Für eine Diskussion über Schusswaffen gibt es aktuell keinen konkreten Anlass – also ist jetzt, vermute ich mal, genau der richtige Zeitpunkt, darüber zu diskutieren (denn immer, wenn es einen realen und zumeist tragischen Anlass gibt, wird die Diskussion gerne mit “jetzt ist nicht die richtige Zeit” abgebügelt*). Meine Anregung entstammt einem großen Titelseiten-Artikel der New York Times vom Dienstag: Gun Makers Saw No Role in Curbing Improper Sales. Der Inhalt selbst ist eigentlich ein alter Hut: Vor einem Jahrzehnt argumentierten die Topmanager der amerikanischen Feuerwaffen-Hersteller vor einem Kongressausschuss in Washington dafür, dass sie nicht für illegale Verkäufe ihrer Produkte haftbar gemacht werden dürften – ein Gesetz aus dem Jahr 2005 hat ihnen diesen Haftungsausschluss dann auch gewährt. Was den Waffenproduzenten in einem Land, das Produkthaftung als Kulturgut ansieht und wo nahezu jede(r) jede(n) für irgendein tatsächlich oder vermeintlich erlittenes Unrecht verklagen kann, in der Tat eine rechtliche Sonderstellung einräumt. Die Protokolle dieser Anhörungen wurden nun veröffentlicht, was die Basis des NYTimes-Artikels lieferte.
Aber um die Frage strengerer Waffengesetzgebung (wahlweise in den USA oder in Deutschland) soll es heute mal gar nicht gehen. Es geht mir heute eher um eine semantische und logische Debatte, die durch den Spruch angestoßen wird, mit dem der damalige Geschäftsführer (President) der Firma Taurus International MFG, Inc., Robert Morrison, gegen eine Schusswaffenkontrolle argumentierte: Auf die Frage, ob es denn nicht eine Gefahr für die Öffentlichkeit darstelle, wenn Waffen in die falschen Hände geraten, antwortete er: “I think we believe that the guns don’t pose any risk at all. It’s the people that are using them that pose the risk.” Es ist das alte Argument, dass nicht die Waffe selbst gefährlich ist, sondern der Mensch, der sie ge- oder missbraucht: “Guns don’t kill people, people kill people.” Und diesem Argument wird ja eifrig Beifall gezollt, auch hier bei meinen eigenen Einträgen zur Waffenepidemie. Klingt ja auch erst einmal plausibel: So lange niemand sie anfasst, sind die meisten Waffen ziemlich harmlos.
Meine erste Überlegung dazu ist: Wäre es möglich, eine “Waffe” (dies beschruankt sich ausdrücklich nicht auf Schusswaffen) auch dann noch als Waffe zu definieren, wenn es keine Menschen gäbe, die sie benutzen könnten? Mit anderen Worten: Was, wenn nicht der Gebrauch, macht eine Waffe überhaupt erst zur Waffe? Die Interaktion des Benutzers mit dem Gegenstand würde demnach zur ontologischen Struktur der Waffe gehören – eine Dichotomie, hier Mensch, da Waffe, wäre nach dieser Betrachtungsweise absurd. Genauso, wie ein Antrag nur dann ein Antrag ist, wenn ein Mensch ihn tatsächlich stellt, oder ein Parkplatz erst dann zum Parkplatz wird, wenn es Autos gibt, die man darauf abstellen kann. Wenn man aber die Waffe nicht als etwas beschreiben kann, das unabhängig vom menschlichen Handeln existiert (denn dann wäre es nur ein merkwürdig geformtes Stück aus verschiedenen Metallen und Kunststoffen), dann ist das Argument, dass die Waffe ohne den Menschen ja harmlos sei, ein Scheinargument: Es ist das Wesen einer Waffe, in die Hände von Menschen zu gehören.
Die zweite Überlegung ist viel simpler: Warum soll “nicht Waffen töten, sondern Menschen töten” als Argument dagegen dienen, dass Waffen an Menschen ausgehändigt werden dürfen? Wenn Menschen – mit Waffen, versteht sich – töten, dann ist es einfach zwingend, diesen Transfer von Waffen strengstens zu reglementieren und zu verhindern, dass eben jene (angeblich so harmlosen) Waffen in die Hände solcher Personen fallen, die sie dann zum Töten verwenden. Mit anderen Worten: Wer sich der Maxime “Guns don’t kill people, people kill people” anschließt, der muss eigentlich zwingend strengere Waffenkontrollgesetze fordern.
Und das führt nun zu meiner dritten Überlegung: Wenn ich überzeugt bin, dass Waffen nur dann gefährlich werden, wenn sie in die (falschen?) menschlichen Hände gelangen, und wenn ich dennoch alles daran setze, dass jegliche Enschränkung des Rechts, die Waffen in eben jene (falschen?) menschlichen Hände zu geben – dann setze ich mich also dafür ein, dass Menschen andere Menschen töten sollen/können/dürfen/müssen. Dann leiste ich Beihilfe zum Töten.
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