Vor einigen Tagen hatte sich mein Blogger-Kollege Georg Hoffmann bei Primaklima sehr deutlich zum Thema Studiengebühren geäußert. Aus meiner amerikanischen Perspektive sieht das Thema natürlich ganz anders aus: Hier sind saftige Studiengebühren der Normalfall – pro Studienjahr muss ein Student beispielsweise an einem der staatlichen Colleges in Massachusetts runde 20.000 Dollar hinblättern (wobei hierin allerdings die Unterbringung und Verpflegung für das Studienjahr enthalten sind); an einer der “besseren Hochschulen” (mehr dazu übrigens aktuell bei Tobias Maier in WeiterGen), wie beispielsweise Harvard, sind in den neun Monaten des Studienjahres sogar mehr als 60.000 Dollar fällig. Das Massachusetts Institute of Technology, an dem ich unterrichte, knöpft seinen Studenten pro Studienjahr (das, wie schon angedeutet, nur neun Monate, von Anfang September bis Ende Mai dauert) dagegen den relativen “Schnäppchenpreis” von 56.242 Dollar im kommenden Jahr ab.
Trotzdem habe ich nicht das Gefühl, an einer Elite-Universität zu lehren, die nur den Sprösslingen reicher Familien zugänglich ist. Wie viele andere dieser prinzipiell teuren Hochschulen auch (ich weiß dies beispielsweise aus einem Gespräch, das ich vor vielen Jahren schon mal mit dem Yale-Präsidenten Richard Levin geführt habe), hat das MIT ein Stipendienprogramm, das den Besuch der Hochschule von den finanziellen Möglichkeiten der Familien unabhängig machen will; Familien mit einem Jahreseinkommen von weniger als 75.000 Dollar (derzeit also, umgerechnet, knapp 4800 Euro monatlich) werden die reinen Studiengebühren – die immerhin 77 Prozent der Gesamtkosten ausmachen; der Rest sind die Kosten für Unterkunft und Verpflegung (im Untergraduierten-Studium, also bis zum Bachelor, sind die Studenten verpflichtet, auf dem Campus zu leben und die Kantinen zu benutzen) – in vollem Umfang erlassen. Ein volles Drittel der MIT-Studenten (womit, wie immer, die “Undergraduates” gemeint sind, also diejenigen, die nach vier Jahren mit einem Bachelor-Abschluss abgehen werden) fällt in diese Kategorie; ein weiteres Drittel der insgesamt 4503 Studenten erhält zumindest einen Teil der Studiengebühren erlassen. Insgesamt wird das MIT im kommenden Jahr für diese Studienbeihilfe 97,6 Millionen Dollar ins Budget schreiben.
Wobei, zugegeben, das MIT ein Sonderfall selbst nach amerikanischen Maßstäben ist: Es finanziert sich nur ganz am Rande durch diese Studiengebühren, die gerade mal neun Prozent der Einnahmen ausmachen. Das meiste Geld stammt direkt aus Forschungsmitteln, und ein nicht unerheblicher Teil dieser Mittel wiederum vom Militär (was hier schon mal anekdotisch zur Sprache kam). Und dank dieser Forschungsaufträge, sowie anderen Einnahmequellen, kann das MIT sogar einen Überschuss in Höhe von 245,7 Millionen Dollar verbuchen – mit anderen Worten: Es könnte sich vermutlich sogar leisten, gänzlich auf die Studiengebühren zu verzichten, und wäre immer noch solide finanziert.
(Quelle)
Aber hier will ich den Ball, den Georg provozierend in die Runde geworfen hat, mal weiter spielen: Würde ein MIT, das keine Studiengebühren verlangt, den gleichen Status haben? Würde eine solche Gratis-Hochschule die gleichen Studenten anziehen? Und wenn nicht, würde diese Hochschule dann noch die gleiche Attraktivität für Forschungsaufträge haben? Letzteres kann ich zumindest schon einmal beantworten: Nein. Oder ist jemand anderer Meinung?
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