Was, es ist schon Herbst, und ich habe in diesem Jahr noch nichts über Prügelstrafe geschrieben? Nein, das Thema ist nicht witzig, und die Eingangsbemerkung war auch nicht witzig gemeint. Ehrlich gesagt wäre ich froh gewesen, das Thema nie mehr auf meinem Schreibtisch zu finden. Aber dieser Vorfall in Texas, bei dem eine Zehntklässlerin vom stellvertretenden Leiter ihrer High School mit einem speziell für solche Zwecke angefertigten Paddel geschlagen wurde (dazu weiter unten noch ein oder zwei Bemerkungen) hat mich daran erinnert, dass in den USA – und auch in Kanada, wie ich inzwischen gelernt habe – Prügelstrafe an Schulen noch in weiten Teilen (= 19 von 50 US-Staaten) legal und üblich ist. Und in Privathaushalten sowieso: Mangels neuerer Zahlen muss ich hier auf eine Analyse aus dem Jahr 1999 zurück greifen, aber sie ergab, dass praktisch alle Kleinkinder (= im Alter zwischen ein und drei Jahren) zumindest gelegentlich geschlagen werden.
Erst mal die angekündigte Bemerkung zum Fall in Texas: Erstens hatte die Schülerin die Strafe selbst gewählt (genauer gesagt, sie der Alternative vorgezogen, nicht am Unterricht teilnehmen zu dürfen), und zweitens entspann sich die Aufregung nicht etwa darum, dass hier eine Minderjährige von einem mit ihrer Erziehung beauftragten Erwachsenen mit einem Holzpaddel gezüchtigt wurde – sondern lediglich darum, dass diese Züchtigung von der Hand eines Mannes verübt wurde, was gegen die dortigen Vorschriften (die dann auch prompt geändert wurden) verstieß, dass nur Frauen Hand an Schülerinnen legen dürfen. Mit der Prügelstrafe an sich scheinen alle Beteiligten jedoch einverstanden zu sein.
Das sollten sie aber nicht sein: Eine kanadische Studie – auf die ich durch den Huffington-Post-Bericht über diesen Fall aufmerksam wurde – kam zu dem Ergebnis, dass Prügelstrafe an Kindern auch dann schon das Risiko erhöht, im Erwachsenenalter an Störungen der Achse 1 (klinische Störungen, zum Beispiel Depressionen, Schizophrenie, soziale Phobien) oder an Persönlichkeitsstörungen der Achse 2 (zu denen Entwicklungsstörungen, geistige Behinderungen oder auch Paranoia gezählt werden) zu leiden. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass zwischen zwei und sieben Prozent aller Erwachsenen an solchen Störungen leiden, die durch Prügel im Kindesalter verursacht wurden – ergo, dass eine konnequente Abschaffung der Prügelei etwa zwei bis zieben Prozent dieser psychischen Störungen vermeiden würde.
Anzumerken ist dabei, dass in dieser Studie, die den Titel Physical Punishment and Mental Disorders: Results From a Nationally Representative US Sample, die in der Juli-Ausgabe des US-Journals Pediatrics erschien, lediglich Fälle betrachtet wurden, in denen die Prügelstrafe nicht das Ausmaß von Kindesmisshandlung annahm (alle Angaben beruhen dabei auf der Selbsteinschätzung der ingesamt 20.607 Personen, die hierzu aus der National Epidemiologic Survey on Alcohol and Related Conditions ausgesucht wurden). Es geht also im Prinzip um die Gruppe, die später von sich behaupten würde, die Prügel hätten ihnen nicht geschadet (was, ganz nebenbei erwähnt, das Standard-Argument der Verfechter eines elterlichen Rechts auf Prügelstrafe ist). Selbst wenn die Studie anfechtbar ist – die AutorInnen selbst räumen ein, dass sich aus ihren Daten alleine keine kausale Beziehung zwischen Prügeln und psychischen Problemen nachweisen lasse, und dass vor allem die Selbsteinschätzung und die damit verbundenen Bias-Probleme die Fehlerquote beeinträchtigen dürfte – gibt sie doch jedem Erziehenden zumindest genug Grund, mal wieder über die Praxis nachzudenken.
In Deutschland ist die körperliche Züchtigung von Kindern in Deutschland seit dem Jahr 2000 per Gesetz untersagt, aber es wäre naiv zu glauben, dass seitdem keine Hand mehr “ausrutscht” oder niemand mehr glaubt, dass eine ordentliche Tracht Prügel noch keinem geschadet habe. Ich bin selbst Vater und weiß, dass man vor allem in Erziehungsangelegenheiten ganz schnell aus dem Sattel des hohen Rosses fällt, aber es hat mit Sicherheit auch noch niemandem geschadte, mal einen Moment länger zu überlegen, ehe er/sie “hinlangt” …
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