Die mehr als 10-stündige Rede, mit der die demonkratische Senatorin Wendy Davis im Kapitol von Austin eine von der republikanischen Mehrheit geplante Verschärfung des Abtreibungsrechts in Texas vorerst verhindern konnte, hat auch in Deutschand Schlagzeilen gemacht – und damit der aus deutscher Sicht bisher eher obskure Taktik des Filibusters eine sicher bisher ungeahnte Prominenz verliehen. Wer mehr über diese Filibusterei wissen will (der Begriff geht offenbar auf eine Verballhornung des Wortes “Freibeuter” zurück; die direkte Wurzel ist wohl die spanische Version filibustero), kann hier bei Wikipedia in vielerlei Details nachlesen. Ich beschränke mich hier mal auf das Wesentliche.
Im Kern ist es eine Verschleppungstechnik, die sich auf die Redefreiheit der Politiker – vor allem der Senatoren – stützt. Die Aktion von Wendy Davis war in der Tat nicht weniger als eine sportliche Höchstleistung: Die texanische Senatosrdnung schreibt vor, dass die Rede nicht unterbrochen werden darf – auch nicht für einen Schluck Wasser, einen kurzen Snack, oder für einen schnellen Gang zur Toilette – und dass sie nicht vom Thema abschweifen darf. Mit Hilfe bequemer Schuhe, einer Art von Stützkorsett und sehr viel Ausdauer hatte die Politikerin sich zum Ziel genommen, ihre Redezeit so weit auszudehnen, dass es vor Null Uhr am 26.6.2013 zu keiner Abstimmung kommen könnte – denn genau um Mitternacht war diese legislative Sitzung zu Ende.
Mit den Details dieser Dauerrede, den Versuchen der Republikaner, sie zu Torpedieren; den Tricksereien, die dann letzlich zu späte Abstimmung erst mal durchzuziehen und für legal zu erklären; und dem Rückzieher den der repubikanische Senatspräsident und Vizegouverneur David Dewhurst am Ende dann doch machen musste, werde ich mich hier nicht weiter auseinander setzen – das war in den deutschen Medien gewiss schon ausgiebig nachzulesen.
Mir ist hier vor allem wichtig zu erklären, dass diese Art des Filibuster genau nicht jene ist, mit der im Bundes-Senat de facto eine 60-Prozent-Mehrheit zum Standard aller politischer Abstimmungen wurde. Oder besser gesagt: Nicht mehr. Vor allem die Endlosreden der Senatoren Robert Byrd und Strom Thurmond sind zwar noch Stoff parlamentarischer Legenden, aber mit einer entsprechenden Mehrheit war es schon immer möglich, dem Dauerredner per Votum das Wort abzuschneiden – ein (kurzer) Prozess, der als Cloture bezeichnet wird. Seit 1975 liegt diese Mehrheit im US-Senat bei 60 von 100 Stimmen. Eigentlich ganz praktisch; doch der Nebeneffekt diese Cloture ist, dass sich die Senatoren nun gar nicht mehr die Mühe machen, Abstimmungen langatmig zu filibustern – statt dessen drohen sie damit, es zu tun – und dann werden schnell die Stimmen gezählt, ob es eine Cloture-Mehrheit gäbe. Und wenn nicht – was bei den aktuellen Sitzverhältnissen im Senat einerseits und den verhärteten Parteifronten andererseits, eher die Regel als die Ausnahme geworden ist – dann gilt die Abstimmung bereits als filibustiert.
Doch das heißt nichts anderes, dass im Senat praktisch jede Abstimmung nun eine 60-Prozent-Mehrheit braucht. Denn im Gegensatz zu Texas, wo der Filibuster einen echten und enormen körperlichen Preis fordert (man möge sich mal vorstellen, mehr als zehn Stunden auf der Stelle zu treten, ohne sich hinsetzen zu dürfen, und ohne eine Pause zu reden), ist er in Washington billig. So billig, dass die Zahl der Filibuster “explodiert” ist – zwischen 1920 und 1970 wurden insgesamt etwa 50 solcher Verzögerungsmanöver registriert; in der Senatsperiode 2005-2006 immerhin schon 34 – und spätestens seit Obamas Amtsantritt sind es typischer Weise deutlich mehr als 100 pro Jahr. In der Sitzungsperiode 2009-2010 war jede 5. Abstimmung des Senats ein Cloture-Votum.
Und warum lassen die Demokraten, die doch die Mehrheit im Senat haben, sich das gefallen? Ganz einfach: Weil sie es selbst kaum anders machen würden:
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