… dann knicken ihnen die Sprossen in der Karriereleiter oft ein, auch und gerade im Wissenschaftsbetrieb (wo Heimarbeit und Selbständigkeit, die oft als alternative Wege verfolgt werden, um weiter im erlernten Fachgebiet tätig zu sein, nur schwer – wenn überhaupt – zu realisieren sind). Und daran scheinen alle Versuche von Firmen und Institutionen, aber auch von arbeits- und familienrechtlicher Seite, die Gleichstellung von Frauen zu garantieren und eine Fortsetzung der Berufstätigkeit zu ermöglichen (Erziehungs-Auszeiten, Teilzeit-Beschäftigung etc.) nicht viel zu ändern, im Gegenteil. Dieses Dilemma schildern Clem Herman, Suzan Lewis und Anne Laure Humbert in ihrer Studie Women Scientists and Engineers in European Companies: Putting Motherhood under the Microscope, die in der aktuellen Ausgabe von Gender, Work & Organization erschienen ist.

Da der Artikel – bisher jedenfalls – frei zugänglich ist, werde ich mir die detaillierte Inhaltsangabe ersparen; nur so viel: Für die Studie wurden 24 Frauen, allesamt Mütter, in drei multinationalen Konzernen, deren Aufgabengebiete im bereit Wissenschaft und Technik liegen, über ihre Erfahrungen befragt. Die Resultate sind natürlich “nur” qualitativ, da sich aus 24 Fällen noch keine Daten gewinnen lassen – aber die gewonnen Einsichten sind durchaus interessant. Sie zeigen nämlich, dass das Problem der Unterrepräsentierung von Frauen in wissenschaftlich-technischen Führungsposition gar nicht primär ein Gender-Problem (also ein Problem der Unvereinbarkeit von Frauen- und Männer-Rollen) ist, sondern vor allem ein Mutterschafts-Problem. Was nicht heißen soll, dass Gender dabei keine Rolle spielt – aber Frauen ohne Kinder sind natürlich in der Lage, “one of the Boys” zu sein, also das männliche Rollenbild auszufüllen. Kritisch wird es, wenn sie Mütter werden (was natürlich niemandem verborgen bleibt) und ihre Rolle, ganz unabhängig von ihrem realen Verhalten, als eine andere wahrgenommen wird (die Erwartung ist, das Mütter ihre Aufmerksamkeit und vor allem auch zeitliche Verfügbarkeit zwischen Kindern und dem Beruf teilen).

Dies wird sogar noch verstärkt, wenn diese Firmen in der guten Absicht, dem Problem der “work-life-balance” von Frauen mit Kindern entgegen zu kommen, den Müttern einen Sonderstatus einräumt. Dann werden selbst jene Frauen, die bereit und in der Lage sind, dem männliche Rollenbild (das sich beispielsweise in langen Arbeitstagen = hoher Verfügbarkeit manifestiert) auch weiterhin zu entsprechen, plötzlich als weniger verfügbar wahrgenommen werden:

I worked full time after my first child — one thing was quite annoying — a lot of women with babies are not working full time so I was considered as not working full-time — I was working full time but I was a mother so I couldn’t get the job I wanted. They considered that I wasn’t working full time.

So wird in der Studie eine 39-jährige Mutter von drei Kindern zitiert, die bei einem französischen Konzern beschäftigt ist. Paradoxer Weise scheint dieses Problem umso geringer, je weniger Entgegenkommen und Akkomodationen Frauen mit Kindern in ihrer Arbeitswelt erwarten dürfen:

In ItalianCo, women were most likely to assimilate and least likely to challenge the status quo. With limited possibilities for part-time work and few senior women role models, most of them adapted to the constraints and conformed to organizational expectations, expressing little sense of agency for creating change within the company. These women felt there was no option of progression into management beyond the age of 40, and the frequent use of extended family support in maintaining their careers suggests that the wider Italian culture played a role in sustaining gendered workplace structures. However, given the potentially career-damaging impact of working part time, the lack of such opportunities may, in fact, operate in women’s favour, in so far as it has enabled them to achieve success in traditionally male terms.

Womit – dies sind nun meine privaten Schlussfolgerungen! – nicht gesagt werden soll, dass Mutterschutz und vergleichbare Errungenschaften den Frauen eh’ nur schaden und daher am besten gleich gar nicht, nach amerikanischem Vorbild gewissermaßen, angeboten werden sollten. Aber vielleicht wäre es nützlich – und auch für die Männer gesünder – wenn nicht nur das Rollenbild der Frau/Mutter unter die Lupe genommen würde, sondern auch die Rollenerwartungen an die Männer korrigiert würden. Nicht jede Stunde, die im Büro verbracht wird, ist produktiv, und aus jahrelanger Einsicht in Konzernkulturen weiß ich, dass ein Großteil der späten Stunden mit “Schausitzen” vergeudet wird.

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Kommentare (3)

  1. #1 CM
    12. September 2013

    Vielen Dank für den schönen Artikel. Ich kann allem zustimmen und füge hinzu, dass ich, ein gewöhnlicher Mann – nach 7 Monaten Elternzeit – ebenfalls erhebliche Probleme hatte und habe. Anderen geht es auch so. Mir bekannten Müttern und Vätern wurde nach Elternzeit gekündigt, sie bekamen minderwertige Arbeit (um sie unzufrieden zu machen) oder erlebten andere Schikanen (Beförderungs- und Lohnerhöhungsstopps).

    Alles in Allem: Es braucht einen besseren Interessenausgleich zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern – beide brauchen mehr Rechtssicherheit, um sich nicht überfordert oder ausgenutzt zu fühlen.

  2. #2 anonymous
    17. September 2013

    Ich als Vater habe selbst Elternzeit genommen nach der Geburt meines Sohnes und arbeite seitdem in Teilzeit. Vielleicht ist mein Beruf nicht unbedingt repräsentativ, für meinen Beruf im öffentlichen Dienst wüde ich sagen, dass auch mit diesem Weg Karrierechancen vorhanden sind.

    Mein Problem (bzw. eigentlich ist es kein Problem) ist eher, dass mir Lust und Kraft fehlen, mich auf den Karriereweg einzulassen. So, wie es gerade ist, will ich überhaupt nicht.

    Apropos Rollenbilder:
    Ich denke, man sollte Abschied davon nehmen, bestimmte Rollenbilder als beispielhaft zu präferieren. Es gibt heute viele Rollenbilder, und jeder von uns hat die Aufgabe, das zu wählen, das zu ihm selbst und seinen Bedürfnissen passt.

  3. #3 anonymous
    17. September 2013

    Wobei:

    “Wenn berufstätige Väter Mütter werden” wäre bestimmt auch mal einer Betrachtung wert.