beidnennung (also “Wählerinnen und Wähler”) verwenden, weil das generische Maskulinum “Frauen nicht mitmeine”. Dadurch verschwindet es nach und nach aus dem Sprachgebrauch und die Sprache verarmt. (Wobei man ohnehin nicht gänzlich darauf verzichten kann.)

    Zu den Vergeichen mit dem englischen Sprachraum möchte ich noch anmerken, daß die englische Sprache hier insoferne unterschiedlich ist, als alle Gegenstände sächlich sind. Im Deutschen ist das anders. (Und daher: https://www.canoo.net/services/OnlineGrammar/Wort/Nomen/Genus/index.html#Anchor-47857 )

  22. #22 Dr. Webbaer
    18. Mai 2012

    Ein Beispiel für das generische Maskulinum wäre übrigens auch der Bürgermeister. Wie wollen Sie das lösen?

    -> https://www.duden.de/rechtschreibung/Meisterin , ‘Meister’ und ‘Meisterin’, vgl. auch Mistress, 😉

    Dadurch verschwindet es nach und nach aus dem Sprachgebrauch und die Sprache verarmt. (Wobei man ohnehin nicht gänzlich darauf verzichten kann.)

    Kann man schon, die Sprache wird aufgebläht und andere kommen mit anderen Wünschen, es ist hier fast unbegrenzt ausbaubar; vgl. auch ‘Bürgermeister_Innen’, der Unterstrich der Indifferenz gewidmet.

    BTW: Die Pluralform ist in allen Formen des Geschlechts weiblich klingend, also den Artikel ‘die’ bemühend, jedenfalls im Nominativ, das sollte doch einiges kompensieren, oder? (Der Genetiv ist undankbarer.)

    MFG
    Dr. Webbaer

  23. #23 Dr. Webbaer
    18. Mai 2012

    * ‘Bürger_Innenmeister_Innen’ im Plural, klingt blöd?`- ‘Ärztinnen’ klang auch mal blöd.

  24. #24 rolak
    18. Mai 2012

    Der Sinn mag zwar im Wesentlichen gleich sein, aber die Sprache verliert so eine Ausdrucksmöglichkeit.

    moin mi fhèin, Deine neckische Anfrage weiter oben hatte ich allerdings als ausschließlich auf den Sinngehalt bezogen verstanden, nicht als einen Aufruf zum wertvollsten Erhalt der vielen Ausdrucksmöglichkeiten. Denn wenn es darum geht, ist imho das Spiel mit der Ungewißheit (also eben auch mit Generika) ein Element der roten Liste (falls so etwas im linguistischen Raum ebenfalls existieren sollte). Doch wenn ich Dich (wenigstens) dahingehend richtig interpretiere, ziehen wir beide auf derselben Seite des Taues.

    Mein Arzt übrigens auch: ‘Loss mich in rauh mit dem gender-driss’ sagte sie noch letzte Woche 😉