Ich kenne das Argument: Warum sollten die Wissenschaftler den Journalisten die Arbeit abnehmen? Schließlich werden die doch dafür bezahlt, sich in schwierige Themen einzuarbeiten und sie dann journalistisch anspruchsvoll umzusetzen… Oder, um Martin Bäker hier zu zitieren:
Müssen Fussballmannschaften in ihren Pressemitteilungen jedes Wort auf die Goldwaage legen, damit nicht plötzlich gesagt wird, dass die ja immer 22 Mann aufs feld schicken o.ä.?
Ohne mich jetzt länger über den (meiner Ansicht nach sehr geringen) Nutzen von Sportanalogien auszulassen, wenn’s um Wissenschaft geht: Ja, bei manchen Sportarten wäre es sicher hilfreich, die Mannschaftsstärke anzugeben. Nicht jeder Journalist in den USA – beispielsweise – wüsste, dass beim Handball jedes Team sieben Spieler ins Feld schickt (erstens, weil diese Sportart auf dieser Seite des Atlantiks weitgehend unbekannt ist, und zweitens, weil sie sehr leicht vom Namen her mit einer amerikanischen Handball-Variante, die eher wie Squash ohne Schläger ist, verwechselt werden kann). Aber Wissenschaft ist sowieso ungleich komplexer als Sport, und nicht alles, was dem Wissenschaftler “klar” erscheint, ist auch für jemanden außerhalb seines Spezialgebietes noch klar. Dass dies nicht nur ein Problem der externen, sondern auch der internen Kommunikation zwischen Wissenschaftlern sein kann (und sehr oft auch ist – man spricht nur nicht so viel drüber), habe ich hier vor ein paar Tagen schon mal geschrieben. Nur, weil ich denke, ich hätte mich klar ausgedrückt, ist die Klarheit und Eindeutigkeit des Gesagten noch lange nicht garantiert:
We cannot succeed in making even a single sentence mean one and only one thing; we can only increase the odds that a large majority of readers will tend to interpret our discourse according to our intentions
(Wir werden es nicht schaffen, dass selbst ein einzelner Satz immer nur eine einzige Bedeutung haben kann; wir können nur die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass eine große Mehrheit der Leser dahin tendiert, unseren Diskurs in unserem Sinn zu interpretieren)
schrieben George Gopen und Judith Swan in ihrem – jedem Wissenschaftler sehr zu empfehlenden, weil sehr fundierten – Artikel The Science of Scientific Writing , der in der Dezemberausgabe 1990 des American Scientist erschien. Was immer geschrieben wird, kann falsch verstanden werden – von jedem. Wenn es also um besonders wichtige Zahlen und Daten geht, bitte so genau und konkret wie möglich bleiben. Ich habe selbst schon mehr als ein Paper auf dem Tisch gehabt, in dem die Erdzeitalter zwar genannt, aber nicht datiert werden; das mag innerhalb der spezifischen Science-Community durchaus hilfreich sein, aber selbst Journalisten mit Geologie-Abschluss können da aufs Eis geraten – weil beispielsweise die Datierung bestimmter Schichten seit ihrem Studienabschluss korrigiert werden musste, oder die Nomenklaturen der Zeitalter nicht mehr die gleichen sind wie früher. Oh, er/sie hat nicht alle Paper gelesen, die zu dem Thema erschienen sind? Mal ehrlich, selbst Wissenschaftler haben das nicht, wenn sie nicht konkret auf diesem speziellen Gebiet forschen.
Eine Grundregel des Schreibens, die ich auch meinen Studenten immer vermitteln will ist, dass Klarheit über alles geht. Und Klarheit bestimmt sich nicht dadurch, was ich mitteilen will, sondern dadurch, was die Leser wissen müssen, um mich zu verstehen. Wie wir schreiben, ist oft ebenso wichtig (manchmal sogar wichtiger, im Hinblick auf das Resultat), als worüber wir schreiben. Das sollte zwar selbstverständlich sein, ist es aber nicht. Der “American Scientist”-Artikel hat dafür ein paar gute Beispiele, und ich kann jedem nur empfehlen, ihn mal durchzulesen (obwohl er auf Englisch ist):
The smallest of the URF’s (URFA6L), a 207-nucleotide (nt) reading frame overlapping out of phase the NH2-terminal portion of the adenosinetriphosphatase (ATPase) subunit 6 gene has been identified as the animal equivalent of the recently discovered yeast H+-ATPase subunit 8 gene. The functional significance of the other URF’s has been, on the contrary, elusive. Recently, however, immunoprecipitation experiments with antibodies to purified, rotenone-sensitive NADH-ubiquinone oxido-reductase [hereafter referred to as respiratory chain NADH dehydrogenase or complex I] from bovine heart, as well as enzyme fractionation studies, have indicated that six human URF’s (that is, URF1, URF2, URF3, URF4, URF4L, and URF5, hereafter referred to as ND1, ND2, ND3, ND4, ND4L, and ND5) encode subunits of complex I. This is a large complex that also contains many subunits synthesized in the cytoplasm.
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