Erst mal eines vorweg: Ich bin leidenschaftlicher New Yorker, und obwohl ich meine Tage derzeit hauptsächlich ein paar hundert Kilometer nördlich in Cambridge (Massachusetts) verbringe, bin ich doch noch ein Einwohner dieser Stadt. Und ich finde es als Betroffener natürlich ungeheuerlich, was meiner Stadt gerade von der Natur angetan wurde. Doch bei allem Mitgefühl: der Sturm Sandy war keine “Naturkatastrophe”, denn zur Katastrophe wurde dieses Sturmsystem vor allem dadurch, dass es eine der am dichtesten besiedelten Metropolen der Welt getroffen hat – und zwar eine, die auf solche Ereignisse nicht wirklich vorbereitet war. (Mit anderen Worten: Die Natur hat zwar den Sturm beigetragen, aber das Element der Katastrophe wird durch den Menschen eingeführt).
Aber das ist eigentlich nur ein Nebengedanke, der mich heute zum schreiben animiert hat. Ausschlaggebender war diese Frage, mit der ein Beitrag zur Sandy-Nachlese in der heutigen (Donnerstags-)New York Times überschrieben wurde: Are Humans to Blame? Wenn die Frage im gleichen Sinn wie in meiner einleitenden Bemerkung gemeint wäre, also darauf abstellt, wie viel menschliches “Versagen” (ein zu hartes Wort – man kann nun mal nicht auf alles vorbereitet sein) zur Katastrophe beigetragen hat, dann wäre die Antwort sicher: Ja. Ob es nun die Fahrlässigkeit ist, Evakuierungsanweisungen nicht zu beachten, oder das Bedürfnis, möglichst nahe an Stränden zu wohnen, ob es unzureichend gegen Überflutung gesicherte Tunnels sind – es wird in der Analyse des Geschehens sicher viele Fälle geben, wo der Faktor Mensch schwerer wiegt als der Faktor Natur.
Aber in dem eben erwähnten NY-Times-Artikel geht es vielmehr darum, ob der Mensch die Schuld an diesem schweren Sturm trägt. Und obwohl die (volle) Überschrift bereits die Antwort “Wissenschaft ist unschlüssig” (Science is out) enthält, muss ich zugeben:
(Quelle) Mal im ernst: Es war zwar zu erwarten, dass nach Sandy die Frage auftaucht, ob vielleicht der Klimawandel am Ausmaß und der Wucht des Sturms schuld ist. Und obwohl solch ein “Jahrhundertsturm” durchaus in das Muster passt, das Klimaforscher wie beispielsweise Kerry Emanuel vom Massachusetts Institute of Technology schon länger prognostiziert haben, ist es doch wichtig zu betonen: Ein Sturm ist immer ein Wetterereignis. Nicht das Klima – gewandelt oder nicht – hat den Sturm verursacht, sondern die Wetterbedingungen. Auf längere Sicht wird sich zeigen, ob die Neigung des Wetters, solche Stürme zu produzieren, nun zugenommen hat (ich fürchte ja); diese lange Sicht offenbart dann das, was wir “Klima” nennen (ich habe im Grundkurs Klimatologie dereinst mal gelernt, dass wir dabei von zwei oder drei Jahrzehnten als Rahmen ausgehen sollten).
Doch wenn schon nicht für den Sturm selbst, dann können wir den Klimawandel dennoch zumindest für die Sturmschäden verantwortlich machen. Ein insgesamt höherer Meeresspiegel – der übrigens nicht nur durch abschmelzende Gletscher ansteigt, sondern auch dadurch, dass wärmeres Wasser eine geringere Dichte = ein größeres Volumen hat – erhöht schon mal das Grundrisiko einer Überflutung. In den vergangenen eineinhalb Jahrhunderten beispielsweise ist der Meeresspiegel im Mittel um etwa 25 Zentimeter angestiegen; für Städte wie New York City, die einen Großteil ihrer Infrastruktur (Tunnels, Brücken, U-Bahnen etc.) im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert auf- und ausgebaut hatten, macht dieser Viertelmeter mehr schon einen großen Unterschied; zum Beispiel den, ob ein Ubahnschacht voll läuft oder nicht. Und selbst wenn Sandy nicht dem Klimawandel in die Schuhe geschoben werden kann – es scheint ziemlich sicher, dass sie noch viele ihr ähnelnde “Nachkommen” haben wird. Und dass sich die Bewohner der Ufermetropolen (allein in den USA lebt mehr als die Hälfte der Gesamtbevölkerung in weniger als 80 Kilometern Distanz zu einer Küste) darauf einstellen müssen, dass sich die Ereignisse vom Anfang dieser Woche immer und immer wiederholen können.
Kommentare (19)