Wenn es nach dem US-Politikwissenschaftler Kenneth N. Waltz ginge, dann wäre ein nuklear aus- und aufgerüsteter Iran zwar der Anfang vom Ende – aber nur vom Ende der Spannungen im Nahen Osten. In Foreign Affairs argumentiert er ernsthaft (und mit einer gewissen Plausibilität) dafür, warum der Iran die Bombe haben sollte.
Die Idee eines nuklearen Iran ist mir persönlich zwar zuwider; aber das liegt vermutlich daran, dass ich einer Generation entstamme, der die Idee nuklearer Waffen ganz generell zuwider ist – egal, wer sie besitzt oder kontrolliert. Aber die Argumente, die Waltz vorbringt, sind zumindest plausibel genug, dass man sie diskutieren sollte. Allein schopn, weil ich nach der Lektüre des Artikels überzeugt bnin, dass Waltz genau das wollte – eine Diskussion darüber anstiften, ob die “Realitäten” der Politik immer so real sind wie wir glauben.
Vielleicht sollte ich es noch deutlicher sagen: Ich stimme dem Artikel nicht unbedingt zu. Unter anderem, weil ich ihn übersimplifizierend finde: “Israel’s regional nuclear monopoly, which has proved remarkably durable for the past four decades, has long fueled instability in the Middle East”, schreibt Waltz beispielsweise. Doch Israels nukleares Monopol in der Nahostregion ist sicher nicht die Hauptursache für die Instabilität der Region. Aber ich finde, wie schon angedeutet, auch die Idee nicht überzeugend, dass “Stabilität” – den Begriff setzte ich hier nun absichtlich in Anführungszeichen – nur durch ein Gleichgewicht des Schreckens izu erzielen wäre wäre,
In seinen Überlegungen geht Waltz von drei möglichen Szenarien aus:
Erstens: Diplomatischer Druck bringt den Iran zu einsicht und er stellt sein Kernwaffenbprogramm ein. Nicht sehr wahrscheinlich, wie die Geschichte zeigt: Wenn Sanktionen etwas bewirken könnten, dann hätte Nordkorea heute keine Atombomben im Arsenal.
Zweitens: Der Iran forscht sich zwar an die Grenze der Kernwaffentechnik vor, verzichtet aber auf den letzten Schritt (= den tatsächlichen Bau einer Bombe). Allein die Fähigkeit, in kürzester Zeit nuklear aufrüsten zu können, sollte dem Ego des iranischen Regimes genügen. Und das könnte auch den Europäern und Amerikanern genügen – aber mit Sicherheitz würde sich Israel nicht damit zufrieden geben.
Drittens: Der Iran macht ernst und testet eine Kernwaffe.
Und hier setzt Waltz an, mit der Frage: Na und? Was wäre daran so schlimm? Antworten gäb’s darauf sicher viele, aber der US-Politologe hat ein paar gute Argumente dafür, dass die korrekte Antowrt “nichts” sein sollte. Zum Beispiel glaubt er nicht, dass das Regime in Teheran aus potenziellen Selbstmördern besteht:
Despite a widespread belief to the contrary, Iranian policy is made not by “mad mullahs” but by perfectly sane ayatollahs who want to survive just like any other leaders. Although Iran’s leaders indulge in inflammatory and hateful rhetoric, they show no propensity for self-destruction. It would be a grave error for policymakers in the United States and Israel to assume otherwise.
Die Mullahs provozieren zwar gerne, aber sie sind sich auch klar, dass sie mit einem nuklearen Erstschlag eine selbstzerstörerische Eskalation auslösen würden.
Ein anderes Argument gegen iranische Nuklearwaffen ist, dass sie dadurch in die Hände terroristischer Organisationen geraten könnten. Dieses Argument wurde ja auch gelegentlich als Rechtfertiigung für den Krieg gegen den Irak verwendet, der ja – wie von den amerikanischen und britischen Außenministern seinerseits ebenso spektakulär wie (wie wir inzwischen) unhaltbar behauptet – innerhalb kürzester Zeit einen Nuklearangrioff auf Mitteleuropa hätte starten können und mit terroristischen Organisationen wie Al-Kaida geflirtet haben sollte. Dem widerspreche, so Waltz, der gesunde Menschenverstand und die Geschichte: Die Produktion von Kernwaffen ist technisch aufwändig und zudem enorm teuer – dass derart mühsam errungene Waffen dann an unberechen- und -kontrolllierbare Terroroganisationen verschenkt würden, sei nicht plausibel. Und bislang sei sich noch jede neue Nuklearmacht bewusst geworden, dass sie dadurch nicht weniger, sondern mehr zur Zielscheibe wurden:
History shows that when countries acquire the bomb, they feel increasingly vulnerable and become acutely aware that their nuclear weapons make them a potential target in the eyes of major powers. This awareness discourages nuclear states from bold and aggressive action. Maoist China, for example, became much less bellicose after acquiring nuclear weapons in 1964, and India and Pakistan have both become more cautious since going nuclear. There is little reason to believe Iran would break this mold.
Noch jedes Mal, wenn sich ein weiteres Land in den “Atomclub” zu drängen begann, wurde das gleiche Weltuntergangs-Szenario bemüht – und jesesmal hätten die anderen Mitglieder schließlich ihre Position korrigiert und akzeptiert, dass sie damit leben können: “In fact, by reducing imbalances in military power, new nuclear states generally produce more regional and international stability, not less.”
Darüber kann – und sollte – man natürlich streiten. Stellvertretend tun das schon mal die zwei Experten John Mearsheimer(University of Chicago) und Dov Zakheim im nachfolgenden Clip:
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