Zwei Nachrichten, die scheinbar nichts miteinander zu tun haben könnten: Am vergangenen Freitag hatte ein der 20-jährige Adam Lanza bei einem Amoklauf in der Sandy-Hook-Grundschule von Newtown (Connecticut) 20 kleine Kinder und sechs Erwachsene erschossen; am Dienstag dieser Woche wurden in Pakistan fünf Frauen, die an einer Polio-Schutzimpfaktion in Karatschi beteiligt waren, von Attentätern – vermutlich Anhänger der Taliban – systematisch ermordet. Und doch werfen beide blutige Nachrichten eine gemeinsame Frage auf: die nach der Mitverantwortung.
Im Fall Adam Lanza ist es die Mitverantwortung jener, die allem gesunden Menschenverstand zum Trotz darauf beharren, dass Sturm- und Schnellfeuergewehre für jedermann und -frau erhältlich sein müssen, und die sich jeglichem politischen Bestreben widersetzen, den Waffenbesitz zu kontrollieren. Wenn die Waffen dann aber, wie es beinahe unausweichlich scheint, blutig missbraucht werden (Amokläufe sind dabei, trotz des Entsetzens, das sie auslösen, gar nicht mal das eigentliche Problem – tausendfach mehr Menschen fallen in den USA “normalen” Schießereien zum Opfer, die bestenfalls mal ein paar Zeilen in den Nachrichtenspalten der Lokalzeitungen bekommen), dann kann es natürlich nur die Schuld und Verantwortung des Schützen sein – eine Mitverantwortung der Gesellschaft, die Waffen in die Hände von psychisch instabilen Menschen drückt, ist natürlich auszuschließen.
In Pakistan ist die Mitverantwortung, um die es mir hier geht, schon etwas subtiler: Offenbar benutzen die Taliban in ihrem Terror gegen die Bevölkerung den Missbrauch eines Impfprogramms auf der Jagd nach Bin Laden als Vorwand, um humanitäre Hilfsprogramme zu attackieren. Und das wirft die Frage auf, welche Mitverantwortung die CIA hier trifft, die ein neutrales medizinisches Hilfsprogramm missbraucht hatte (dazu noch, wie mein Bloggerkollege Ali Arbia hier berichtet hat, völlig nutzlos). Die Antwort, dass Geheimdienste nun mal nicht immer mit blitzsauberen Mitteln vorgehen können, dass die Beseitigung Bin Ladens notwendig und gerechtfertigt war, und dass man, wie man im Amerikanischen sagt, nun mal kein Omlett zubreiten könne, ohne dabei ein paar Eier kaputt zu machen – all diese Argumente habe ich schon gehört. Aber das Problem ist halt, dass die Neutralität von internationalen Gesundheitsaktionen (sei es das Rote Kreuz oder der Rote Halbmond, seien es die Ärzte ohne Grenzen oder die Weltgesundheitsorganisation der Vereinten Nationen) aus gutem Grund in den Genfer Konventionen völkerrechtlich verankert und geschützt ist. Nur dann können sie ihre Aufgabe erfüllen, die gerade in Kriegs- und Krisengebieten wichtiger ist denn anderswo.
Darf man aber Mitverantwortung fordern, wo doch das Böse in diesen Fällen schon so eindeutig und bequem im gestörten Attentäter, in den verbohrten religiösen Fanatikern lokalisiert wurde? Darf es so etwas wie Mitverantwortung geben, wo dies doch zwingend auch unsere eigene Mitverantwortung einschließt, da wir die Gesellschaft – mal im engeren, mal im weiteren Sinn – sind, die diese Vorwände oder die Rahmenbedingungen geliefert hat? Wäre das Leben nicht so viel einfacher, wenn wir immer die Guten und die anderen immer die Bösen wären, und die Guten per Definition nie eine Mitverantwortung für etwas Böses übernehmen müssten? Wenn die Welt schwarz und weiß, ganz ohne Grau- und Zwischentöne wäre?
Dies sind keine rhetorischen Fragen…
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