Stellt Euch vor, Ihr wärt Entomologen (Insektenforscher, um es simpler auszudrücken), und Ihr würdet eingeladen, Eure Arbeit auf der Konferenz Entomology 2013 zu präsentieren. Ist ja eine sehr angesehene Veranstaltung, also definitv eine Ehre. Der Haken ist: Es handelt sich gar nicht um die Jahrestagung der Entomological Society of America, sondern um Entomology-2013 (mit Bindestrich!), eine kommerzielle Veranstaltung (ich vermute mal, diese hier ist gemeint; bin mir aber nicht sicher – dazu gleich mehr) – und präsentieren darf hier jeder, der sich dazu meldet vorausgesetzt, er/sie zahlt dafür. Dieses Phänomen, das sich – leider – auch hinter dem Open-Access-Ideal verbirgt, ist der New York Times heute eine Coverstory wert: Scientific Articles Accepted (Personal Checks, Too). Das Problem ist nämlich, dass diese kommerziellen Produkte (Journale und Konferenzen mit täuschend “echten” Titeln) zwar tatsächlich nach den Prinzipien von CreativeCommons operieren – sich aber dafür dann von den AutorInnen bezahlen lassen. Irgendwo muss der Profit ja herkommen.

Leider enthält der NYTimes-Artikel nicht den Link zu der “gefälschten” Entomologen-Konferenz; ich habe selbst nur den obigen Link mit der Bindestrich-Version finden können, allerdings keine Preisliste auf der dazu gehörenden Website gefunden. Doch andererseits wird diese Konferenz als ein “Service” für die Teilnehmer (auch die Vortragenden) angepriesen, was eine kommerzielle Komponente schon plausibel macht. Die New York Times zitiert hierzu den Stanford-Professor Steven Goodman, der dieses Vorgehen als “die dunkle Seite von Open Access” bezeichnet. Und die Beispiele für Missbrauch dieser Strategie, die das Blatt zitiert, sind beeindruckend.

Aber mich beschäftigt eher die Frage, ob dies alles dazu dienen soll, Open Access zu diskreditieren? Ob damit dem Leser/der Leserin suggeriert werden soll “Seht, das passiert, wenn man nicht für den Zugang zu den Informationen bezahlen will”? Denn eigentlich ist ja nicht der Open Access das Problem, sondern der Etikettenschwindel – die Tatsache, dass Konsumenten etwas vorgetäuscht wird (Konferenzen/Journale, deren Inhalte nach strengsten Maßstäben akademischer Qualität ausgesucht wurden), was sie dann gar nicht bekommen werden. Und dieses ausbeuterische Spiel ist lukrativ nur möglich, so lange es keinen echten “Open Access” zu den einschlägigen anerkannten Journalen gibt.

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Kommentare (12)

  1. #1 Thilo
    8. April 2013

    Es ist für die Organisatoren einfach eine Möglichkeit, Geld zu machen. Und die Teilnehmer zahlen sicher nicht selbst, sondern rechnen die Kosten bei ihren Instituten ab. Wer bei anderen Konferenzen nicht (als Sprecher) eingeladen wird, kann so auf Steierzahlerkosten den CV aufhübschen.

  2. #2 Nils
    8. April 2013

    Das ist wirklich eine ganz neue Form von Spam. Ich bekomme in letzter Zeit häufig Einladungen zu fiktiven Konferenzen oder werde eingeladen, in fiktiven Zeitschriften zu publizieren. Häufig so etwas wie eine “Cancer Research Special Issue.” Ich überlege noch, wie ich das mit meiner Mottenforschung in Verbindung bringen kann …

  3. #3 Hanno
    8. April 2013

    Es gibt ein Blog, das sich regelmäßig mit solchen Tendenzen ausseinandersetzt, das ist ganz spannend zu lesen:
    https://scholarlyoa.com/

    Neben den Fake-Journalen, die nur aufs Geldmachen angelegt sind, gibt es ja noch eine andere Tendenz: Journale, die von Leuten mit abseitigen/pseudowissenschaftlichen Thesen gemacht werden, damit sie auch mal behaupten können, in einem Peer Review-Journal geschrieben zu haben (was auch immer Peer Review dann im Einzelfall heißt). Mein Favorit: Es gibt ein “Journal of High Dilution Research”.

    Ich würde das Thematisieren jetzt auch nicht als Kritik an “Open Access” an sich auffassen – aber als Aufruf an die Open Access-Publisher, sich mit diesem Problem ausseinanderzusetzen. Denn natürlich kann mehr oder weniger jeder, der eine Webseite aufsetzen kann, ein OA-Journal gründen. Die spannende Frage lautet ja: Wie kann in so einem Umfeld Vertrauen entstehen? “Klein und unbekannt” muss ja beispielsweise nicht unbedingt “unseriös” heißen, es kann ja auch sehr spezialisierte Journale geben, die gute Wissenschaft betreiben.

  4. #4 RainerM
    9. April 2013

    Da geht’s nicht darum dass Konsumenten/Leser getäuscht werden, weil es bei diesem Geschäftsmodell nicht mal nötig ist, dass überhaupt Leser existieren! Es geht darum, Autoren zu täuschen und zu betrügen!

    Das Geschäftsmodell dieser Fraud-Journale basiert darauf, dass bei OA der Autor zahlt, und zwar im Voraus einen Fixpreis unabhängig von der Auflage/Anzahl der Downloads, geschweige denn der tatsächlichen Zahl der Leser. Gleichzeitig sind die Produktionskosten für e-only-OA-Publikationen denkbar gering. Bis hierher ist das auch bei grossen OA-Journals wie PLOS ONE so und völlig in Ordnung. Die Betrüger jedoch greifen nur das Geld ab und erbringen keine Gegenleistung. Stattdessen produzieren sie grauenhaft schlechte, kaum überarbeitete paper ohne erkennbaren review, was aber ihre Umsätze erstmal nicht mindert.

    Manche dieser Journals veröffentlichen sogar alte Paper aus den gekaperten Vorbildern als neu – macht keine Arbeit, merken die Opfer sowieso erst wenn’s zu spät ist, und gibt ne schöne volle Liste “eigener” Veröffentlichungen. Das geschieht aber gewissermassen nur zur Tarnung, um den Eindruck einer Fachzeitschrift aufrechtzuerhalten. Solange es potentielle Autoren gibt, die nicht allzu genau hinschauen und den Köder schlucken, solange läuft das Geschäft.

    Jeffrey Beall, der auch in der NYT genannt wird, hat einen Blog nur zu diesem Thema, der alle gängigen Tricks der Betrüger offenbart.

    Das ganze ist im Wesentlichen kriminell, und die OA-Idee wird zum Opfer gemacht. Ich sehe nicht, wie man damit OA diskreditieren könnte, selbst wenn man wollte.

  5. #5 CM
    9. April 2013

    Das ist weder neu (solche Mails erhalte ich schon seit einigen Jahren) noch unklar: Meist zeigen schon die Homepages der Fake-Journale/Konferenzen, dass die wissenschaftliche Reputation der Konferenzen & Journale gegen 0 tendiert, während die Kosten nicht gering sind.

    Soweit auch in diesem Thread-Post nichts Neues. Wie aber soll man damit umgehen? Meine persönliche Strategie ist zu fragen: Habe ich Lust / Bedarf an einer Konferenz / einer Publikation? Dann suche ich mir halt unter den Bekannten und naheliegenden Etwas heraus. Funktioniert prima. Und da OpenAcess auch schon länger auf meinem Schirm ist und ich nicht so “umtriebig” wie manch andere (mein Maximum waren 4 Paper & 3 Konferenzen in einem Jahr – werde ich wahrscheinlich nie mehr toppen), fällt es auch nicht unter den Tisch.

    Gefährlich sind solche “Angebote” in meinen Augen eigentlich nicht. Mir stellt sich allerdings die Frage, ob diese Einschätzung stimmt: “Most people don’t know the journal universe,” Dr. Goodman said. “They will not know from a journal’s title if it is for real or not.”? Gibt es das Potential mehr als einmal drauf reinzufallen? Werden Neulinge etwa nicht durch die Kollegen in den Arbeitsgruppen geschützt? (Natürlich gibt es in der Wissenschaft eine Reihe von Möchtegerns – aber denen ist in mehrfacher Hinsicht ohnehin nicht zu helfen.)

    Gruß,
    Christian

  6. #6 Andreas
    9. April 2013

    Das ist der gleiche Besch… wie er mit dem – teuren – Nachdruck gemeinfreier Werke getrieben wird.

  7. #7 werner
    9. April 2013

    @Hanno: “Journal of High Dilution Research” : Die Fachzeitschrift der Homöopathen ?

  8. #8 Sven Türpe
    9. April 2013

    Die Betrüger jedoch greifen nur das Geld ab und erbringen keine Gegenleistung.

    Betrug ist es nur, wenn sie Leistungen zusichern, die sie nicht zu erbringen beabsichtigen. Andernfalls handelt es sich lediglich um ein Dienstleistungsangebot, das Nachfrager annehmen können oder auch nicht. Wissenschaftler dürften in aller Regel mit der Abwicklung einfacher Alltagsgeschäfte keine Schwierigkeiten haben.

  9. #9 threepoints...
    11. April 2013

    Zitat:

    “Und dieses ausbeuterische Spiel ist lukrativ nur möglich, so lange es keinen echten “Open Access” zu den einschlägigen anerkannten Journalen gibt.”

    -> Ja, man weiß nicht gleich auf Anhieb, was positiv und negativ an einer Idee und seiner Kritik ist.

    Zu dem Thema Open Acces ist mir mal das hier ins Auge gestoßen:

    Robert B. Laughlin
    Das Verbrechen der Vernunft – Betrug an der
    Wissensgesellschaft

    https://www.suhrkamp.de/buecher/das_verbrechen_der_vernunft-robert_b_laughlin_26002.html

    Darin wird wohl auch Philosophiert, ob und was wer wann wissen dürfen sollte – um die Sicherheit und den Rechtsstaat zu bewahren.

    Angesichts solcher Fragestellungen empfinde ich etwa “Wissen” über Homöophatie geradezu harmlos und ungefährlich. Wir wissen doch: Mit einer Überdosis Globuli kann man sich selbst oder andere nicht Schaden…!? Da gibt es ganz andere Beispiele, womit man doch schaden verursachen kann.

    Zitat aus der Inhaltsbeschreibung:

    “Ob es um Atomphysik geht, um Gentechnik oder Computerprogramme – der Physiknobelpreisträger Robert B. Laughlin enthüllt in seinem Essay die Mechanismen der Geheimhaltung von Wissen und zeigt anhand von vielen Beispielen, daß bald ein neues Dunkles Zeitalter beginnen könnte, dessen Kennzeichen nicht Information und Wissen sind, sondern Desinformation und Ignoranz.”

    -> Und das hört sich genau so an, als ob die oben so genannte “dunkle Seite von Open Access” stereotyp gesehen genau dies zu leisten in der Lage wäre.

    Und angesichts der besonderen Sicherheitsbedenken im Buch hätte eine solche Praxis (und die damit verbundene Wissensvermittlung mutmaßlich nicht verlässlichen Wissens) dann doch eine “gute Seite”…. nicht wahr?

  10. #10 Basilius
    11. April 2013

    @threepoints…

    Angesichts solcher Fragestellungen empfinde ich etwa “Wissen” über Homöophatie geradezu harmlos und ungefährlich. Wir wissen doch: Mit einer Überdosis Globuli kann man sich selbst oder andere nicht Schaden…!?

    Da weißt Du leider falsch.
    Das geht mit Homöopathie zwar nicht direkt, aber über den Mechanismus der Therapieverschleppung oder gar -verweigerung können Eltern nur sich selber, sondern z.B. auch ihren eigenen Kindern so sehr schaden, daß es unnötige Tote geben kann.
    Und das wissen wir, weil leider schon tatsächlich passiert.

  11. #11 Basilius
    11. April 2013

    Uärks!
    Da fehlt ein “nicht”. So wäre das gemeint gewesen:
    … können Eltern nichtnur sich selber, sondern z.B…

  12. #12 Basilius
    11. April 2013

    … und jetzt fehlt noch ein Leerzeichen…*seufz*
    Das korrigiere ich jetzt aber nicht mehr. Am Ende verschlimmbessere ich das nur noch mehr.