Darauf scheint das Urteil von l’Aquila hinaus zu wollen: Man muss kein Jurist sein um zu wissen, dass italienische Seismologen künftig die Finger von jeglichen Erdbebenforschungen lassen werden. Sicher, die sieben Wissenschaftler (sechs Geophysiker sowie der damalige Vizepräsident des italienischen Zivilschutzes, Bernardo de Bernardini) waren nicht wegen einer falschen Erdbebenprognose angeklagt worden, sondern weil sie – so quasi die Begründung – das Vertrauensintervall igrer Prognose nicht klar genug angegeben haben. Dass dies unter anderem daran liegen könnte, dass sich Wissenschaftler in solchen Fällen anders ausdrücken als es eine Öffentlichkeit verstehen kann, habe ich hier mal versucht zu analysieren.
Aber wie man es auch dreht: Sechs Jahre Haft wegen Totschlags sind eine idiotische Strafe (und wer weiß, ob das Urteil einem Berufungsverfahren standhalten würde), alleine schon, weil die Bewohner ja nicht daran gehindert wurden, sich in Sicherheit zu bringen. Aber es ist auch gesellschaftlich grotesk: Wenn ich mit voller Härte zuschlage, weil jemand eine Wahrscheinlichkeit nur eben als solche vorausgesagt hat (die italienischen Erdbebenexperten hatten ja nicht gesagt, ein Beben sei unmöglich), dann schaffe ich einen Präzedenfall von Haftbarkeit, der auch Wirtschaftswissenschaftler oder Mediziner (beides Berufe, in denen die Prognose ein wichtiges, aber immer nur mit statistischen Ungenauigkeiten kalibrierbares Instrument ist) die Neigung verteiben wird, überhaupt noch Prognosen abzugeben. Erdbebenwarnungen mögen ja keine exakte Wissenschaft sein – aber ganz darauf verzichten zu müssen, wird den Bewohnern der Erdbebenregionen Italiens noch weniger helfen.
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