Wer jetzt denkt, er hätte mich bei einem Hohlspiegel-reifen Tippfehler in der Überschrift ertappt, sei gewarnt: Ich meine tatsächlich “verstinkt”. Dass das durch den Klimawandel und den daraus resultierenden Anstieg des Meeresspiegels bedingte Versinken dabei auch eine Rolle spielt, ist zwar richtig, aber der größte Teil dieses Problems, unter dem der Inselstaat Tuvalu leidet, ist eine direkte Folgemenschlicher Eingriffe in die sowieso nicht allzu stabile Umwelt dieses Korallenatoll-Archipels. Und das schlimmste dabei ist: Dieses Problem – das primär ein Gesundheitsproblem ist, und sekundär ein ästhetisches – könnte mit vergleichbar geringem Aufwand behoben werden.

So, meinen Studenten hätte ich inzwischen eine scharfe Randbemerkung reingeschrieben, endlich zur Sache zu kommen, also sei es schleunigst nachgeholt: Auf Tuvalu gibt es viele künstlich erzeugte Lagunen, die entstanden waren, als das US-Militär im Zweiten Weltkrieg diese Pazifikinseln (mit Genehmigung der britischen Kolonialherren) zum Luftwaffenstützpunkt ausbaute und dazu eine Landebahn aufschütten musste. Die dabei entstandenen Löcher wurden nie aufgefüllt und dienten in der Folge als Müllkippen. Das ist eigentlich schon ekelhaft genug, aber Stürme haben seither immer wieder zu Überflutungen geführt und bewirkt, dass diese Gruben – die von den Einheimischen “borrow pits” (was gleichzeitig Aushubgruben und Leihgruben bedeutet) genannt werden – sich mit Meerwasser gefüllt haben und nun stinkende Kloaken geworden sind. Im wörtlichen Sinn, da sich die Bevölkerung Tuvalus seit den 80-er Jahren auf knapp 12.000 Einwohner verdoppelt hat (das klingt natürlich lachhaft klein, nach unseren Maßstäben, ist aber angesichts der wenigen bebaubaren Flächen hier ein enormer Anstieg), und die Bewohner nun zwangsläufig an den Rändern, gelegentlich sogar in Pfahlbauten auf diesen stinkenden Gruben leben, in denen sich dann auch die ungeklärten Abwässer ansammeln. Durchfallerkrankungen sind hier gewöhnlicher als andernorts der Schnupfen.

All dies entnehme ich einem Artikel der heutigen New York Times (online ist der Artikel schon vor einigen Tagen erschienen). Und es wäre vielleicht nur ein zwar tragisches Beispiel, wie Menschen ihre Umwelt missbrauchen, und vielleicht auch eine Warnung, der Illusion zu erliegen, dass es schon einer westlichen Wirtschaftsmentalität bedarf, um seine Umwelt so richtig zu versauen (wir neigen ja dazu, die “naturnah” lebenden Menschen als natürliche Umweltschoner und -schützer anzusehen). Wenn da nicht der Haken wäre, dass erstens die ursächliche Verantwortung beim amerikanischen Militär liegt, das die Gruben dereinst ausgehoben hatte und sich nie die Mühe machte, diese Löcher wieder zu verfüllen, und dass zweitens der Aufwand, diese Gruben zuzuschütten, mit einem Preis von etwa 15 bis 30 Millionen US-Dollar ziemlich leicht zu stemmen wäre. Nicht für den Inselstaat selbst – dessen Bruttoinlandsprodukt von 35 Millionen Dollar stammt hauptsächlich aus dem Verkauf der Top-Level-Domain .tv, und selbst der niedrigstmögliche Aufwand von 15 Millionen überschreitet die Leistungsfähigkeit des Inselstaates bei weitem. Aber wie wäre es, wenn das US-Militär die Kosten übernähme? Nur so viel will ich hier anmerken: Die USA lassen sich ihr Militär fast 700 Milliarden Dollar jährlich kosten – 15 Millionen Dollar sind also etwa so viel, wie das US-Militär in knapp fünf Stunden ausgibt. Selbst in ScienceBlogs.de-Dimensionen ließe sich so ein Betrag noch vorstellbar ausdrücken: Wenn jeder ScienceBlopgs.de-Leser im vergangenen Monat zehn Euro gespendet hätte (ist natürlich völlig utopisch, aber als Gedankenexperiment mal zulässig), wäre bereits ein Drittel der benötigten Summe zusammen gekommen…

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Kommentare (3)

  1. #1 miesepeter3
    24. Oktober 2012

    @Jürgen

    Ach Gott ja, Gruben mit Müll vollkippen. Muß man nicht gleich in die Südsee, können wir hier in Sachsen auch ganz gut und stinken tut`s den meisten auch noch.

  2. #2 Jürgen Schönstein
    24. Oktober 2012

    @mp3
    Das macht die Sache weder leichter noch weniger empörend. Und davon, dass in Sachsen die Leute auf den offenen Kloaken leben müssen, habe ich bisher auch noch nichts gehört…

  3. #3 miesepeter3
    25. Oktober 2012

    @Jürgen

    Nicht a u f aber ziemlich dicht neben und das Grundwasser macht auch schon `n ängstliches Gesicht.
    Aber hast recht, das macht es nicht in der Südsee weniger schlimm. Wollte bloß sagen, das solche Schweinereien überall möglich sind.