Gut eine Woche vor den US-Präsidentschaftswahlen hatte der Ex-Hurrikan “Sandy” (das Sturmsystem wurde mit Erreichen der nördlicheren Breiten und der Vermischung mit nördlichen Wetterlagen zum außertropischen Zyklon, verlor also per Definition den Titel “Hurrikan“) die amerikanische Ostküste heimgesucht und dabei nicht nur die Küstenlinien, sondern auch ein paar politische Deiche überflutet: Der erzrepublikanische Gouverneur von New Jersey, Chris Christie, der sich noch auf dem Wahlparteitag der Republikaner in Tampa als Hauptredner für den Kandidaten Mitt Romney profiliert hatte, schien plötzlich ins Obama-Lager zu wechseln: Er lobte den Mann, den er in seiner Parteitagsrede als “ahnunglsos” und “wie ein Mann, der im Dunkeln den Schalter für Führungsqualität sucht und nicht findet” verspottet hatte, in den höchsten Tönen. Und der New Yorker Bürgermeister Michael Bloomberg, als Multimilliardär eher im Romney-Lager zu vermuten, sprach sich ausdrücklich für eine Wiederwahl Obamas aus, dem er vor vier Jahren ebenso ausdrücklich seine Unterstützung verweigert hatte.
Bedeutet dies, dass Stürme an sich und der hinter den verheerenden Ausmaßen als verstärkendes Element wirkende Klimawandel die Wahl eindeutig zu Gunsten des Amtsinhabers drehen könnten? Wenn immerhin schon so ein Mann wie Christie dabei umgedreht werden kann …? Wenn man davon ausginge, dass durch “Sandy” der vom Menschen verursachte Klimawandel und seine Folgen plötzlich zu einem wahlentscheidenden Thema würde, wie der “Science Guy” Bill Nye hier argumentiert, dann müsste, die Demokraten generell und Obama ganz konkret klar gewinnen, da die republikanische Seite nicht nur die Theorie der antropogenen Klimaveränderung kategorisch ablehnt, sondern auch explizit – wie Romney hier – die Bemühungen, etwas dagegen zu tun, lächerlich macht:
Wenn verheerende Stürme tatsächlich das Bewusstsein für Klimaveränderungen wecken und bei Wählern den Wunsch nach klimabewussten Kandidaten wach werden lassen könnten, hätte Louisiana bei den ersten Präsidentschaftswahlen nach Katrina – und dem kläglichen Versagen der Bush-Regierung bei der Bewältigung der Zerstörungen – ins demokratische Lager umschwenken müssen, doch der Republikaner John McCain gewann 2008 in diesem Küsten-Bundesstaat sogar noch mit einem größeren Vorsprung (58,6 zu 39,9 Prozent der Stimmen) als George W. Bush im Jahr 2004, also vor Katrina (56,7 zu 42,2 Prozent). Und Florida, das regelmäßig von Hurrikanen verwüstet wird und vom Meeresspiegel-Anstieg schwerer betroffen sein wird als alle anderen Bundesstaaten, sollte eigentlich fest im demokratischen Lager verankert sein. Doch seit der knappen (und umstrittenen) Wahl des Jahres 2000 hat sich Florida stets deutlich für republikanische Kandidaten ausgesprochen; selbst die tödlichen Hurrikane “Ivan” und “Charlie”, die zusammen 30 Menschenleben forderten und Teile Floridas nur wenige Wochen vor den Wahlen im Jahr 2004 verwüsteten, änderten nichts daran, dass George W. Bush hier mit 52 zu 47 Prozent der Stimmen gewann.
Aber wenigstens die Bewohner von New York und New Jersey werden doch jetzt ihre Meinung ändern, oder? Nun, das spielt allein schon deswegen keine Rolle, weil beide Staaten seit Generationen erzdemokratisch wählen; in den New Yorker Stadtvierteln Bronx und Manhattan erreichte Obama sogar fast 90 Prozent der Stimmen (obwohl es interessant sein wird zu sehen, wie die Einwohner des am schwersten betroffenen Stadtteils Staten Island diesmal abstimmen – dies war der einzige Bezirk, der vor vier Jahren für McCain stimmte). Und selbst wenn das Bewusstsein für Umweltfragen in der Folge von Sandy steigen würde: In den Prioritäten der WählerInnen rangierte es wenige Tage vor dem Sturm noch so weit untern, dass es in dieser Gallup-Umfrage vom 22. Oktober noch nicht einmal erwähnt wird.
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