Eigentlich hatte ich hier ja angekündigt, nicht durch jeden Reifen zu springen, den man mir hinhält. Andererseits fürchte ich, dass durch aufgeblasenes Ventilieren das eigentliche Problem längst in einer “sprachreformerischen” Selbst-Gefälligkeit verpufft ist: Wie lässt sich erreichen, dass Frauen beruflich und gesellschaftlich Männern in jeder Hinsicht gleichgestellt werden? Um mal die Position, die mir als der oben erwähnte “Reifen” hingehalten wird, etwas verkürzt darzustellen (was dem Vertreter (!) dieser Position dann wieder die Gelegenheit geben wird zu dementieren, dass dies eigentlich seine Position sei etc. etc. und die Diskussion sich dann wie das Riesenrad einer Galaxie weiter im scheinbar unendlichen Kreise drehen kann): Indem wir so tun, als ob es keinen Unterschied zwischen Frauen und Männern gäbe. Wohlgemerkt: Dabei geht es offenbar nicht darum festzustellen, dass es keine Unterschiede in der Qualifikation gibt – darüber, dass es in der Fähigkeit, vermeintliche “Männer”-Berufe auszuüben, keine Geschlechterunterschiede gibt, habe ich in meinem Blog schon oft genug geschrieben (hier, beispielsweise) und mir damit dann auch immer wieder mal eine blutige Nase geholt. Sondern dass es einfach keine Unterschiede zwischen Mann und Frau gibt. Punkt. Wollen wir nichts darüber wissen. Schafft am besten gleich die Genus-Information der Sprache (das “er” und das “sie”) ab, denn die sei das Problem.
Darauf hatte ich geantwortet, dass dies einer Diskriminierung durch Unsichtbarkeit gleich käme. Aber die Gegenposition hier war, dass es ja schließlich auch keine grammatische Endung für Rassen gäbe, warum also eine für Geschlechter?
Tja, und diese Frage sollte eigentlich schon im Sexualkunde-Unterricht (auf)geklärt worden sein. Aber ich verrate es noch einmal: Weil Rassen ein willkürliches und eingebildetes Differenzierungsmerkmal sind – der Unterschied zwischen männlich und weiblich hingegen ist biologisch und real. Wie gesagt: Das heißt genau nicht, dass der Unterschied weiter geht als bis zur Sexualität, also dem Paarungs- und Fortpflanzungsverhalten – aber er hat reale Folgen im Umgang zwischen den Geschlechtern, die sich nicht einfach verleugnen lassen, ohne das Problem zu erschweren.
Ich schildere es mal gleich am praktischen Beispiel: Was muss sich ändern, wenn eine Firma, die bisher nur Weiße beschäftigt hat, nicht mehr gegen Schwarze dskriminieren will? Das ist im Prinzip ganz einfach: Sie muss anfangen, Schwarze einzustellen und sie arbeitsrechtlich und in der Bezahlung gleichwertig zu behandeln. Aber was muss eine Firma tun, die bisher nur Männer beschäftigt hat, wenn sie Frauen einstellen soll? Sie muss eine Menge neuer Dinge schaffen: Zum Beispiel neue Wasch- und Umkleideräume für Frauen, sie muss sich mit der Vorstellung auseinandersetzen, dass die neuen Mitarbeiterinnen schwanger werden oder Mütter sein können, also Mutterschutz und Stilzeiten fordern können, sie muss den Männern (leider ist das immer noch so) klar machen, dass Sexismus nicht toleriert werden kann etc. – und das ist auch richtig so. Nochmal: Genau so soll es auch sein. Aber das geht eben nicht, wenn man so tut, als brauche man den Unterschied zwischen Männern und Frauen erst gar nicht wahrzunehmen.
Das US-Militär ist ein sehr drastisches Beispiel dafür, dass diese scheinbare Gleichstellung – die ja nichts daran ändert, dass das Männliche hier die Norm ist – die Frauen drastisch benachteiligt. (Beweis? Bitteschön!) Wenn eine Frau es bis zum Admiralsrang schafft, dann sicher nicht, weil sie eine Frau ist, sondern eher obwohl sie eine Frau ist. Es ist also falsch zu behaupten, dass ihre Femininität nichts mit ihrer Karriere und ihrer Position zu tun hat.
Die Forderung “ich will halt nicht wissen müssen, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelt”, ist eine sehr bequeme Forderung, die sehr leicht dahingehend extrapoliert wird, dass man außer dem Pronomen und (im Deutschen zumindest) der Genus-Beugung eigentlich gar nichts ändern müsse. So wie die selbstgerechte Behauptung, man sei “farbenblind” (also nicht rassistisch), zumeist einem zutiefst empfundenen Unverständnis vorangeht, warum man beispielsweise solche Förderprogramme wie Affirmative Action noch brauche. Chancengleichheit besteht nicht darin, Unterschiede zu ignorieren (egal, ob sie nun biologisch oder sozial bedingt sind), sondern die Nachteile, die aus solchen Unterschieden entstehen, aufzufangen und auszugleichen. Und das erfordert halt erst mal, dass man sich dieser Unterschiede bewusst bleibt. So wie man ja auch Fehler nicht einfach durch ignorieren beheben kann – auch wenn das oft so viel bequemer scheint.
Kommentare (54)