Am vergangenen Freitag hat sich der Programmierer, Internet-Unternehmer und Open-Access-Aktivist Aaron Swartz (26) in seiner Wohnung in Brooklyn erhängt. Der Tod eines jungen Menschen ist für sich alleine schon immer tragisch und emotional aufwühlend, aber dieser Fall hat mich zutiefst bestürzt. Denn dabei spielen einige Dinge, die mir auch persönlich ein Anliegen sind, eine enorm große Rolle: Open Access, beispielsweise, aber auch der Urheberrechtsschutz; ganz besonders betroffen bin ich aber darüber, dass mein Arbeitgeber, das Massachusetts Institute of Technology, dabei eine nicht gerade rühmliche Rolle spielt. Swartz war wegen “Einbruchs” in die MIT-Computer und das Kopieren von rund vier Millionen Dateien aus der Datenbank JSTOR angeklagt worden; der Prozess, der im April beginnen sollte, hätte ihm Millionen von Dollar in Geldstrafe und, viel schwerwiegender, bis zu 35 Jahre Gefängnis einbringen können.

Swartz, der schon als 14-jähriger ein Software-Wunderkind war und den RSS-Standard mit enwtwickelte (den jeder benutzt, der beispielsweise dieses Blog abonniert), war einer der Initiatoren von , ein Aktivist gegen SOPA – und ein “Untergrundkämpfer”, der eigenhändig hinter einer Paywall eingesperrte Daten befreien wollte. Sein erster Versuch, mit der amtlichen amerikanischen Gerichtsdatenbank Pacer – Swartz hatte einen Gratis-Schnupperzugang dazu genutzt, etwa 20 Prozent der dort verfügbaren Dateien zu kopieren und frei zugänglich zu machen – hatte ihn 2009 zwar ins Visier des FBI gebracht, bleb aber ansonsten ohne Folgen.

Zwischen dem 24. September 2010 und dem 6. Januar 2011, so heißt es in der Anklageschrift, war Swartz mehrfach in einen Computerschrank des MIT “eingebrochen” und hatte einen Laptop in das System eingeklinkt, mit dem er dann (das MIT ist mit Gastzugängen ziemlich großzügig) den Zugang zu JSTOR erlangte.

Dass so etwas tatsächlich als Einbruch gewertet wird und die Campus-Polizei auf den Plan rufen würde, ist mir dabei sogar einsichtig: Auf den Computern des MIT liegen gewiss noch eine Menge anderer Daten herum, die vertraulich sind und vermutlich, in den “richtigen” Händen, Millionen und Milliarden von Dollar wert sein könnten. Dass man die Schränke (naja, es sind echte Räume, mit echten Türen davor) besser sichern könnte, bezweifele ich nicht; dass die MIT-Kultur eine des (naiven?) Vertrauens ist – nahezu alle Gebäude sind hier, zumindest zu normalen Tageszeiten, geöffnet und ohne Kontrollen irgend welcher Art für Jedermann zugänglich – bleibt eine andere Frage.

Was mich jedoch bekümmert ist, dass das MIT seine – eingangs, wie gesagt, durchaus verständliche – Anzeige nicht zurückzog, nachdem erstens JSTOR bereits auf eine Anzeige verzichtet hatte und zweitens klar wurde, dass die Bundesstaatsanwaltschaft an dem jungen Programmierer ein Exempel statuieren wollte. Vor allem, da MIT sogar ganz offiziell Swartz’ Ziele hinsichtlich Open Access teilt. Sich zum Handlanger einer überreagierenden Justiz zu machen, ist schäbig … (MIT-Präsident Rafael Reif, der sein Amt im vergangenen Frühjahr von Susan Hockfield übernommen hat, kündigte eine interne Untersuchung an, um die unrühmliche Rolle der Uni aufzuklären.)

Spielt es eine Rolle, dass Swartz offenbar schon länger mit Depressionen und Selbstmordgedanken kämpfte? Ich weiß es nicht, aber sicher ist, dass diese an Willkür grenzende Strafjustiz ihren Beitrag geleistet hat, ihn über diese Klippe (man verzeihe mir die Metapher – in Wirklichkeit hatte sich Swartz mit einem Strick das Leben genommen) zu stoßen. Was umso bizarrer ist, als ja Open Access sogar offizielle Regierungspolitik ist.

Als Autor = jemand, der davon lebt, dass er für das Schreiben von Texten honoriert wird, unterstütze ich natürlich das Recht eben jener Autoren auf Honorierung. Aber hier geht es um wissenschaftliche Artikel, die einer ganz anderen ökonomischen Realität unterliegen: Ihre Autoren werden für die Veröffentlichung nicht bezahlt, sie erhalten auch keinen Anteil an den Verwertungserlösen. Aber dafür war die Tätigkeit, die zur Veröffentlichung führte, eine oftmals mit öffentlichen Geldern bezahlte. Ich wage zu behaupten, dass die wenigsten Wissenschaftler, die irgendwann irgendwas publiziert haben, davon begeistert sind, dass andere für das Lesen ihrer Arbeit – für die sie ja wohl die größtmögliche Öffentlichkeit anstreben wollten – teuer bezahlen müssen.

Und selbst wenn Swartz’ Aktion, nach irgend einer juristischen Auslegung, als Offizialdelikt nach dem Strafrecht (anstatt als ein zivilrechtlicher Streitfall) interpretiert werden kann: Einen psychisch labilen junge Menschen mit 35 Jahren Haft für eine solche Tat zu bedrohen, ist schändlich.

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Kommentare (19)

  1. #1 Sven Türpe
    15. Januar 2013

    Ich weiß es nicht, aber sicher ist, dass diese an Willkür grenzende Strafjustiz ihren Beitrag geleistet hat, ..

    Dem Vorwurf der Willkür fehlt es an einer Begründung, zumal das Verfahren noch lange nicht abgeschlossen war.

    Einen psychisch labilen junge Menschen mit 35 Jahren Haft für eine solche Tat zu bedrohen, ist schändlich.

    Du bist also der Ansicht, vor dem Gesetz sollten manche gleicher sein. Ich nehme an, Du machst Dir Hoffnungen, im Ernstfall auf der für Dich angenehmeren Seite der Diskriminierungslinie zu landen?

  2. #2 Christian Reinboth
    15. Januar 2013

    Ein extrem tragischer Fall – dennoch sehe ich nicht, wie die Uni hier anders hätte reagieren können. Ein (physischer) Einbruch bleibt ein Einbruch, der nun mal zur Anzeige gebracht werden muss (vermutlich schon alleine aus versicherungstechnischen Gründen). Dass die Uni selbst eine Open Access-Politik verfolgt ist natürlich zu begrüßen, dürfte ja aber dennoch nicht dazu führen, dass man Straftaten nicht verfolgt, nur weil sie mit den eigenen politischen Zielen konform gehen. Die Uni kann sich unmöglich dafür entscheiden, einen Einbruch zur Anzeige zu bringen, einen anderen dagegen nicht, nur weil man mit bestimmten politischen Zielen sympathisiert. Würde man so vorgehen, wäre dem Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz jeglicher Boden genommen.

    Der eigentliche Skandal scheint mir zudem weniger die Anzeige des MIT sondern die drakonischen 35 Jahre Haft zu sein, die im Hinblick auf das Vergehen vollkommen unangemessen sind. Da werden ja – selbst in den USA – manche Mörder mit geringeren Strafen bedacht…

  3. #3 Spoing
    15. Januar 2013

    Naja mit bis zu 35 Jahren muss ja nichts heißen. In manchen Fällen könnte man in Deutschland auch drakonische (Geld)Strafen verhängen, einfach weil es den selben Tatbestand abdeckt wie ein möglicher Weise fatales Verbrechen.
    Wenn dann selbst geschrieben wird das ein Teil der Daten Milliarden Wert seien könnte, dann gehe ich auch davon aus das die 35 Jahre eher für einen solchen Fall vorgesehen sind.
    Wobei ich mich dafür viel zu wenig damit auskenne als das ich eine Einschätzung abgeben könnte welches Strafmaß er realistischer Weise zu befürchten hätte.

  4. #4 MJ
    15. Januar 2013

    @ Christian Reinboth

    Das wird zZ auf crookedtimber recht intensiv besprochen. Dort wird vor allem darauf hingewiesen, dass die Staatsanwaltschaft die Anklageschrift deutlich abgeaendert hat, nachdem JSTOR entschieden hat, sich nicht selbst daran zu beteiligen. Enstprechend wird zumindest gemutmasst, dass die Statuierung eines Exempels wesentlich schwieriger gefallen waere, haette sich das MIT oeffentlich gegen eine Strafverfolgung ausgesprochen – da damit keiner “Geschaedigten” noch etwas damit zu tun haette haben wollen. Das andert zwar an den Gesetzen nicht, aber – so weit ich es verstanden habe – ob und wie intensiv die Anklage verfolgt wird, liegt im Ermessen des DOJ. Und wenn die Geschaedigten schon keinen Grund fuer eine Anklage sehen und das oeffentlich kundtun, hat das DOJ Erklaerungsbedarf, wenn es stark durchgreifen will auf Grundlage von Gesetzen, gegen die selbst die (auf ihrer Basis) Geschaedigten auftreten.

    Auf der anderen Seite scheinen die Gesetze zumindest laut Orin Kerr (der genau in dieser Angelegenheit Experte ist) entgegen recht ueberzeugter, aber sehr vager Mutmassungen, relativ eindeutig gegen Swartz zu sprechen. Allerdings weist er (vor allem im Kommentarteil) mehrmals auf die irrefuehrende Berichterstattung maximaler Strafmasse hin, die nicht mit tatsaechlichen zu verwechseln sind:

    https://www.volokh.com/2013/01/14/aaron-swartz-charges/

  5. #5 Bartleby
    16. Januar 2013

    Als Autor = jemand, der davon lebt, dass er für das Schreiben von Texten honoriert wird, unterstütze ich natürlich das Recht eben jener Autoren auf Honorierung. Aber hier geht es um wissenschaftliche Artikel, die einer ganz anderen ökonomischen Realität unterliegen: Ihre Autoren werden für die Veröffentlichung nicht bezahl, sie erhalten auch keinen Anteil an den Verwertungserlösen. Aber dafür war die Tätigkeit, die zur Veröffentlichung führte, eine oftmals mit öffentlichen Geldern bezahlte.

    Das ist doch eine hanebüchene Argumentation.Zu argumentieren, dass wissenschaftliche Artikel anders behandelt werden sollen, als die Ergüsse von ach so tollen Autoren, die versuchen von ihrem Honorar zu leben, meistens aber doch noch einen Unijob brauchen, damit der Ofen warm wird, ist kompletter Unsinn. Wissenschaftliche Aufsätze, besonders in prestigeträchtigen Zeitschriften sind ganz entscheidend für die beruflichen Wege der Autoren, um Jobs oder Kooperationen zu finden. Sie haben also eine enorme wirtschaftliche Bedeutung, und genau deshalb will auch jeder dort veröffentlichen.

  6. #6 Bartleby
    16. Januar 2013

    Der Zusammenhang zwischen der im Blogbeitrag genannten “anderen wirtschaftlichen Realität” und der von mir angeführten “enormen wirtschaftlichen Bedeutung” ist vielleicht nicht jedem so offensichtlich. Deshalb noch eine nachträgliche Erklärung dazu.

    Forscher und Universitäten haben das freie Verfügungsrecht über ihre Forschungsergebnisse, auch, wenn sie aus öffentlichen Mitteln bezahlt werden. Sie haben ebenso die Freiheit, sich das Ziel ihrer Forschung selbst zu bestimmen, unabhängig davon, dass sie aus öffentlichen Mitteln bezahlt werden. Und schließlich haben sie auch die Freiheit, Verträge mit Verlagen einzugehen und machen das seit Jahrhunderten täglich. All diese Dinge : Freiheit der Forschung, Finanzierung und Verwertung der Resultate sind, so wie sie sind, Grundpfeiler der Wissenschaft in unseren westlichen Ländern und haben erstaunliche Resultate ermöglicht.

    Ich verstehe deshalb nicht, warum man sich außerhalb der Forschung so viele Sorgen über die Verwertung ihrer Resultate macht. Denken alle, die Wissenschaftler sind kleine graue Mäuse, die man vor der großen Katze schützen muss? Ich meine, sie werden sich schon selbst kümmern und mit den Verlagen auseinandersetzen, wenn sie es für notwendig halten. Und auch ein Blick ins Leben spricht nicht für einen Notstand: Die Zahl der Publikationen, die man als Forscher verwenden kann, wächst trotz all der bösen Verlage ständig und ist größer als sie bewältigt werden kann. All diese Diskussionen um das Urheberrecht sind notwendig, haben aber eine Dimension und Eigendynamik erreicht, die weit über die tatsächliche Problematik hinausgeht.

  7. #7 Jürgen Schönstein
    16. Januar 2013

    Ein klarer Fall von “Betriebsblindheit” meinerseits: Ich hätte hinzu fügen müssen, dass es am MIT eine Tradition von “Studentenstreichen” gibt, die hier hacks genannt werden – und die auch gelegentlich am Rand der Justiziabilität entlang schrammen. Aber so lange niemand dabei zu Schaden kommt, werden sie gedulded. Und so gesehen war auch Swartz’ Aktion ein “Hack” – nur mit dem Unterschied, dass er kein MIT-Student war. Dennoch: Der Uni ist, wie sie inzwischen weiß, kein Schaden entstanden (vermutlich war der Computerraum nicht mal korrekt abgeschlossen – aber das ist nur meine persönliche Vermutung), und sie hatte auch kein Interesse an einer Strafverfolgung. Die Bestürzung des MIT-Präsidenten, die hier zum Ausdruck kommt, zeigt dies noch einmal deutlich. Aber das MIT hat den Ball fallen lassen, als es hätte erkennen können, dass hier ein drastisches Exempel (gegen die Interessen der Uni, außerdem noch) statuiert werden sollte und das Institut dabei zum Helfer der überreagierenden Strafjustiz wurde.

    Und was die Staatsanwaltschaft selbst angeht: Sie hat in den USA ziemlich viel Handlungsfreiheit, welche Rechtsgrundsätze sie anwendet (ist halt manchmal Auslegungssache, vor allem bei Internet-Delikten), und vor allem, welches Strafmaß sie fordert. Im Fall Swartz war es sogar zu (absolut üblichen) Verhandlungen über ein “plea bargain” gekommen – einer Art außergerichtliche Einigung, in der sich der Beschuldigte zur Tat bekennt, dem Staat damit den Verfahrensaufwand erspart und dafür mit einer milderen Strafe belohnt wird. Ersttätern wird in solchen Fällen, vor allem, wenn es sich um gewaltlose Delikte handelt, eine Bewährungsstrafe angeboten. Aber nicht im Fall Swartz – die Staatsanwaltschaft bestand darauf, dass Swartz eine Gefängnisstrafe absitzen müsse. Und das war dann wohl der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte.

  8. #8 Sven Türpe
    16. Januar 2013

    Es ist nun mal die Funktion von Bürokratien, herzlos und unnachsichtig vorgegebene Regeln anzuwenden. Es gehört ferner zu den Risiken des Lebens in einer Gesellschaft, von Institutionen dieser Gesellschaft gemaßregelt zu werden. Und schließlich diskutieren wir hier einen Fall, in dem eine der Risikodämpfung dienende Institution — die Gerichtsbarkeit — nicht mehr wirken konnte, da der Angeklagte vor seinem Prozess an seiner Krankheit verstorben ist.

  9. #9 Jürgen Schönstein
    16. Januar 2013

    @Bartleby

    Ergüsse von ach so tollen Autoren, die versuchen von ihrem Honorar zu leben, meistens aber doch noch einen Unijob brauchen, damit der Ofen warm wird

    Hoppla, hier bin ich wohl gemeint! So einfach ist das nicht: Es ist eine Sache, wenn ein Artikel als Nebenprodukt, oder eigentlich als Resultat (und damit essentielles Element) einer bezahlten Forschungsarbeit entsteht – dann ist das Schreiben des Artikels auch ein Teil dieser bezahlten Tätigkeit. Und wenn die Bezahlung – an deutschen Unis zum Beispel – bereits aus öffentlichen Geldern finanziert wurde, ist es noch etwas schwerer zu begründen, warum eben jene Öffentlichkeit horrende Gebühren (wir reden hier nicht von Pennies) bezahlen muss, um die Resultate eben jener Tätigkeit zu sehen, für die sie ja schon bezahlt hat.

    Aber ein journalistischer Artikel (und das heißt nicht, dass er von einem Journalisten geschrieben sein muss) entsteht aber unter anderen Voraussetzungen: Der Autor wird hier erst nach Beendigung seiner Arbeit bezahlt – wenn überhaupt (ich selbst habe in meiner Zeit als Freier auch den einen oder anderen Artikel geliefert, der zwar bestellt war, dann aber aus Platz- und/oder Termingründen nicht erschien – dafür gibt’s nur in ganz seltenen Ausnahmefällen ein Ausfallhonorar). Und die Recherche war nicht “Nebenprodukt” einer sowieso bezahlten Forschungsarbeit, sondern die Zeit und Mühe ist allein zum Zweck des Schreibens aufgewendet worden.

    Wenn es keinen Bedarf mehr für solche journalistischen Beiträge gäbe, dann wäre das halt etwas, mit dem man sich als Autor abfinden müsste. Aber wenn man immer weniger bis fast gar nichts bezahlt bekommt, weil die Kundschaft sich die Leistung ohen Entgelt beschaffen kann, dann ist die Sache schon etwas tragischer. Um mal ein Beispiel zu geben: Wenn ich ein Restaurant aufmache und niemand kommt, um bei mir zu essen, dann ist es allein meine Schuld, wenn meine Kassen leer sind. Aber wenn ich die Zutaten besorge, meine Zeit in der Küche verbringen und dann reichlich Gäste verköstige, ist es sicher nicht ungerechtfertigt von diesen zu erwarten, dass sie sich auch finanziell erkenntlich zeigen.

    Ich schätze die Leistung der Wissenschaftler nicht gering ein, und Journale, die Hunderte von Dollar für ein Jahresabo verlangen, sollten eigentlich in der Lage sein, ihre Autoren – auch wenn sie “nur” Wissenschaftler und keine Journalisten sind – anständig zu entlohnen. Aber die Tatsache ist, dass sie das nicht tun; womit die enormen Abokosten begründet werden. Und zumindest diesen Autoren würde daher auch kein Schaden zugefügt, wenn die Inhalte der Journale auch frei zugänglich wären – um ihre Honorare sind sie ja schon von den Verlagen geprellt worden.

  10. #10 HT
    16. Januar 2013

    “psychisch labil”, “jung”, “eingebrochen” (in Anführungszeichen im Text), “vermutlich war der Computerraum nicht mal korrekt abgeschlossen – aber das ist nur meine persönliche Vermutung”, “an Willkür grenzende Strafjustiz”,… hm.

  11. #11 Manfred Mudelsee
    Hannover Germany
    16. Januar 2013

    Die Behauptung

    “Ihre Autoren werden für die Veröffentlichung nicht bezahl, sie erhalten auch keinen Anteil an den Verwertungserlösen.” von Herrn Schönstein

    ist falsch —

    zumindest für Wissenschaftsautoren in Deutschland (zu denen auch ich gehöre). Die Verwertungsgesellschaft Wort (https://www.vgwort.de/) zahlt Anteile aus.

    Manfred Mudelsee

  12. #12 Physiker
    16. Januar 2013

    @Jürgen Schönstein:
    Bei hochangesehenen Journalen ist es sogar so, dass die Autoren für eine Veröffentlichung zahlen müssen. Bei PRL sind das pro normalem (2-seitigem) Artikel $690, die dann z.T. von den Instituten/Universitäten (also im Endeffekt vom Stuerzahler) übernommen werden. Man beachte, dass der ganze Peer-Review (also die Qualitätssicherung) sowie das Layout des Artikels sowieso unentgeltlich von der Forschergemeinde übernommen wird. Bei erfolgreicher Publikation bekommt der Autor nicht einmal ein Ansichtsexemplar (das gilt z.T. sogar selbst bei Fachbüchern).

    @Bartleby:
    Die Wissenschaftler befinden sich in einem einseitigen Abhängigkeitsverhältnis von den Fachjournalen. Sie sind für ihre Karriere darauf angewiesen, dass sie Publikationen in hochangesehenen Journalen veröffentlichen und auch auf diese Zugriff haben. Dieses Abhängigkeitsverhältnis wird schamlos ausgenutzt, indem die Bibliotheken die oben angesprochenen horrenden Abogebühren zahlen müssen, die Forscher/Institute für die Publikation zahlen müssen und dann selbst das Layout, die Qualitätssicherung, Lektorenarbeit und z.T. Editorenarbeit übernhemen. Open-Access Journale sind nur ein Teil der Lösung – nur festangestellte Professoren oder Forscher die nicht an einer akademischen Karriere interessiert sind können es sich leisten dort zu publizieren.

  13. #13 Jürgen Schönstein
    16. Januar 2013

    @Manfred Mudelsee
    Schön für Sie, dass Sie in der VG Wort sind. Bin ich auch, und weiß daher, in welcher Höhe dort die Ausschüttungen liegen. Ist zwar ein schönes Bonusgeld, einmal im Jahr – aber nicht mal annähernd in der Größenordnung, die einer echten Bezahlung für den Arbeitsaufwand ähnlich werden könnte.

  14. #14 Bilbo
    17. Januar 2013

    Von wegen “manche sind gleicher als andere”:
    Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist für gewöhnlich in den meisten Rechtssystemen demokratischer Staaten vorhanden. Es sollte mich wundern wenn das in der USA anders wäre. Das Praxis und Theorie dann auch mal gerne auseinander liegt ist eine andere Sache. Mit der Drohung von 35 Jahren Haft einen Deal erzwingen zu wollen ist jedenfalls schon ziemlich schäbig und sicherlich Frucht ausgeprägter Profilierungsambitionen eines Staatsanwalts der meinte mal den Karriereturbo einzulegen. Damit hat es sich jetzt vorerst wenigstens erledigt.

  15. #15 Bartleby
    17. Januar 2013

    Danke für die ANtwort.

    Hoppla, hier bin ich wohl gemeint!

    Nein, das war allgemein gemeint. Auch wenn die Kombination Schreiben+Uni auch auf Dich zutrifft, hatte ich im Sinn, dass diese Situation eine weitverbreitete Erscheinung ist.

    Die von Dir letztlich beschriebene Entwertung der geistigen Arbeit (schlechtere Honorare für ein dann doch erfolgreich vermarktetes Produkt, in dem Fall Texte) findet ja in vielen Berufen und Banchen statt. Man kann sogar sagen, dass die wissenschaftlichen Publikationen da Vorreiter waren. Seit ich weiß, wurde da noch nie ein Honorar gezahlt. Du hast noch gute Erinnerungen 😉

    Das ist nur nie so aufgefallen, da die Wissenschaftler eben meistens ihr EInkommen aus der Anstellung haben und darüber nicht geklagt wird, weil man sonst nicht mehr zum Forschen käme und sich nicht in der Politik aufhalten will.

  16. #16 Bartleby
    17. Januar 2013

    (Noch ein Satz. Ich hatte zu früh abgeschickt)

    Die voherige Anmerkung ist meiner Meinung nach ein Argument, dass journalistische und wissenschaftliche Texte im Prinzip gleich und nicht unterschiedlich behandelt werden sollen.

  17. #17 MJ
    17. Januar 2013

    Kurzes Update auf einen langen Post – Orin Kerr (siehe Kommentar weiter oben) eroertert nun, ob die Strafverfolger im Falle Swartz’ ihren Ermessensspielraum “properly” ausgeschoepft haben und eventuelle Konsequenzen fuer die Gesetzeslage:

    https://www.volokh.com/2013/01/16/the-criminal-charges-against-aaron-swartz-part-2-prosecutorial-discretion/

  18. #18 Engywuck
    17. Januar 2013

    nuja, ein ein einfacher “hack” war’s dann doch nicht. Laut einem Artikel aus dem Jahr 2011:

    according to the indictment, he repeatedly tried to conceal the fact that he was gaining unauthorized access to the MIT network, and persisted despite his computer being barred again and again. He allegedly changed to a different computer when his first became too well-known to network security. The indictment accuses him of using a program called “keepgrabbing.py” and of fleeing from police when spotted. He allegedly used fake email accounts and a Mailinator throwaway email address to cover his tracks.

    That doesn’t sound to me like someone trying to make an ethical point.
    […]
    Yet JSTOR has a paid service for large-scale analysis, one that doesn’t require a user like Swartz at Harvard to go to another institution, hack into their network multiple times while evading security (both network and real), and downloading millions of articles without any clear indication of research intent. Swartz could have done this from his desk at Harvard.

    https://scholarlykitchen.sspnet.org/2011/07/20/a-bizarre-approach-to-accessing-jstor-earns-federal-charges-for-an-internet-activist/

    und

    The indictment (.pdf) accuses Swartz of repeatedly spoofing the MAC address — an identifier that is usually static — of his computer after MIT blocked his computer based on that number. Swartz also allegedly snuck an Acer laptop bought just for the downloading into a closet at MIT in order to get a persistent connection to the network.

    https://www.wired.com/threatlevel/2011/07/swartz-arrest/

    Er hat das also über längere Zeit getrieben, und als er entdeckt wurde erst richtig aufgedreht und das nicht einfach nur aus einem offenen Raum gemacht sondern eine Leitung die durch einen Besenschrank führte angezapft. (Ein “hack” ist für mich eher sowas wie ein gefaketes Polizeiauto auf die Kuppel zu stellen oder die Brücke mit einem Studenten auszumessen und entsprechende Markierungen anzubringen. Also harmlos, aufhören wenn intensiv gestört und so, dass viele Leute amüsiert sind. Übrigens beides MIT-hacks.)

    Außerdem dreht es sich um mal eben 4 Millionen Artikel.
    Je nach Vertrag zwischen Uni und Datenbankanbieter kann es sein, dass die Uni pro Artikel zahlt — was erklären würde, warum das MIT nicht von Verfolgung abgesehen hat. Sogar wenn JSTOR diesmal die Gebühren erlassen hat würde der nächste Massendownload (evtl. von einer anderen Datenbank) so richtig ins Geld gehen. Das dann noch an einer anderen Uni zu machen, wenn man an der eigenen ohnehin Zugriff hat ist dann schon dreist.

    Ein weiterer Punkt ist natürlich, dass jeder einzelne Autor der von ihm “befreiten” Artikel ihn wegen Urheberrechtsverletzungen hätte verklagen können wäre der geplante Upload in P2P-Netzwerke nicht durch seine Entdeckung verhindert worden. Also auch bei “Erfolg” *und* wohlwollendem JSTOR wie MIT hätte er ziemlich Ärger bekommen können.

    Wie gesagt: die verlinkten Artikel sind schon etwas älter, aber derzeit findet man ja fast nur noch Lobeshymnen – de mortuis nil nisi bene hat eben auch seine Nachteile.

    Gibt es mit detaillierten Fakten untermauerte Artikel über den Fall von kurz *vor* seinem Tod, so dass man den aktuellen Stand unbeeinflusst nachlesen kann?

    (Dass ich für freien Zugang zu Wissen bin füge ich hier nur sicherheitshalber hinzu)

    Zum Thema “Maximalstrafen”, die in diesem Fall immer kursieren: nach §265a StGB gilt:

    (1) Wer die Leistung eines Automaten oder eines öffentlichen Zwecken dienenden Telekommunikationsnetzes, die Beförderung durch ein Verkehrsmittel oder den Zutritt zu einer Veranstaltung oder einer Einrichtung in der Absicht erschleicht, das Entgelt nicht zu entrichten, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist.
    (2) Der Versuch ist strafbar.

    Also ist *prinzipiell* einmaliges Schwarzfahren (je nach Jurist nur wenn ein Schaffner zur Kontrolle da ist) oder das einmalig Umgehen eines Kaugummiautomaten in Deutschland mit der Maximalstrafe von einem Jahr Gefängnis bedroht. Wie oft wird diese Strafe in der Realität verhängt?
    Interessanter wäre, wenn es eine Mindeststrafe geben würde — was beispielsweise bei schwere Körperverletzung so geregelt ist (ein bis zehn Jahre, keine Möglichkeit des Ersatzes durch Geldstrafe).
    Wie sieht das in den USA aus, vor allem im diskutierten Fall=

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