Als ich vor mehr als 23 Jahren meinen Job als US-Korrespondent angetreten hatte, war der Fall der so genannten Central Park Five der große Aufreger: Fünf Teenager zwischen 14 und 16 Jahren, die der Vergewaltigung einer jungen Joggerin im New Yorker Central Park im April 1989 beschuldigt wurden, hatten diese Tat nach intensiven Verhören gestanden (vier von ihnen, jedenfalls) und wurden im Sommer 1990, nach einem Aufsehen erregenden Prozess, zu langen Haftstrafen verurteilt. Die jungen Männer (ich würde, als Vater eines knapp 14-jährigen Sohnes, eher dazu neigen, sie als “große Kinder” zu bezeichnen) hatte ihre Geständnisse zwar widerrufen, doch trotz ansonsten dünner Beweislage kamen die Geschworenen zum Schluss, dass sie die Täter gewesen sein mussten. Was sich im Jahr 2002 als absolut falsch herausstellte, als ein anderer die Tat nicht nur gestand, sondern auch durch DNA-Beweise eindeutig als Täter identifiziert wurde. Falsche Geständnisse sind alles andere als ein Einzelfall: Von den 311 zum Tod Verurteilten, deren Unschuld durch eine nachträgliche DNA-Analyse bewiesen werden konnte, hatten nach Angaben des Innocence Project rund ein Viertel ein Geständnis abgelegt, und immerhin 29 bekannten sich in der Gerichtsverhandlung noch als schuldig.
Aber warum sollte jemand sich selbst einer Tat beschuldigen, die er/sie gar nicht begangen hat? Und schon gar, wenn ihm/ihr dafür die Todesstrafe droht? Eine interessante Frage, auf die der Artikel The Interview im New Yorker der vergangenen Woche zumindest im Ansatz eine Antwort geben kann (da der Artikel selbst – noch? – hinter der Abo-Paywall steckt, biete ich ersatzweise diesen Artikel des National Public Radio als Lesematerial an). Der Grund ist eine Kombination aus Pseudowissenschaft und Fehleinschätzung der Ermittler, gepaart mit dem fatalen Missverständnis, dass ein Verhör dazu da sei, Schuldige zu überführen (anstatt, wie es sinnvoll wäre, Informationen zu sammeln). Fernsehshows wie The Closer zelebrieren diese Fähigkeit, Geständnisse zu erfragen – und wecken selbst in strafermittlerisch unbedarften Zuschauern die Annahme, dass genau das der ideale Verlauf eines Verhörs sein müsse.
Basis dieser Verhörtechniken, die ein Ex-Polizist namens John E. Reid Anfang der 60-er Jahre entwickelt hatte, ist eine Kombination aus pseudo-psychologischer “Körpersprachanalyse”, Fehlinformationen und Einschüchterungstaktiken; ihre “Stärke” liegt darin, dass sie den verhörenden Polizisten jegliche Zweifel an ihrer eigenen Einschätzung ausräumt. In der Forschung nennt man das einen “conformation bias”.
Aber ich kann hier nicht die ganze Story nacherzählen – darum der Lesetipp. Aber sicher ist, dass ich Law & Order nach der Lektüre mit anderen Augen anschaue.
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