Wir alle sind Zeitzeugen eines gigantischen Auffahrunfalls: Der indische Subkontinent rammt sich in die Flanke Asiens, und die Gipfel des Himalaya sind nichts anderes als die geologischen Knautschzonen:

Die bisherige Annahme war, dass dieser Aufprall vor etwa 50 Millionen Jahren begann (er dauert übrigens bis heute noch an). Doch neuere Messungen des Geologen Oliver Jagoutz und seiner KollegInnen vom Department of Earth, Atmospheric and Planetary Sciences am Massachusetts Insitute of Technology (= mein Arbeitgeber) haben gezeigt, dass dieser Aufprall zwischen Indien und Eurasien deutlich jüngeren Datums ist – er begann “erst” vor etwa 40 Millionen Jahren. Dies hat die Uni in einer Pressemitteilung bekannt gegeben; das Paper selbst wird in den Earth and Planetary Science Letters erscheinen.

Klar, nach menschlichen Maßstäben ist das eine unvorstellbar lange Zeit, und was machen da schon ein paar Millionen mehr oder weniger aus? Aber geologisch gesehen sind 40 Millionen Jahre nur eine kurze Episode in den 4,6 Milliarden Jahren, die unsere Erde schon besteht – auf eine menschliche Lebensspanne von, sagen wir mal, 80 Jahren umgerechnet entspräche das etwa acht Monaten. Und so ganz abwegig war die bisherige Annahme, dass die kontinentale Karambolage vor 50 Millionen Jahren begann, auch nach Jagoutz’ Analyse nicht; anhand der Gesteinsformationen im Himalaya konnte er rekonstruieren, dass sozusagen ein “drittes Fahrzeug” in den Crash verwickelt war: Ehe die indische Landmasse auf Eurasien prallte, kollidierte sie mit einer vorgelagerten Inselkette. Dieser Vorgang begann demnach vor etwa 50 Millionen Jahren; es dauerte aber weitere zehn Millionen Jahre, bis dieser “Serien-Auffahrunfall” das eurasische Festland erreichte.

Nachweisen ließ sich der Beginn der Kollision durch Messungen bestimmter Neodym- und Hafnium-Isotope, die in den Mineralien angereichert sind, die wiederum als charakteristische Begleiterscheinung solcher kontinentaler Zusammenstöße gebildet werden. Dabei fanden die MIT-GeologInnen heraus, dass am südlichen Rand der “Knautschzone” diese Isotope Mineralien (denen sie in mehr als 3000 Zirkonkristallen nachgespürt hatten) in der Tat vor etwa 50 Millionen Jahren gebildet wurden – am nördlichen Rand hingegen (= “vorne”) jedoch um zehn Millionen Jahre jünger datierten. Daraus leiten sie ihr Modell der Serienkarambolage ab.

Eine “weltbewegende” Erkenntnis, im wörtlichen Sinn. Denn je nach Aufprallszenario ergibt sich eine andere Annahme der ursprünglichen Landmasse des Subkontinents; je nach Tempo und Dauer wäre inzwischen mehr oder weniger davon unter die erasische Platte gerutscht.

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Kommentare (6)

  1. #1 wereatheist
    Nitpickia
    6. Februar 2013

    Bei Kontinantalkollisionen werden garantiert keine Isotope gebildet (das passiert nur in Supernovae), wohl aber Mineralien, die radioaktive Isotope enthalten, die dann zur Bestimmung des Alters der Mineralien dienen.

  2. #2 Alexander
    6. Februar 2013

    Nachweisen ließ sich der Beginn der Kollision durch Messungen bestimmter Neodym- und Hafnium-Isotope, die als charakteristische Begleiterscheinung solcher kontinentaler Zusammenstöße gebildet werden.

    Dieser Satz ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit falsch. 😉 Es wurden zwar Isotopenverhältnisse bestimmt. Aber diese Isotopen werden nicht durch tektonische Ereignisse “gebildet”, sondern lediglich die relativen Häufigkeiten verschieben sich. Ist in der Pressemitteilung auch so beschrieben. Was mir allerdings fehlt: warum verschieben sich denn die Häufigkeiten?

  3. #3 Jürgen Schönstein
    7. Februar 2013

    Das war mein Flüchtigkeitsfehler (anstatt noch einmal Gegenzulesen, hatte ich den Text schnell noch abgeschickt, weil ich in eine Vorlesung musste 🙁 ) – die Rede ist, wie in beiden Kommentaren korrekt kritisiert, von den Mineralien, die sich beim Aufprall gebildet hatten und in denen sich die Isotope in charakteristischer Weise angereichert hatten. So weit ich das aus der Pressemitteilung entnehmen kann, wurde diese Indikatorfunktion der Mineralien nicht von den MIT-Forschern entwickelt, sondern sie haben dabei eine Methode gewählt, die bereits in der Fachliteratur (am Beispiel Australien) zu finden war. Datiert wurde also nicht die Entstehung und/oder das Alter der Isotope, sondern das Alter der Mineralien (Zirkone).

  4. #4 Steffmann
    7. Februar 2013

    @wereatheist

    Bei Kontinantalkollisionen werden garantiert keine Isotope gebildet (das passiert nur in Supernovae), wohl aber Mineralien, die radioaktive Isotope enthalten, die dann zur Bestimmung des Alters der Mineralien dienen

    Ok, ich weiss, warum du “das” behauptest. Die besprochenen Isotope können sich nunmal nur unter extremen Bedingungen bilden. Aber hast du schonmal eine Plattenkollision beobachtet ? Weisst du du wirklich, dass die Kräfte nicht für eine Isotopen-Bildung ausreichen ? Noch nicht mal hypothetisch ?

    Nur mal so in den Raum gestellt, weil ich es wirklich nicht besser weiss.

  5. #5 Alexander
    7. Februar 2013

    Hallo Steffmann, wereatheist hat völlig recht. Natürlich steckt in einer Plattenkollission in SUMME eine gewaltige Energiemenge. Aber verteilt auf alle beteiligten Atome ist das weit weit weg von den Energien die nötig sind, um Kernreaktionen auszulösen. Das bisschen Druck und Temeperatur, die hier auf der Erde bei welchen Prozesse auch immer entstehen, sind den Atomkernen völlig egal.

  6. […] Geologisch: Aufprall von Kontinentalplatten zwischen Indien und Eurasien war wohl ein Auffahrunfall. […]