Ich muss meinem Bloggerkollegen Ali Arbia wirklich dafür dankbar sein, dass er mir mit seinem wunderbar treffenden kleinen Glossar zum besseren Verständnis der Political-Correctness-Gegnerschaft den Einstieg so leicht gemacht hat. Denn seit ich die Kommentare zu den auch bei ihm verlinkten Einträgen gelesen habe (hier und hier, vor allem – das hier ist einfach zu schwer auszuhalten), bin auch ich erst mal ziemlich verstört. Und darum möchte ich seinem Glossar nun noch ein paar Stichworte nachtragen, die mich seither enorm beschäftigen:
Rasse: 1. Ein ab dem 18. Jahrhundert in der Biologie nicht mehr gebräuchliches Synonym für Unterarten 2. Etwas, womit Tierzüchter (Hunde, Katzen, Pferde, Hühner etc.) ihre verschiedenen Modellreihen bezeichnen 3. Die ideologische Grundlage des → Rassismus 4. Ein bequemes Konzept, um ohne langes Nachdenken Menschen zu kategorisieren, i.d.R. ohne sachliche Begründung.
Rassismus: 1. Die Überzeugung, dass sich Menschen in → Rassen einteilen lassen 2. Eine pseudowissenschaftliche Irrlehre, die sich trotz der katastrophalen Folgen, die sie vor allem in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts verursachte, bis heute bewahren konnte 3. Eine häufige Begleiterscheinung von Bildungsdefiziten, aber auch Störungen des Denkens; kann periodisch auftreten, ist aber zumeist chronisch. 4. Ein hartnäckiger Irrtum.
Rassist: 1. Jemand, der → Rassismus praktiziert; nicht selten auch in latenter oder unbewusster Form 2. Immer jemand anderer, nie man selbst.
Um es mal ganz klar zu sagen: Rassismusist keine Frage von Vokabeln, sondern von Vorstellungen. Es ist letztlich egal, ob ich “Neger”, “Schwarze”, “Farbige”, “Afro-Amerikaner” oder “stark Pigmentierte” sage: So lange ich damit ausdrücken will, dass Hautfarbe und Haartyp geeignete Merkmale sind, um Menschen zu klassifizieren, denke und argumentiere ich rassistisch.
Die Idee, dass sich Menschen in Rassen einteilen lassen, ist aus unseren Köpfen noch lange nicht verschwunden. Ich erinnere mich noch ziemlich deutlich an die Definition, die im fünfbändigen Brockhaus zu lesen war, den meine Eltern Ende der 60-er Jahre angeschafft hatten und der noch heute dort im Bücherregal steht. Leider habe ich ihn nicht zur Hand, aber der Eintrag dürfte sich nur unwesentlich von diesem hier aus dem Jahr 1911 unterscheiden (draufklicken, um den vollen Text zu lesen):
Also: Ob “Neger” oder “Eskimo”, ob “Wollhaarige” oder “Schlichthaarige”, ob Orthognaten oder Prognathen – jedes Sortieren von Menschen nach äußeren Merkmalen ist prinzipiell rassistisch. Ohne Einschränkung.
Rasse – ein Begriff, den bei uns legitim nur noch Tierzüchter verwenden, der in den USA dafür ausschließlich auf die menschliche Klassifizierung beschränkt ist (bei Zuchttieren spricht man hier von breed) – ist ein archaisches, unwissenschaftliches Konzept, das in den Vereinigten Staaten dennoch amtlich etabliert ist (vielleicht nicht nur hier, aber dafür hier am offensichtlichsten). So wird sie zum Beispiel bei der amerikanischen Volkszählung (US Census) abgefragt:
Sind demnach die USA insgesamt als rassistisch zu bezeichnen? Einschließlich der Betroffenen selbst – egal, welche Bezeichnungsvariante sie für sich selbst wählen? Einfache Antwort: ja.
Denn diese Einordnung nach Rasse ist nicht nur in der amtlichen Statistik allgegenwärtig, sie ist per Quotenregelung (Affirmative Action) auch relevant bei der Vergabe von Arbeits- und Studienplätzen, sie spielt eine Rolle bei der Zuteilung von Sozialwohnungen und dient nicht selten auch einfach nur zur Erzeugung von Gemeinschaft (hier zum Beispiel). Rassismus kann sowohl diskriminierend/abwertend eingesetzt werden, als auch ein Überlegenheitsgefühl ausdrücken. Aber so lange Menschen durch Hautfarbe und Haartyp (auf das läuft’s ja letztlich hinaus) definiert werden, ist Rassismus im Spiel.
Aber ich selbst bin doch kein Rassist, oder? Dass ich’s nicht sein will, ist eine Sache – aber ich kann auch nicht leugnen, dass meine Genugtuung über die Wahl von Barack Hussein Obama im Jahr 2008 sich nicht primär darauf begründete, dass er der erste Präsident war, der in Hawaii geboren wurde, oder der erste Präsident sein würde, der mit seiner Schwiegermutter ins Weiße Haus einzog, oder der erste Präsident, der keinen europäischen Namen trug, sondern darauf, dass er der erste “schwarze” Präsident war (wie man hier sieht). Aber wie der folgende – satirische, aber dennoch sehr zutreffende – Sketch mit Chris Rock zeigt, sagt diese Einordnung nicht wirklich viel über ihn aus:
Mal ganz im Ernst: Kategorien und Klassifizierungen von Menschen sind ja manchmal durchaus nützlich. Eine Einteilung in Rechts- und Linkshänder kann praktisch sein, wenn man Wettbewerbe im Armdrücken organisiert oder Sammelbestellungen von Scheren aufgeben will. Schachspieler, Vegetarier, Fans von Donald Duck oder Dr. Who – alles Gruppenzuordnungen, die auch der selbstgewählten Abgrenzung von den Nicht-Schachspielern, Nicht-Vegetariern, Nicht-… dienen. Menschen in Altersgruppen wie Kinder, Jugendliche, Erwachsene einzuteilen, ist hinsichtlich Schulbildung und Führerscheintauglichkeit auch sicherlich ganz sinnvoll (auch wenn diese Grenzen in unterschiedlichen Gesellschaften ganz unterschiedlich gezogen werden).
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