Überschwang in der Wirtschaft (ein Thema, das den Wirtschafts-Nobelpreisträger Bob Shiller seit längerem beschäftigt) ist nicht auf Börsenkurse beschränkt – er kommt vermutlich noch viel stärker in der Managerbesoldung zum Ausdruck. Und mit desem Thema beschäftigt sich, welch ein Zufall, auch ein Artikel von James Surowiecki im aktuellen New Yorker. Basis von Surowieckis Artikel ist unter anderem das Paper Executive Superstars, Peer Groups, and Overcompensation: Cause, Effect, and Solution, das von Charles Elson und Craig Ferrere (beide lehren am John L. Weinberg Center for Corporate Governance der University of Delaware) in der aktuellen Ausgabe des Journal of Corporation Law veröffentlich wurde.
Worum geht es? Unter anderem darum, dass die Vorstandsbezüge in den vergangenen fünf Jahrzehnten ziemlich fantastisch explodiert sind: 1965 verdiente der Vorstandsvorsitzende einer US-Aktiengesellschaft etwa das 20-Fache des Durchschnittslohns seiner Firma – heute ist es im Schnitt das 270-Fache! Tragischer Weise ist dieser exzessive Anstieg, wie Elson und Ferrere beschreiben, die Folge genau jener Maßnahme, die solche Exzesse eigentlich verhindern sollte: stärkerer Transparenz. Die Hoffnung war, dass durch das Offenlegen der Vorstandsbezüge ein dämpfendes Schamgefühl bei den üppig Entlohnten und den Aufsichtsräten, die diese Besoldungsexzesse abnicken, entstehen sollte – doch genau das Gegenteil trat ein: Erstens weiß nun jeder CEO, wieviel seine Kolleginnen und Kollegen in der Branche verdienen. Und zweitens wird ja kein Aufsichtsrat einen unterdurchschnittlichen CEO anheuern wollen, und daher muss das Gehalt in jedem Fall über dem Durchschnitt (und der Konkurrenz) liegen. Und so schaukeln sich, dank Veröffentlichung, die Gehälter rapide in die Höhe. Die Autoren sprechen hier vom “Lake-Wobegon-Effekt”, benannt nach dem fiktiven Heimatort des US-Satirikers Garrison Keillor, in dem “alle Frauen stark, alle Männer gutaussehend und alle Kinder überdurchschnittlich” sind.
Genau zu diesem Thema hatte ich schon mehrfach mit dem kanadischen Unternehmens-Experten J. Richard Finlay gesprochen, und der hatte mir (vor einigen Jahren schon, zugegebener Maßen) dazu ein paar knackige Zitate in den Notizblock geflüstert, die ich hier nun mal wieder teilen will:
“Seit 1997 habe ich immer darauf hingewiesen, dass die überzogenen CEO-Gehälter der ‘Rinderwahnsinn’ in Nordamerikas Chefetagen seien. Und es gibt wenig Hinweise darauf, dass ein Heilmittel gegen diese Krankheit gefunden wurde.” Diese “Krankheit” hat sich inzwischen zur globalen Epidemie entwickelt und beispielsweise längst auch Deutschland erreicht hat. Ein Beispiel dafür war die 1998 eingefädelte und nur knapp ein Jahrzehnt überdauernde Fusion von Daimler-Benz und Chrysler (Finlay): “Vor dem Merger war Daimler Benz ein gut funktionierendes Unternehmen, das mit überlegenen Produkten weltweit führend war. Doch das Topmanagement verdiente erheblich weniger als seine amerikanischen Kollegen. Chrysler dagegen war eine vor sich hin dümpelnde Firma mit sinkendem Ansehen, einer schrumpfenden Kundenbasis und bröckelndem Aktienkurs – und wurde von einem extrem gut (manche sagen sogar, zu gut) bezahlten Management-Team geführt. Das alleine zeigt doch schon, dass hohe Bezahlung keine Garantie für Shareholder-Value oder Wertschätzung bei der Kundschaft ist. Und es könnte ein Hinweis darauf sein, dass DC sich in die falsche Richtung bewegt. Es gibt gute Gründe für Europa, noch einmal darüber nachzudenken, ob es sich noch mehr auf das amerikanische Modell zu bewegen sollte, als es sowieso schon getan hat.”
Finlay ist schon seit Jahren überzeugt, dass überzogene Chefgehälter nicht nur der Bilanz, sondern auch der Moral schaden: “Exzessive Chefbezüge spielten bei allen großen Firmenskandalen in jüngerer Zeit eine Rolle. Sie sind das zersetzendste Element in heutigen Geschäftsleben, weil sie die Denkfähigkeit der Spitzenleute verwirren, weil es sie von den Folgen ihrer Handlungen loslöst und damit dem Prinzip der Rechenschaft spottet, das eine der Grundlagen des öffentlichen Respekts für die kapitalistischen Institutionen ist.” All dies habe “eine Generation von ziemlich verwöhnten, zu groß geratenen Jünglingen, die sich als CEOs ausgeben und denen nie jemand ‘Nein” gesagt hat” geschaffen. “Erst wenn die Aufsichtsräte und Aktionäre lernen, nein zu den überzogenen Forderungen der CEOs zu sagen, ist ein erster Schritt hin zu mehr Vernunft in den Chefbezügen getan.”
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