Das Gegenteil von gut gemacht, so sagt man, ist gut gemeint. Und gut gemeint sind die neuen Didaktischen Empfehlungen zu Diversität und Lehre der Freien Universität Berlin gewiss. Wie essentiell Diversität für die Studienkultur ist, erlebe ich ja am Massachusetts Institute of Technology im täglichen Umgang mit Studentinnen und Studenten; dass deutsche Unis sich darüber Gedanken machen, ist definitiv lobenswert. Dass dabei auch die Kategorie “Bildungshintergrund (Nicht-Akademiker Familien)” (der Koppelungsfehler bei den Nicht-Akademiker-Familien entstammt dem Original) gleich an erster Stelle steht, hat mich zwar spontan etwas stutzig gemacht, aber die Begründung hat dann schon wieder etwas Schlüssiges: Junge Menschen aus Familien, in denen bisher noch niemand einen akademischen Abschluss erreicht oder wenigstens ein Studium begonnen hat, seien auch heute noch stark unterrepräsentiert – lediglich 15 Prozent aller in Deutschland immatrikulierten Studentinnen und Studenten stammen aus, um’s mal schlichter zu sagen, Arbeiterfamilien.

Die Aufnahme eines Studiums ist hier oftmals ein Wagnis. Mangelnde finanzielle oder ideelle Unterstützung durch das Elternhaus, Vorbehalte gegenüber dem beruflichen Nutzen eines Studiums und Schwierigkeiten mit Konkurrenzdruck unter Studentinnen und Studenten können das Studium gravierend beeinträchtigen. Beispielsweise zweifeln Studentinnen und Studenten aus Nicht-Akademiker-Haushalten verstärkt, ob sie an eine Hochschule gehören bzw. dort akzeptiert werden und die entsprechenden Voraussetzungen für ein Studium mitbringen.

Stimmt, das Problem kenne ich. Mein Bruder, ein Cousin und ich waren die ersten in der gesamten großen Blue-Collar-Verwandschaft, die sich ans Gymnasium wagten (sollte ich hier mal erwähnen, dass die Verwandschaft wirklich riesig war – mein Großvater väterlicherseits hatte 17 Geschwister, meine Großmutter brachte noch einmal zwölf Großonkel und -Tanten mit). Und das Verständnis dafür war in einer reichen Industriestadt wie Schweinfurt, wo selbst einfache Fabrikarbeiter dank Landbesitz und sparsamem Lebensstil zumindest auf dem Papier zu Millionären werden konnten, auch eher unterentwickelt: Wozu studieren, wenn man mit 16 schon Geld verdienen kann?

Trotz BAFöG mussten meine Eltern (ohne Landbesitz, nicht vermögend, aber in der Industrie beschäftigt) noch kräftig zuschießen, damit ich mir das teure München als Studienort leisten konnte; bei zwei erwachsenen Söhnen, die ihnen auf der Tasche lagen, keine Kleinigkeit. An ein Auslandsstudium hätte ich da gar nicht zu denken gewagt, und so manche Exkursion – Pflichtveranstaltung im Geographiestudium – erforderte eine Menge an Planung und Rechnerei. Also klar, wenn die Uni ihr Diversitätskonzept auf die wirtschaftliche Lage der (ich sag’s mal noch härter) Unterschicht-Kinder ausrichtet und zum Beispiel darüber nachdenkt, wie auch weniger Betuchte an teure Lernmittel wie Laptops etc. rankommen können, dann soll mir das Recht sein.

Doch halt! Darum geht es ja gar nicht: Die didaktischen Empfehlungen sehen nämlich so aus:

Besser fördern und integrieren können Sie diese Studentinnen und Studenten, indem Sie

  • versuchen, Studentinnen und Studenten die Angst vor Redebeiträgen zu nehmen, sie zu Diskussionen ermutigen und jeden Redebeitrag – unabhängig von der Qualität – wertschätzen.in Ihrem Kurs eine Atmosphäre schaffen, in der es keine „dummen“ Fragen gibt.
  • Gruppenarbeiten fördern, da dort die Hemmschwelle für Redebeiträge geringer ist.
  • akademische Fach- und Fremdwörter unaufgefordert definieren.
  • eindeutige und transparente Anleitungen zur Vorbereitung und Durchführung von Prüfungen geben, ggf. in schriftlicher Form.
  • diese Studentinnen und Studenten an der Strukturierung der Stunde beteiligen.
  • Studentinnen und Studenten eine eventuelle Ehrfurcht vor der akademischen Welt nehmen.
  • sie zu Auslandsaufenthalten und weiterführenden Studien motivieren.
  • eine Beratung bei der Planung des Studiums (bspw. für die nächsten zwei Semester) anbieten.
  • die Studentinnen und Studenten bestärken, dass sie in der Hochschule genau am richtigen Ort sind, sich für das richtige Studienfach entschieden haben und über genügend Leistungsfähigkeit verfügen.
  • auf interne Angebote der Freien Universität zur Studienunterstützung verweisen (siehe Beratungsangebote).

Meinen die das ernst, oder ist da ein Aprilscherz (wenn auch ein schlechter) zum falschen Zeitpunkt freigeschaltet worden? Die Herablassung, die hier zum Ausdruck kommt, verschlug mir erst mal die Sprache. Glauben die wirklich, dass Arbeiterkinder dümmer sind – oder zumindest dümmer daher reden – als der Akademiker-Nachwuchs? Dass man mit denen behutsam umgehen muss, weil sie sich halt nicht so gut ausdrücken können? Dass man von ihnen erwarten muss, dass sie Fremdwörter nicht so ohne weiteres verstehen, und dass auch nicht so recht wissen, was eine Uni ist und wie man sich dort verhält?

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Kommentare (40)

  1. #1 Andreas
    28. Juni 2013

    Uups- mein erster Kommentar war im Verschwörungsgeplauder gelandet – obwohl, das passt auch irgendwie 🙂

    Als nochmal:
    siehe auch hier:
    https://www.heise.de/tp/artikel/39/39400/1.html
    oder hier:
    https://www.danisch.de/blog/2013/06/27/nachster-schritt-der-verdummung-der-hochschulen/
    oder hier:
    https://www.sueddeutsche.de/bildung/fu-berlin-nicht-akademiker-kinder-die-unbekannten-wesen-1.1707041

    Mir fehlt nur noch folgender Tip:
    – die Bananen schälen, bevor Sie sie anbieten

    P.S.
    Die Originalseite meldet inzwischen ein 404,
    hier ist ein – NOCH – funktionierender Link zum deutschen Text:
    https://www.polsoz.fu-berlin.de/studium/lehre/diversitaet_und_lehre/didaktische_empfehlungen/bildungshintergrund/index.html

  2. #2 s.s.t.
    28. Juni 2013

    Dieser Ansatz ist so etwas von daneben, wie er nur daneben sein kann. Grauslich. Vermutlich aus dem Bemühen entstanden, wo kann ich jetzt noch ganz schnell Jemanden finden, der benachteiligt/behindert wird. Ich hatte schon vor Deinem Eintrag diverse Zeitungsartikel dazu gelesen. Wenn man so mit ca. 18/19 an der Uni ankommt, lernt man eine Menge, vor allem von den diversen Kommilitonen

    Vorsicht Anekdote: Von den vier Söhnen meiner beider (unakademischen) Elter wurde einer Dipl.Ing., einer Dr.rer.nat. und einer Dr.med. Der vierte konnte sich übrigens auch nicht im Mindesten über sein spez. Facharbeiter-Einkommen beklagen. Bildung, vor allem Lesen, und weitere Kompetenz wurden allerdings von kleinauf gefördert. Ein TV-Gerät wurde erst beschafft, als das jüngste Kind so 18-20 Jahre alt war.

  3. #3 MartinB
    28. Juni 2013

    Also, so Dinge wie beratungen oder Hinweise zu Prüfungen biete ich auch Nicht-Arbeiterkindern an, die kann doch jeder Studi gebrauchen. Und Leute ermuntern, ins Ausland zu gehen oder weiterführende Dinge zu tun, tun wir auch ungeachtet des Hintergrundes (den man ja eh nicht kennt, woher auch – oder glaubt da einer, alle Arbeiterkinder laufen mit ner Bierflasche in der Hand rum…?)
    Sehr merkwürdig…

  4. #4 Jürgen Schönstein
    28. Juni 2013

    Falls mein Hinweis auf die “allgemeine Hochschulreife” so rüberkam, dass ich leugne, Studentinnen und Studenten könnten Probleme der geschilderten Art haben – so war’s nicht gemeint. Wenn Probleme in der Artikulation (aus Sprachgründen ebenso wie aus Schüchternheit oder anderen Sozialisationsproblemen) beobachtet werden, dann ist betreuende HIlfe nötig, unabhängig vom sozioökonomischen Status des Elternhauses. Und mehr Beratung in Studienfragen wird gewiss niemandem (!) schaden. Aber die Annahme, dass Arbeiterkinder typischer Weise “dumme Fragen” stellen oder eine anderweitig verminderte Sprachkompetenz besitzen, ist grenzenlos absurd. Sie impliziert, dass Arbeiterkinder ein anderes, nämlich weitaus weniger anspruchsvolles, Abitur gemacht haben als die Kinder aus Akademiker-Haushalten. Wie das gehen soll, ist mir schleierhaft. Oder habe ich da etwas verpasst?

  5. #5 Unruheherd
    29. Juni 2013

    Da wünsche ich mir gleich eine Förderung in Höhe von 60 Credits, Wachsmalstifte für Klausuren und buntere Icons für ArcGIS.

  6. #6 MartinB
    29. Juni 2013

    @Jürgen,
    genau das meinte ich ja – ist doch merkwürdig, dass man so tut, als würden nur oder vor allem Arbeiterkinder solche Probleme haben, als wüsste man nicht aus der Praxis, dass so etwas so häufig vorkommt, dass es kaum auf Arbeiterkinder beschränkt sein kann. Und auch Arbeiterkinder werden zum Abitur wohl das eine oder andere Fremdwort aufschnappen müssen…

  7. #7 Andreas
    29. Juni 2013

    Aaarghhh – Sie haben es nicht verstanden!
    Die Seite https://www.fu-berlin.de/sites/diversitaet-und-lehre/didaktische_empfehlungen/bildungshintergrund/index.html ist wieder online – und zumindest ist Frau Urbatsch jetzt richtig geschrieben – aber die herablassende Scheisse steht noch unverändert da!

  8. #8 s.s.t.
    29. Juni 2013

    Wieso geht es jetzt plötzlich nur um “Arbeiter-Kinder”? Im Original ist von “Akademiker- und Nicht-Akademiker-Kindern” die Rede. Soll das implizieren, dass nur die Fließband-Akkord-Malocher bei VW et al. ihren Kindern keinen Wert für Bildung vermitteln können?

    Du meine Güte, in meinem schon etwas längeren Leben habe ich zahlreiche Leute kennengelernt und so ungefähr alles in dieser Hinsicht gesehen: ‘Kleine Einsteins’ mit Arbeiter(!)-Hintergrund und Leute die trotz Doppel-Dr.-Eltern im Studium grandios gescheitert sind.

    Das Elternhaus macht die Musik, neben den Veranlagungen des Sprösslings, und da können Arbeiterkinder und -Eltern ggf. mit denen der geleerten Doktoores locker mithalten.

    Was soll überhaupt diese Klassifikation? Ich erinnere mich immer noch sehr lebhaft an mein erstes Semester: In einem der Uni-Institute (Physik) waren die Gesellen- und Meisterstücke der dort arbeitenden “Arbeiter” ausgestellt; irgendwie kam ich mir mit meinem Abi und Studium danach sehr plötzlich mikroskopisch klein vor.

    Noch was zu dem ‘schwarzen Schaf’ unter meinen Brüder, nämlich dem einzigen Nicht-Akademiker: Handwerklich schlägt er locker alle seine drei anderen in toto, und künstlerisch ebenfalls genau so locker.

    Augenscheinlich ist der ‘Erfolg’ ein Mix von Begabung und Förderung, wobei ich der Begabung mit Abstand den ersten Platz zuweisen würde.

  9. #9 threepoints...
    29. Juni 2013

    Aber sicher reden Arbeiterkinder tendenziel “dümmer” daher. Zuweilen man auch von “Naivität” betreffend seiner eigenen Bildungssituation reden darf. Der ganze Duktus und Haltung ist eine andere. Wo soll es denn auch herkommen?
    Wesendlicher scheint aber zu sein, dass das geistig arme Arbeiterumfeld durch entsprechende Prioritätensetzung der Schicht milde ausgedrückt wahrscheinlich grundsätzliche Berührungsängste/unsicherheiten haben könnten.
    Die Befürchtung, dass das moderne Abitur langsam immer “minderwertiger” zu bewerten sei,weil Eingangsqualifikationen nicht erfüllt werden (etwa weil “ungebildete” Arbeiterschüler die Ansprüche per tendenzieller Anpassungstendenzen verwässern), ist ja nichts Neues. Und so kann man durchaus argumentieren, dass das Abitur nicht mehr als Qualifikationsnachweis der Hochschulreife taugte – was aber damit kaschiert werden wird, dass man auch die Hochschulausbildung den Potenzialen der Studenten anpasst – was ja per Bolonga gerüchteweise als Nebenwirkung auch geschah.

    Hier ein Beitrag zur Frage nach der Vision von “Bildung”, der sich leider nur mit der Frage beschäftigt, was Universitäten hinsichtlich leisten sollen und können. Aber das ist bei dem Thema oben auch nicht anders. Dabei aber ist die Frage zwar für die Institution Interessant, hilft aber dem prekären Pack gar nichts, weil bis dahin alle Felle weggeschwommen sind – heisst: aus Scheisse kein Bonbon wird und versäumtes nicht nachgeholt werden kann – man immer hinter etwas hinterher rennt, was nie erreichbar sei, wenn gewisse “Vorleistungen” im Kindesalter nicht geleistet wurde oder gar völlig andere Richtung einschlug. Universitäten sich Ziele setzen können, diese aber durchaus davon abhingen, welches Material (Studenten) sie verfügbar haben. Ist die Bandbreite zu groß, fällt Erfüllung der Zielsetzung natürlich schwerer, je höher die Ziele gesteckt sind.

    Die Auseinandersetzung mit dem Bildungsbrgiff und Bedeutung ist aber interessant.

    Hier der Link:

    https://blogs.faz.net/digital/2013/06/28/was-soll-eigentlich-bildung-heute-301/

    Mit “Arroganz” mögen sie betreffend dem Duktus wohl recht haben. Das aufgelistete speziel auf Arbeiterstudierende zu münzen, ist schon deswegen dämlich, weils nämlich für alle gilt – denn alle gehen auf die Universität, um noch was zu lernen.

    Zu solcher Arroganz passend habe ich mal einen Bäckermeister schimpfen gehört, weil seine Lehrlingsbewerber nicht wussten, wieviel ein “Pfund” ist, was aber essenziel im Fach sein soll. Ich fragte mich dann, wozu man sich erst als Auszubildener bewerben solle, wenn man das alles als Eingangsqualifikation schon wissen müsse? Kann man auch gleich als Fachkraft anfangen, oder?

  10. #10 threepoints...
    29. Juni 2013

    @ sst #8

    Zitat:

    “Das Elternhaus macht die Musik, neben den Veranlagungen des Sprösslings,”

    -> Was ist bezüglich eine “veranlagung”? Kann jemand beweisen, dass es eine solche für Kulturtechniken gibt? Ich plädiere nämlich eher dafür, dass man diese 10000 Stunden-These als Ursache aller Künste für relevanter annimmt. Freilich gepaart mit gewissen Grundbedingungen betreffend Aufmerksamkeit und Motivation.

  11. #11 Jürgen Schönstein
    29. Juni 2013

    @s.s.t. #8
    Es geht natürlich nicht “nur” um Arbeiterkinder – das habe ich als eine pars-pro-toto-Metapher verwendet, weil es a) mich selbst sehr genau beschreibt und b) etwas “handlicher” ist als “Kinder aus Nicht-Akademiker-Haushalten”. Es geht vor allem um die herablassende Arroganz, die sich in den scheinbar wohlmeinenden didaktischen Empfehlungen widerspiegelt.

    @threepoints #9

    Aber sicher reden Arbeiterkinder tendenziel “dümmer” daher.

    Sicher nicht dümmer als das…

  12. #12 threepoints...
    29. Juni 2013

    @ Schönstein #11

    -> Doch gerade weil das primende Gerücht unterwegs sei, wie es die Auflistung mutmaßen lässt, reden einige durchaus so, wie es erwartet wird.
    Die müssen aber nicht zwingend (oder deswegen vielleicht gerade eben nicht) in den Universitäten auftauchen. Ist wie mit Mathe: denke ich, dass ich das nie begreife, besteht die Wahrscheinlichkeit es auch nie zu begreifen. Also verläuft mein Lebensweg so, dass ich es nicht begreifen muß.

    Und zwischen Dumm und Dümmer wollte ich nicht differenzieren.

  13. #13 threepoints...
    29. Juni 2013

    @ Schönstein #11
    Zitat:
    “Sicher nicht dümmer als das…”

    … und somit ist der Schönstein zum Beweis der Arroganz der akademischen Elite geworden, trotzdem er diese Arroganz sogar bemängelt hat – kurz vorher noch.

    Man kann eben nicht aus seiner Haut…

  14. #14 Jürgen Schönstein
    29. Juni 2013

    @threepoints #12
    Aus der Sicht einer Blue-Collar-Gesellschaft wäre, nach dieser Logik, auch vieles in der Akademikerkommunikation “dumm” = nicht sinntragend und adäquat. “Dumm” ist in sich selbst schon eine rein soziale (Ab)Wertung, die in keinem Kontext wirklich passend ist. Dass die didaktischen Empfehlungen diesen Begriff verwenden, sagt in sich schon sehr viel über die Denkweise der VerfasserInnen (da machen selbst die Anführungszeichen nicht mehr den entscheidenden Unterschied).

  15. #15 s.s.t.
    29. Juni 2013

    @Jürgen Schönstein

    Es geht natürlich nicht “nur” um Arbeiterkinder – das habe ich als eine pars-pro-toto-Metapher verwendet, weil es a) mich selbst sehr genau beschreibt und b) etwas “handlicher” ist als “Kinder aus Nicht-Akademiker-Haushalten”. Es geht vor allem um die herablassende Arroganz, die sich in den scheinbar wohlmeinenden didaktischen Empfehlungen widerspiegelt.

    Eben, wenn man sich allerdings bei anderen Themen so sehr auf die genaue Sprache bzw. korrekte Wörter kapriziert, sollte man auch bei diesem Thema korrekt bleiben, was auch für @MartinB gilt.

    Und, es gibt zwar Schnittmengen zwischen Arbeiterkind und Nicht-Akademiker-Kind, aber das gleiche sind die noch lange nicht. Ich halte den Gebrauch des Begriffs “Arbeiterkind” hier nur als abwertend, in dem Sinne, dass aus dem Dreck etwas geworden ist, ist bei diesen (Pfui-)Eltern mehr als nur ein Wunder.

    Wenn überhaupt, dann sollte man sich über bildungsnahe und bildungsferne (zu denen auch Akademiker gehören können, spez. was ihre Kinder angeht) Familien Gedanken machen und nicht so sehr über den Beruf der Eltern.

  16. #16 s.s.t.
    29. Juni 2013

    @threepoints…

    Was ist bezüglich eine “veranlagung”? Kann jemand beweisen, dass es eine solche für Kulturtechniken gibt?

    Es wurde gezeigt, dass getrennt aufgewachsene eineiige Zwillinge vieles gemeinsam haben, gemeinsam aufgewachsene Geschwister, inkl. zweieiiger Zwillinge, erheblich weniger.

    Falls Du Dich mal bei befreundeten Familien mit Kinder umschaust, kannst Du auch selbst eine empirische Feldforschung betreiben.

  17. #17 threepoints...
    29. Juni 2013

    @ sst
    Ich erkenne da aber keine “veranlagung” im Sinne von biologscher Determination. Ansonsten 9 Monate Schwangerschaft und gemeinsamer Verbleib im Uterus durchaus in der Entwicklungsphase Gemeinsamkeiten, außer genetisch höchstmöglicher Übereinstimmung, erzeugen könnte und wird.

    zusamen aufwachsende Kinder – Zwillinge wohl besonders, haben eine zuweilen zwingende Tendenz sich gegenenander abgrenzen zu können / wollen. Das hat besondere Folgen für die Entwicklung und alle daraus entnehmbaren Ergebnisse.

    Dein Beispiel scheint auch nicht aufzugehen. Einerseits sind es getrennte eineiige Zwillinge, die Gemeinsamkeiten aufweisen und andererseits sind es eineiige und zweieiige zusammen aufwachsende Zwillinge, die statistisch weniger Gemeinsamkeiten aufzeigen.
    Das Problem hier eben: Äpfel mit Birnen vergleichen zu wollen und es als eindeutigen Beleg zu erkennen.

    Schöne Anektote – sonst aber keine Schlüsse zulassend.

    Zum (bildungsfernen) Beruf/Existenz der Eltern:

    richtig: allein an der statistisch erfassten wirtschaftlich relevanten Existenz der Familie kann man hier keine besondere Erkenntnis dingfest machen.
    Das Problem liegt also noch woanders. Trotzdem ist statistisch eindeutig, dass prekäre Bildungsverhältnisse mit ökonomischer Benachteiligung einhergehen und also dann doch wieder einen “ungefähren” Deutungsbeleg leisten.
    Ausnahmen bestätigen die grobe Statistik… die Regel.
    15 Prozent kann man gerade noch als Ausnahmen gelten lassen.

    Ich habe in der Bekanntschaft ein Paar, das Zwillinge gebohren hat. Das Beobachten dauert mir aber nun wirklich zu lange – da die beiden erst 2 Jahre alt sind. Achja, und überhaupt sind es Mädchen und Junge. Ob eineiig oder zweieiig ist mir gerade unbekannt.

  18. #18 threepoints...
    29. Juni 2013

    @ Schönstein

    Was “Intelligenz” und Dummheit angeht, habe ich sowieso eine etwas andere Vision davon.
    Ich empfinde es absolut nicht intelligent, wenn man sich durchs Studium mit Auswendiglernen zum Intelligenzbolzen erklärt, es aber sonst an Systemintegrität (Gesamtentwicklung von Körper und Geist) arg mangeln lässt. Intelligenz also in Fachidiotie erkennt. In etwa hat das auch der von mir verlinkte Artikel zum Thema, wenn man so will.

    Ich plapperte also nur das nach, was “landläufig” mir als Hauptschüler mit banalem Handwerksbrief und anderen noch schlechter angesehenen … “gestellten” bei Kenntnis entgegenweht.
    Dabei bin ich heute der Meinung, dass eine Handwerksausbildung vor aller Akademisierung die Akademisierung konkurenzlos erfüllender leisten kann.
    Die Beziehung, die man in einer solchen banalen Handwerksausbildung zur materiellen Wirklichkeit bekommt, ist unersetzbar.

  19. #19 s.s.t.
    29. Juni 2013

    zusamen aufwachsende Kinder – Zwillinge wohl besonders, haben eine zuweilen zwingende Tendenz sich gegenenander abgrenzen zu können / wollen. Das hat besondere Folgen für die Entwicklung und alle daraus entnehmbaren Ergebnisse.

    Das wesentliche Argument war, dass getrennt aufgewachsene Zwillinge (quasi im Mutterleib getrennt, für Nichtleser) mehr gemein haben, als Geschwister, die im gemeinsamen Haushalt aufwachsen. Klar, es gibt Unterschiede in der Erziehung von Kindern, die im Abstand von 2,4,6,8 Jahren geboren wurden. Die Unterschiede mögen auch bei Erst- und Zweitkind sehr groß sein, aber das greift nicht mehr bei den nachfolgenden Kindern und schon gar nicht bei der grundlegenden Erziehung, besser gesagt bei der Einstellung dazu. Und genau da liegen die Unterschiede, aber eben nur was die Eltern angeht.

    Und, niemand wäre auf die Idee gekommen einen Newton oder Einstein als Vollender der Sixtinischen Kapelle zu verpflichten, ebenso wenig wie man von Michelangelo einen Beitrag zur RT verlangt.

  20. #20 Jürgen Schönstein
    29. Juni 2013

    @s.s.t. #15

    Wenn überhaupt, dann sollte man sich über bildungsnahe und bildungsferne (zu denen auch Akademiker gehören können, spez. was ihre Kinder angeht) Familien Gedanken machen und nicht so sehr über den Beruf der Eltern.

    Wir sollten aufpassen, dass wir hier nicht vom Thema abkommen. Ich habe mir erlaubt, meine eigene “Blue-Collar”-Herkunft (nur für den Fall, dass ich mich nicht als Arbeiterkind bezeichnen darf, obwohl genau das mein sozioökonomischer Hintergrund war) in der Überschrift auszudrücken – es sind meine Worte. Doch egal wie man es formuliert – der Denkfehler der der Diversitätsexperten ist noch nicht einmal, dass es “bildungsferne” Gruppen gibt; der Denkfehler besteht darin, dies als Schicksal zu definieren und zu ignorieren, dass jemand, der/die es bis zum Abitur geschafft hat, diese Bildungferne definitiv überwunden hat.

    Das erinnert mich an den Fall eines Schulfreundes, mit ich ich in den Semesterferien einen Job in der Industrie in Schweinfurt hatte. Er war zwar in Deutschland geboren und hatte mit mir zusammen Abitur gemacht, aber weil er türkischer Abstammung ist (was an seinem Namen leicht zu erkennen war), sprach jeder nur “Gastarbeiterdeutsch” mit ihm: “Du wissen wie man das machen?” etc. Und trotz seines leicht berlinernden, aber ansonsten einwandfreien Hochdeutsch (besser als die fränkische Mundart, in der er angesprochen wurde), mit der er seine Antworten formulierte, wurde er auch weiterhin so angesprochen. Weil doch kein Türke jemals “richtiges Deutsch” sprechen kann. Wie auch kein “Arbeiterkind” (nochmal: das bin ich) Fremdwörter oder Fachausdrücke verstehen und einen kohärenten Redebeitrag liefern kann. Alles klar?

  21. #21 Jürgen Schönstein
    29. Juni 2013

    @treepoints #17

    Achja, und überhaupt sind es Mädchen und Junge. Ob eineiig oder zweieiig ist mir gerade unbekannt.

    In diesem Fall müssen es zweieiige Zwillinge sein – zweierlei Geschlechter geht nicht mit einer Eizelle.

  22. #22 threepoints...
    29. Juni 2013

    @ sst

    Egal, dein Beispiel der Zwillingsstudien funktioniert nicht. Nicht nur, weil du verschiedene Situationen gegenüber stellst, sondern auch, weil der Zwilling sich auf Kultureller Ebene nicht zwingend auch gleich entwicklen muß – die Bedingungen nicht bekannt sind.

    Als Idee wäre ein Zwillingsklon herangewachsen in einer zweiten Frau auch nicht restlos eindeutig als Beweis der Relevanz, solange man keinen Blassen hat, was hier alles Entwicklung bedingt.

    So bleiben die Zwillingsstudien statistische Werte, die einen Ist-Zustand mit signifikanter Evidenz beschreiben, aber die Bedingungen nicht erklären. Der Assoziierte Begriff “Veranlagung” derart unscharf, dass man den wissenschaftlich nicht ernst nehmen kann. Gleiches gilt für Gene und “korellierende” Eigenschaften und Begebenheiten, wobei “genetisch bedingt” die gleiche Unschärfe darstellt. Also über das Ziel der Aussagefähigkeit der bisherigen Ergebnisse hinausschiesst.

    Warum ich den Begriff “Kulturtechnik” erwähnte, kommt daher, weil allermeist solche in solchen Studien ausgewertet werden. Und es dabei wieder zur Frage kommt, ob Kultur evident aus kreativer Fähigkeit oder einer intendiert determinierten Veranlagung entspringt. Freilich muß mit einer vermeindlich existenten Veranlagung “enthalten” sein, was der Mensch später zur Kulturtechnik ausbaut.
    Dann ist es also auch Veranlagung, dass wir das Wasserkloset erfunden haben oder uns zum Mond schiessen…?

    Das funktioniert so überhaupt nicht. Kulturtechnik ist absolut nichts, was sich evident aus einer irgendwie intendierten natürlichen Veranlagung entwickelt. Kultur ist Künstlichkeit zur Perfektion überhöht und hat nichts mit evidenten Verhaltensweisen bezüglich einer natürlichen Disposition oder einem Biologismus zu tun.

  23. #23 threepoints...
    29. Juni 2013

    Es ist auch nicht “irgendwie” oder überhaupt Veranlagung, das wir in der Nase popeln, nur weil der Finger gerade so hineinpasst – auch, wenn der Prototyp des Poplers ein Mann sei und der Mann tatsächlich eine “Veranlagung” zu haben scheint, irgendwas in Löcher, Schlitze und Spalten zu stecken. Münzen etwa in Spielautomaten, Finger in Nasen, Langfinger mit Beute in Taschen und …sein Geschlechtsteil in … auch so Löcher eben.

  24. #24 Gustav
    30. Juni 2013

    Kann mich noch erinnern wie komisch ich angesehen wurde, als ich als Arbeiterkind in Wien studierte. In Österreich ists noch eine Spur schlimmer als in Deutschland. In Österreich gibts die Debatte zu den Studiengebühren, dass es aber eine bei weitere größere Zugangsbeschränkung gibt, wird einfach ignoriert. Als der viel besungene Sozialdemokrat Kreisky die Zugangsbeschränkungen zu den Universitäten in den 70ern aufhob, träumte er davon, dass nun auch die ArbeiterInnen studieren können. Tatsächlich hat sich aber genau nichts geändert. Es gilt noch immer der Grundsatz: “Es studieren die, deren Eltern ebenfalls studierten”. Als gäbe es noch ein Ständesystem, in dem die diversen “Schichten” ein gottgegebenes Los hätten. Kreisky war es auch, der die Gesamtschule in Österreich in den 70ern einführen wollte. Heute wird noch darüber diskutiert.

    “akademische Fach- und Fremdwörter unaufgefordert definieren.”

    Da bin ich ganz bei Popper, aber nicht ausschließlich in Bezug auf ArbeiterInnenkinder, sondern ganz generell. Der folgende Abschnitt (eher an die Sozial- und Geisteswissenschaft gerichtet) beschreibt die oftmals vorherrschende Arroganz in der Akademikerwelt über die eigene “Gebildetheit” wirklich gut (aus “Auf der Suche nach einer besseren Welt”):

    “Aus meiner sozialistischen Jugendzeit habe ich viele Ideen und Ideale ins Alter gerettet. Insbesondere: Jeder Intellektuelle hat eine ganz besondere Verantwortung. Er hatte das Privileg und die Gelegenheit, zu studieren; dafür schuldet er es seinen Mitmenschen (oder „der Gesellschaft“), die Ergebnisse seiner Studien in der einfachsten und klarsten und verständlichsten Form darzustellen. Das Schlimmste – die Sünde gegen den heiligen Geist – ist, wenn die Intellektuellen versuchen, sich ihren Mitmenschen gegenüber als große Propheten aufzuspielen und sie mit orakelnden Philosophien zu beeindrucken. Wer’s nicht einfach und klar sagen kann, der soll schweigen und weiterarbeiten, bis er’s klar sagen kann. […] Was ich oben (Punkt 1) die Sünde gegen den heiligen Geist genannt habe – die Anmaßung des dreiviertel Gebildeten –, das ist das Phrasendreschen, das Vorgeben einer Weisheit, die wir nicht besitzen. Das Kochrezept ist: Tautologien und Trivialitäten gewürzt mit paradoxem Unsinn. Ein anderes Kochrezept ist: Schreibe schwer verständlichen Schwulst und füge von Zeit zu Zeit Trivialitäten hinzu. Das schmeckt dem Leser, der geschmeichelt ist, in einem so ‚tiefen‘ Buch Gedanken zu finden, die er selbst schon mal gedacht hat.”

    Ähnliches sagt er auch in seinem Buch “Alle Menschen sind Philosophen” und obwohl Adorno, Habermas & Co niemals direkt angesprochen wurde und das Popper wahrscheinlich auch nicht wollte, haben sich diese Tautologen, die sich so gerne so kritisch gaben, über Popper beschwert, dass er die Würde der Professur nicht beachte.

  25. #25 Andreas
    30. Juni 2013

    Zurück zum Thema:
    https://www.heise.de/tp/artikel/39/39389/1.html

    Zur Erinnerung:
    Frau Urbatsch ist die, die zunächst am Ende der FU-Seite falsch geschrieben wurde.

  26. #26 s.s.t.
    30. Juni 2013

    @threepoints…

    Der Assoziierte Begriff “Veranlagung” derart unscharf, dass man den wissenschaftlich nicht ernst nehmen kann. Gleiches gilt für Gene und “korellierende” Eigenschaften und Begebenheiten, wobei “genetisch bedingt” die gleiche Unschärfe darstellt. Also über das Ziel der Aussagefähigkeit der bisherigen Ergebnisse hinausschiesst.

    Womit endlich bewiesen wurde, dass Gene keinen nennenswerten Einfluss haben.

  27. #27 threepoints...
    1. Juli 2013

    @ sst

    Nö, womit bewiesen werden könnte, das darüber gerade keine starke Aussage gemacht werden kann. Maximale gesicherte Erkenntnis: Korellation.

  28. #28 Adent
    1. Juli 2013

    So jetzt reicht es, ich lese hier lange genug schweigend mit. Jemand der (ich sage jetzt nicht wer)
    a) nicht mal weiß warum eineiige Zwillinge nicht Mädchen und Junge sein können (das geht nicht) und diese dann sinnverzerrend mit dem Ausdruck Zwillingstudien in einen Topf mit zweieiigen Zwillingen schmeisst, dort kräftig drin rumrührt und dabei noch nicht einmal verstanden hat, was s.s.t. ausgesagt hat, widerlegt mal eben so die Tatsache, daß es genetische Veranlagungen gibt, die glasklar auf einzelne Gene zurückzuführen sind.
    Ich erinnere da nur an den kürzlich durch die Medien geprügelten Fall von Angelina Jolie. Diese hat eine erbliche rezessive BRCA1 Mutation und damit eine 85%ige Wahrscheinlichkeit an Brustkrebs zu erkranken (früh zu erkranken). Wenn dies keine Veranlagung ist, dann ist demjenigen der hier lautstark rumposaunt es gibt keine solche nicht zu helfen.
    Darüberhinaus würde ich nicht mit Fremdwörtern nur so um mich schmeißen, wenn ich sie dann nicht mal richtig schreiben kann.
    Korellation, hmm zwei Fehler in einem Wort und das wiederholt, das ist eine starke Leistung.
    Also derjenige welche hat keinerlei Ahnung von Genetik und Vererbung, behauptet aber genetische Veranlagung gibt es nicht.
    Ich schliesse mich Jürgens prägnantem Kommentar Nr. 11 an.

  29. #29 threepoints...
    1. Juli 2013

    Adent hat wieder Rechtschreibprogramm gestartet. Mußsichauchlohnen.

    uNd AnekdoteN gibts auch wieder. Frau julie und ihre Titten.

    Das Beispiel von sst hast wahrscheinlich du nicht verstanden. Lag es an der Lesevervollständigungsautomatik? Stimme mir zu, dass sst zwei verschiedene Gegenstände/Gruppen gegenübergestellt hat. Das ist begrenzt aussagefähg.

  30. #30 Adent
    1. Juli 2013

    @threepoints
    Zitat von sst

    Es wurde gezeigt, dass getrennt aufgewachsene eineiige Zwillinge vieles gemeinsam haben, gemeinsam aufgewachsene Geschwister, inkl. zweieiiger Zwillinge, erheblich weniger.

    Das ist die Grundaussage, du behauptest die Sozialisierung ist entscheidend, also müßte bei gleicher genetischer Ausstattung in verschiedenem sozialem Umfeld etwas so verschiedenes entstehen wie bei Kindern verschiedener Eltern. Dahingegen müßten bei verschiedener genetischer Grundausstattung in ähnlichem sozialen Umfeld ähnliche Kinder herauskommen.
    Beides ist nicht so, daher kannst du deine Stammtisch-Pseudothese in den Müll treten. Falls du immer noch nicht verstehst worin der Unterscheid zwischen eineiigen und zweieiigen Zwillingen empfehle ich dir nochmal einfach den Mund zu halten bei Themen von denen du nichts verstehst.
    Der genetische Background für die BRCA1 Mutation und den daraus entstehenden Krebsarten inkl. Brustkrebs ist seit über 20 Jahren bekannt und nicht im geringsten anekdotisch. Aber warum komme ich dir mit wissenschaflichen Daten, die Art und Weise wie du widerlich zynisch über dieses Thema postest wirft ein deutliches Licht auf deine Gesinnung.

  31. #31 Earonn
    2. Juli 2013

    Als, ahem, bildungsfernes Arbeiterkind ^^
    möchte ich aber auch mal eine Lanze für die Initiatoren brechen: ja, sie haben es nicht besonders clever umgesetzt und ihre Vorurteile gezeigt.
    Aber verflixt, man traut sich ja in diesem Land auch deshalb schon nicht mehr, irgend etwas anzustoßen, weil man Angst haben muss, etwas übersehen zu haben (wie hier die eigene Mauer im Denken – aber gerade die ist schwer zu entdecken) – weil man sonst nämlich ja sofort niedergemacht wird.

    Hätte es nicht ein “hallo Initiatoren, guckt mal euren Denkfehler, kann ja mal passieren, bitte korrigiert das, und an alle anderen: wie oft passiert uns das selbst?” auch getan?

    Wie in der Schule: bloß nichts sagen, könnte falsch sein und dann lachen einen alle aus – wer will das schon?

  32. #32 statistiker
    3. Juli 2013

    @ threepoints:

    “Maximale gesicherte Erkenntnis: Korellation.”

    Quark. Maximal gesicherte Erkenntnis: Kausalität.

    Ihre sonstigen Beiträge sind eine Beleidigung jedes Nichtakademikers.

  33. #33 Bloody Mary
    3. Juli 2013

    Earonn empfiehlt, wenn ich das richtig verstanden habe, im Rahmen von Konflikten die bilaterale Anwendung von Großzügigkeit, Empathie, Selbstreflexion und Vernunft. Mit der Umsetzung dieses gewinnenden Vorschlags scheint mir die 4. Menschenaffenart insgesamt betrachtet bei weitem überfordert.

    Zum Artikel:
    Die Absicherung der eigenen privilegierten Position und das hingebungsvolle Polieren des Selbstbildes auf Kosten „der anderen“ ist eine allgemein angewandte Handlungsmaxime. Es ehrt, finde ich, die Mitglieder einer dominierenden Mehrheit sehr, wenn sie in bestimmten Fällen einer abgewerteten und ausgeschlossenen „Minderheit“ zur Seite eilen; diskriminierte Gruppen sind auf Bündnispartner aus der tonangebenden Etage angewiesen.

    Dass dabei einige von „denen da oben“, um sich besser zu fühlen, eine tradierte, lebenslang eingeübte Überlegenheitsattitüde zur Schau tragen, wirkt nicht wirklich überraschend, aber anfangs durchaus verletzend. Man „erkennt“ einander und weiß, woran man mit dem anderen ist. Diese Hilfestellung beim Ablegen diverser Illusionen ist doch gar nicht zu verachten.

    Es besteht weder Anlass noch Verpflichtung, das Bild, welches andere von einem malen, für sich zu übernehmen. Ich freue mich jedenfalls, wenn soziale Platzanweiser ihre beträchtliche Macht dazu nutzen, zu Unrecht Ausgegrenzten Zulaß zu gewähren. Und wenn sie das auf so eine miese, wiederum herabsetzende und ausgrenzende Art wie oben beschrieben tun, dann klopft ihnen Jürgen Schönstein auf die Finger – vielen Dank!

    P.S.: Ich hab mich so über die von Dir in der Übersicht geposteten Grafik vom unerreichbar begabten Paul A. Weber gefreut, musste sofort angefangen, auf seiner site zu stöbern, und das hat mir so was von den Tag erhellt. Noch mal danke.

  34. #34 Bullet
    3. Juli 2013

    Oh, hab ich “Titten” gehört?

    SCNR

  35. #35 Bloody Mary
    3. Juli 2013

    @Bullet
    solange die Stimmen in Deinem Kopf Dir nicht befehlen, Deinen Bettnachbarn zu erwürgen, soll es mir recht sein.

  36. #36 Trottelreiner
    4. Juli 2013

    @adent:
    das problem ist, daß diese mutation von brca1 einen ziemlich starken effekt hat, was beim wirkmechanismus, brca1 ist afaik an der dna-reperatur beteiligt, nicht weiter überrascht.

    bei kognitiven eigenschaften ist das ganze etwas komplizierter, zunächst einmal können wir uns darüber unterhalten, was intellenz neurobiologisch ist, neulich gab es da die mode, iq und arbeitsgedächtnis gleichzusetzen, fand ich mit mensa-eignung[1] und einem ag, das sich keine 5 sekunden was merken kann irgendwie putzig.

    bezüglich der psychischen eigenschaften zugrundeliegenden gene ist das ganze entweder wahnsinnig kompliziert, oder wir suchen bei den falschen verdächtigen, es gibt z.b. sehr gute belege dafür das serotonin an emotionen beteiligt ist, leute, die durch einen gendefekt u.a. kein serotonin synthetisieren können, sind aber hierbei relativ unauffällig.

    ansonsten finde ich den versuch, den starken zusammenhang zwischen elternhaus und abschluss in d hauptsächlich durch die genetik zu erklären, etwas vorschnell. alleine schon weil ich nicht unbedingt einsehe, warum kinder von z.b. kfz-mechanikern hierbei weniger für mint prädisponierende gene mitbekommen sollten als z.b. die kinder von managern oder sozialpädagogen oder anwälten oder…

    [1] sie wissens schon, diese wahnsinnig intelligenten leute, die sich treffen, um sich zu erzählen, wie schwierig man es als wahnsinnig intelligente leute hat.

  37. #37 Adent
    4. Juli 2013

    @trottelreiner
    Das ist richtig, BRCA1 ist an der DNA-Reparatur maßgeblich beteiligt und ich würde ebenfalls nicht so weit gehen, daß man überwiegend durch die Gene geprägt wird. Was jedoch threepoints hier (und schon in anderen Threads) tat, war jegliche genetische Veranlagung wegzubügeln was ebenfalls Unsinn ist, zumal er das mangels Fachwissens gar nicht beurteilen kann, dies aber trotzdem vollmundig macht. Das ist in etwa so als ob der Autofahrer, der gerade mal seine Reifen selber wechseln kann dem KFZ-Mechaniker erzählen möchte was er am Motor zu reparieren habe weil er darüber was in den Medien gesehen hat.
    Worum es mir also ging war die Tatsache, daß es zahlreiche Erbkrankheiten gibt, deren Mechanismus recht gut untersucht ist und sogar zum Teil auf einzelne Gene (BRCA1 und 2, BLM) oder auf Genfamilien (z.B. Xeroderma Pigmentosum, Fanconia Anemie) zurückzuführen ist.
    Im Bereich der psychischen Eigenschaften ist das deutlich ungeklärter, aber ich würde keineswegs schon vorab urteilen dies hätte nichts mit genetischer Veranlagung zu tun
    Wenn man das prinzipiell betrachtet, könnte man sogar alles auf genetische Veranlagung zurückführen, dies würde aber heißen das Ganze deutlich zu weit zu treiben.
    Ähnlich ist es bei Pflanzen, wenn man dort eine gewisse quantitative Eigenschaft beobachtet z.B. Wuchshöhe oder Körnergröße und dann versucht diese genetisch zu fixieren, dann sucht man zunächst nach sogenannten Quantitative Trait Loci (QTL). Dies war lange Zeit sehr mühselig und wurde und wird immer noch mit sogenannten Markern gemacht. Diese Marker korrelieren mit der Eigenschaft, was nichts darüber aussagt, ob sie diese Eigenschaft (mit)-verursachen (das ist wahrscheinlich der Fall den threepoints meint. Das ist reine Korrelation, heutzutage kann man aber die Bereich in denen diese assoziierten Marker liegen recht flott und günstig sequenzieren bzw. gleich das ganze Genom. Und was findet man dann in einigen Fällen? Oh, ein Gen oder zwei die genau mit dem Stoffwechselweg zu tun haben, der dem QTL zugrunde liegt. Dieses Gen untersucht man dann weiter und begründet dessen Funktion für den Phenotyp und das ist dann keine Korrelation mehr sondern Kausalität.
    Sorry für den Ausflug in die Molekularbiologie 😉

  38. #39 bazille
    wien
    5. Juli 2013

    Achja die diskussion geht auch hier weiter.
    https://www.heise.de/tp/artikel/39/39445/1.html

    lg
    bazille

  39. #40 Trottelreiner
    6. Juli 2013

    @Adfent

    Zu threepoints und seiner, äh, merkwürdigen Bildung auf dem Gebiet der Biologie würde ich mal einfach das bekannte Zitat “das Gegenteil von gut ist gut gemeint” bringen, wobei er das ja schon genügend Querfeuer bekommen hat. BTW könnte er mir auch gerne erklären, warum sozialer Determinismus besser ist als “biologischer” Determinismus, meint er damit BTW auch hormonelle Einflüsse und Infektionskrankheiten oder nur den genetischen Determinismus? Und was ist mit der Epigenetik?

    Das Problem ist, das er im Verlauf der ganzen Diskussion trotzdem einige interessantre Punkte angesprochen (und verpatzt) hat, zunächst einmal bin ich bezüglich Zwillingsstudien immer auch etwas skeptisch, auch getrennt aufwachsende eineiigeZwillinge wachsen oft in derselben sozialen Schicht auf, und es gibt gewisse Unterschiede zwischen Müttern eineiiger Zwillinge und anderen Müttern bezüglich Alter etc.

    Ein weiteres Problem ist, das auch bei einer deutlichen genetischen Komponente einer Eigenschaft das nicht unbedingt bedeutet, daß die entsprechende Eigenschaft durch das entsprechende Gen direkt kodiert wird.

    Nehmen wir z.B. einmal an, wir stellen fest, das Gene, die bei Menschen zu einem abgerundeten Profil, hellen Haaren etc. führen, mit einem etwas unreifen Verhalten für die entsprechende Altersklasse führen. Das kann bedeuten, das Gene, die zu einer gewissen Neotenie physischer Merkmale führen, dies auch für neurokognitive tun. Es kann aber auch bedeuten, daß das Umfeld Menschen, die dem Kindchenschema entsprechen, als unreif behandelt, was sich in derem Verhalten niederschlägt.

    Ein anderes Bespiel wäre die oft behauptete Korrelation von Attraktivität und IQ, wenn man annimmt, das körperliche Attraktivität eine erhöhte Widerstandskraft gegen Krankheiten andeutet, könnte das anzeigen, das die intellektuelle Entwicklung durch Erkrankungen gestört wird, oder auch “nervi sani nascendi in corporem sanum nascendum” oder so, wenn ein defekte Gen sowohl im Nervensystem als auch im restlichen Körper aktiv ist. Es könnte aber auch einfach nur bedeuten, das gut aussehende Menschen aufgrund des Halo-Effekte als intellenter behandet werden,

    https://de.wikipedia.org/wiki/Halo-Effekt

    was zu einer stärkeren positiven Verstärkung beim Lernen führt (“das kannst du gut”, oder ein aufmunterndes “das kannst du besser”) und dadurch zu einem besseren Training.

    Eine weitere Frage wäre eben auch, inwiefern es wirklich verschiedene Veranlagungen gibt, oder inwiefern es hauptsächlich auf das Training ankommt, wobei eine genetische Veranlagung, z.B. für ein besonderes Durchhaltevermögen, ein etwas schnelleres Lerntempo etc. mit hinein spielt:

    https://en.wikipedia.org/wiki/Outliers_(book)

    Wobei dies nicht unbedingt egalitäre Folgen hätte, eine ähnliche Frage wäre z.B. ob es einen Faktor g für neurokognitive Leistungen gibt, oder stattdessen mehrere verschiedene Intelligenzen.

    Und gerade bei Renaissance-Genies wie Michelangelo etc. erscheint es oft so, daß diese in vielen verschiedenen Bereichen sehr leistungsfähig waren, Michelangelo z.B. nicht nur als Maler und Bildhauer, sondern auch als Architekt, was ein gewisses Verständnis im MINT-Bereich voraussetzt. Das wir heute mathematisch-naturwissenschaftliche Begabung und musische Begabung als verschieden ansehen, könnte eher unserer Kultur als der Realität geschuldet sein.

    Kurz und gut, ich wäre bei bestimmten Gen-Merkmal-Korrelationen etwas vorsichtiger als bei recht deutlichen Zusammenhängen wie BRCA1=>Krebs. Um mal ein Beispiel zu nennen, eines der am meisten untersuchten Gene in Bezug auf psychische Eigenschaften ist DRD4, wobei die entsprechenden Ergebnisse auch mal nicht reproduziert werden können und die Folgen eines bestimmten Genotyps wohl auch etwas von der Umwelt abhängen, eine unempfindlichere Version kann zu erhöhter Neugier führen, ist aber auch unter Heroinkonsumenten recht weite verbreitet.

    Bezüglich QTL, auch ohne ein Gen im entsprechenden Bereich könnte ein Polymorphismus in einer Bindungsstelle für Transkriptionsfaktoren durchaus Folgen haben. Andererseits muß selbst ein Polymorphismus in einem entsprechenden Gen mit deutlichen Folgen für die Expression nicht bedeuten, daß ein Unterschied durch diese Allele bedingt ist, z.B. wenn die entsprechenden Allele in zwei Populationen stark unterschiedliche Häufigkeiten haben und der Unterschied durch kulturelle Divergenzen bewirkt wird.