Nur etwa zwei Prozent der Weltbevölkerung haben rote oder rotblonde Haare – und vermutlich ist es diese Seltenheit, die diese feuerfarbene Haarpracht visuell attraktiv macht (wie beispielsweise die Schauspielerin Julianne Moore, rechts), andererseits aber im Lauf der Menschheitsgeschichte zu sehr unterschiedlichen Reaktionen auf die TrägerInnen eines rötlich schimmernden Schopfes geführt hat (im europäischen Mittelalter wurden rothaarige Frauen und Männer beispielsweise schnell der Hexerei verdächtigt). Aber rein biologisch ist es eigentlich verwunderlich, warum sich diese genetische Variation so lange erhalten hat: Ein mutiertes Gen bewirkt, dass statt des häufiger anzutreffenden Eumelanins nur Hautpigment Phäomelanin produziert wird. Eines der Resultate ist eine stark sommersprossige und dadurch leichter lichtgeschädigte Haut und eine höhere Neigung zu Hautkrebs (Melanom). Außerdem wird zur Bildung von Phäomelanin das Peptid Glutathion benötigt, was dem Körper hilfreiche Antixodantien entzieht.

Um herauszufinden, ob diese Neigung zur Rotfärbung trotzdem biologisch nützlich sein kann, haben sich die Forscher Ismael Galván und Anders P. Møller von der Université Paris-Sud einige Populationen von europäischen Rauchschwalben sowie mehrerer amerikanischer Singvogelarten angeschaut, die sich alle durch teilweise rötliches Gefieder (auch bei Vögeln ist dafür das Phäomelanin verantwortlich) auszeichnen. Und sie fanden dabei heraus, dass Phänomelanin durchaus einen biologischen Nutzen hat: Für seine Produktion wird, wie schon gesagt Glutathion verwendet – und um Glutathion herzustellen, braucht der Körper unter anderem die Aminosäure Cystein. Die wiederum wird über die Nahrung aufgenommen, kann aber in hoher Konzentration toxisch sein. Unter bestimmten Voraussetzungen – die vermutlich in dem Paper Pheomelanin-Based Plumage Coloration Predicts Survival Rates in Birds, das die beiden Forscher im Journal Physiological and Biochemical Zoology genaue erklärt werden, das ich aber wegen einer Paywall nicht lesen konnte – kann Phäomelanin also helfen, die Überlebenswahrscheinlichkeit der rötlich Gefiederten zu erhöhen.

Aber das heißt natürlich noch nicht, dass der gleiche evolutionäre Vorteil, der sich bei den Vögeln nachweisen ließ, auch bei Menschen beobachten lässt. Aber als Hypothese ist es doch sicher schon mal ganz interessant.

Foto: nicolas genin [CC-BY-SA-2.0], via Wikimedia Commons

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Kommentare (9)

  1. #1 Spoing
    29. Januar 2013

    “Aber rein biologisch ist es eigentlich verwunderlich, warum sich diese genetische Variation so lange erhalten hat”

    Naja, da es ja fast ausschließlich Völker in den nördlicheren Breitengraden waren in denen sich diese Haarfarben durchgesetzt hat finde ich es gar nicht so verwunderlich. Einen Sonnenbrand in Irland zu bekommen bedarf schon guter Planung.
    Wie sieht es eigentlich mit den blonden Menschen aus? Benutzen die auch nur Phäometalin? Deren Sonnenempfindlichkeit ist ja nicht ganz so hoch.

    Ach und was ich nicht ganz verstanden habe: Worin liegt der Vorteil? Nur darin das man das Glutathion los wird wenn man zu viel davon hat? Wäre das Ausscheiden des Stoffes ab gewissen Konzentrationen da nicht sinnvoller als sich davon abhängig zu machen? Oder ist das Eumelanin noch schwieriger her zu stellen?

  2. #2 Ludger
    29. Januar 2013

    Die hellhäutigen Menschen werden auch bei wenig Sonnenschein in ihrer Haut genug Vitamin D bilden und deswegen seltener Rachitis bekommen. Ein schwer rachitisch verengtes Becken war bis vor gut 100 Jahren im Falle einer Schwangerschaft ein Todesurteil.

  3. #3 liquidat
    29. Januar 2013

    Die hier dargestellte Perspektiv finde ich zu kurz gegriffen: ein biologischer Vorteil heißt nicht nur, dass es das Überleben verbessert.

    Gerade bei einer optisch so bedeutenden Eigenschaft würde ich eher im Bereich der sexuellen Evolution schauen. In wie weit haben sich Prozesse rausgebildet, bei denen die Wahl der Sexualpartner von der Haarfarbe beeinflusst wurden?

    Damit würden auch die zuerst und direkt erkennbaren Nachteile (Hautkrebs-Risiko, etc.) wieder aufgehoben werden: im Rahmen einer Betrachtung nach der sexuellen Evolution ist eben der oder die attraktiv, wer trotz Auffälligkeit (helle Haare) und trotz offensichtlicher Empfindlichkeit sich trotzdem gut durchsetzt. Oder liege ich hier falsch?

  4. #4 CM
    29. Januar 2013

    liquidat, wodurch sich eine höhere Fitness erklärt, läßt sich leider nur statistisch / experimentell lösen – und das ist hier kaum möglich. Ggf. eröffnen Populationsgenetische Daten eines Tages eine Perspektive. Deine Frage wird sich also gegenwärtig nicht beantworten lassen (so weit ich weiß).

    Mich würde in dem Zusammenhang interessieren was zu einer Aufnahme von Cystein in pot. toxischen Mengen beim Menschen führen kann. Ist diese Hypothese also plausibel?

    Spoing, bei blonden Menschen ist das Eumelanin i.d.R. weniger konzentriert eingelagert, aber Phäomelanin kann(!) auch eine Rolle für die genaue “Note des Teints” 😉 legen. Entscheident ist also das Verhältnis der beiden Pigmente so wie die absolute Konzentration. Und blode Haare gehen zwar in unseren Breiten auch meist mit heller Haut einher, aber so muß es nicht immer sein – es kommt sehr genau auf die betroffenen Allele an und für welche Körperpartien sie regulieren.

    HTH
    Christian

  5. #5 Stefan W.
    demystifikation.wordpress.com
    30. Januar 2013

    Hautkrebs ist aber eine Alterskrankheit, oder? Die eintritt, wenn die Menopause erreicht und die Kinder selbständig sind, zumindest i.d. Steinzeit, so dass die Krankheit kein Nachteil mehr wäre.

  6. #6 inga
    31. Januar 2013

    @Stefan W.: Naja, aber zum Nachwuchszeugen gehören auch Männer. Und die bleiben ja mehr oder weniger lebenslang zeugungsfähig. Wenn die rothaarigen Männer früher sterben, ist das daher schon ein Nachteil für die Fortpflanzung.

  7. #7 Stefan W.
    demystifikation.wordpress.com
    31. Januar 2013

    @inga: Wenn man über evolutionäre Vor- und Nachteile spricht, dann spricht man über viele Generationen, nicht über ein paar, oder? Und wir reden hier über Vor-Bronzezeit-Zeitalter?

    Ich bin nicht vom Fach, aber wie haben die Menschen damals zusammengelebt? Vornehmlich in Einehen? Würde ein alter Rothaariger, der schon über 50 ist, nicht viel riskieren, wenn er jüngeren Männern die Frauen ausspannt?

    Wieviele Nachkommen hatten damals die Menschen und in welchem Alter?

    Und reicht zum Nicht-Aussterben nicht, wenn man sich in jungen Jahren paarmal fortpflanzt? Es überlebt ja eben nicht “the fittest” sondern “the fit” – alle, die genügend angepaßt sind, nicht nur die bestangepassten.

    Wir sind auch nicht alle Usain Bolt, Herha Müller oder Dings Hawkins.

  8. #8 Frubbel
    31. Januar 2013

    Ein evolutionärer Vorteil ist nicht allein dadurch gegeben, dass das Individuum länger lebt. Auch das verbesserte Anlocken von Sexualpartnern ist wichtig. Entsprechende Runaway-Prozesse sind im Tierreich bestens dokumentiert. Ich würde mir also wünschen, dass dies zumindest als Option ebenfalls diskutiert wird (kann ja trotzdem sein, dass sich in der Diskussion rausstellt, dass ein solcher Prozess nicht vorliegt).

  9. #9 inga
    31. Januar 2013

    Ich habe jetzt mal nur die Menge an zur Verfügung stehenden Männern berücksichtigt. Und die dürfte unter Hautkrebsgefährdeten ja nun geringer gewesen sein als unter nicht Hautkrebsgefährdeten. Das Zusammenleben war höchstwahrscheinlich sehr unterschiedlich, die Einehe halte ich aber für eher unwahrscheinlich. Ich kann mir sowohl ein (womöglich älteres) Clanoberhaupt mit Exklusivrechten bei den weiblichen Stammesangehörigen vorstellen wie auch ein fröhliches Bäumchen-Wechsel-Dich. In beiden Fällen hätten Männer mit geringerer Lebenserwartung einen Nachteil. Es ist ja nun mal ein Fakt, dass sich tatsächlich in sonnigeren Gefilden eher Menschen mit dunkler Haut entwickelt haben. Könnte aber auch daran liegen, dass Leute mit hellem Hauttyp und ohne Sonnencreme in Äquatornähe nicht nur später mal Hautkrebs kriegen, sondern schon vorher immer hübsch im Schatten bleiben müssen und sich damit wohl beim Jagen und sammeln etwas schwerer tun. So ein Sonnenbrand macht ja auch nicht richtig Spaß…