Eigentlich hatte ich vor, dem Thema Verschwörungstheorien in meinem Blog mal eine längere Pause zu gönnen. Aber heute ist der 50. Jahrestag der Ermordung John F. Kennedys in Dallas, und das ist, in gewisser Weise, auch der 50. Jahrestag einer der größten Verschwörungstheorien aller Zeiten. Und da komme ich fast nicht umhin, nochmal darauf einzugehen.
Aber reden wir überhaupt von dem gleichen Phänomen, wenn wir den Begriff “Verschwörung” benutzen? Da wäre ich gar nicht so sicher, denn das englische Wort “conspiracy” leitet sich ja nicht von coniurare ab, sondern von conspirare. Und dieser Unterschied, wenn auch fein, ist nicht trivial: Eine Verschwörung enthält das Element des Schwurs, also der expliziten Verpflichtung auf ein Ziel. Ob das nun Menschen mit finsteren oder edlen Motiven sind, ist dabei fast schon unerheblich (und eher eine Frage der historischen Bewertung, wie beispielsweise die Operation Walküre uns lehren kann) – entscheidend ist, dass sie als Gruppe einen gemeinsamen Plan verfolgen und die Gemeinsamkeit dieses Planes ein maßgebliches Element der Aktion ist. Die “conspiratio” hingegen wäre schon gegeben, wenn die Beteiligten sich im Prinzip über ein Ziel einig sind, oder wenn es sich, nach unserem deutschen Rechtsverständnis, eigentlich “nur” um Mitwisserschaft handelt. Und genau so wird er im Englischen auch verstanden: der Straftatbestand der conspiracy (ja, das ist ein Delikt für sich) setzt nur voraus, dass mindestens zwei Personen sich einig sind. Das Ziel an sich kann dabei sogar völlig legal sein – die Absprache, die Mitwisserschaft alleine kann schon strafbar sein. Es gibt sogar juristisch die Möglichkeit einer conspiracy after the fact, was nach dem gängigen Verständnis von “Verschwörung” (coniuratio) eine oxymoronische contradictio in adiecto ist.
Wenn also, wie mein Blogger-Kollege Christian Reinboth heute gezeigt hat, Kennedys Sicherheitspersonal wenige Minuten nach dem Attentat die Blutspuren des Attentats beseitigt, dann wäre – da Vernichtung von Beweismaterial strafbar ist – der Tatbestand einer “conspiracy” bereits gegeben. Egal, was ihre Motive dafür waren. So gesehen gibt es also mindestens eine “Kennedy conspiracy”, aber ist das auch notwendiger Weise das, was wir unter einer “Verschwörung” verstehen?
Ich habe in meinen “verschwörungstheoretischen” Beiträgen schon öfter, aber vielleicht nicht explizit genug, auf diesen Aspekt hingewiesen. All die großen Verschwörungstheorien, vom Ufo-Absturz bei Roswell über John F. Kennedys Ermordung, bis hin zu den Anschlägen vom 11. September, haben eines gemeinsam: ein Apparat hatte versagt. Ob es nun eine Panne auf einer Raketenteststation war, oder ob Warnungen von Geheimdiensten ignoriert wurden; ob hochqualifizierte Leibwächter ihren Job nicht gut genug machten oder Routenplaner nicht an mögliche Gefahrensituationen dachten – viele Beteiligte hatten hinterher allerlei Gründe, Spuren zu verwischen, Fakten zu dementieren oder sogar potenzielle Zeugen einzuschüchtern.
Gab es also eine Kennedy-Conspiracy? Mit nahezu absoluter Sicherheit. Gab es eine Kennedy-Verschwörung? Das wüsste ich, ganz ehrlich, auch sehr gerne – aber diese Antwort, die sowohl ja als auch nein sein könnte, ist als Folge der Kennedy Conspiracy (siehe oben) vermutlich nicht mehr zu finden …
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