Die einfache Antwort wäre: Klar doch, wie das nachfolgende Video belegt. Bill Nye, “The Sciene Guy“, einer der populärsten Wissenschaftsvermittler der USA (und dessen Fliege manche vielleicht auch an Dr. Who erinnert), hat’s getan: Mehr als zwei Stunden lang hat er mit dem Australier Kenneth Ham, Gründer (und Geldgeber) des Kreationismus-Museums in Petersburg (Kentucky), debattiert:
Nein, ich habe mir dieses lange Video noch nicht angeschaut, und ich weiß auch nicht, ob ich es wirklich sehen will. Wer mehr zum Hintergrund und den Inhalten erfahren will, kann bei unserem US-Kollegen Greg Laden reinschauen. Mir geht es hier um die grundsätzliche Frage, ob man sich auf so eine Diskussion überhaupt anlassen sollte.
Aber ehe ich das weiter ausführe, erst mal ein bisschen Hintergrund zu dem US-Konzept einer “Debate”, den ich – Bauklötze staunend – gerade erst in einem Workshop kennen gelernt habe: Eine Debate (ich werde ab jetzt dafür bewusst den englischen Terminus verwenden, weil er eben nicht das beschreibt, was wir im Deutschen unter einer Debatte verstehen) ist ein streng formalisiertes Ritual, das im englischsprachigen Raum an Schulen und Universitäten in Meisterschaften (jawohl, mit Regionalligen, Trainern, Vorrunden, Halbfinalen und Trophäen) praktiziert wird. Es ist, wie schon gesagt, eher eine formal-rhetorische Übung, in der Form und Argumentationstechnik generell wichtiger sind als inhaltliche Überzeugung. Mit anderen Worten: Die Debaters vertreten zwar eine Position, aber sie muss nicht notwendiger Weise ihrer Überzeugung entsprechen. Weitgehende Emotionslosigkeit und strenges Einhalten der Redefolge sind eine Voraussetzung dieses Formats. Ich könnte das nicht …
Zurück zu meiner Ausgangsfrage also: Können – oder besser: sollen – Wissenschaftler sich auf so eine Debate einlassen? Spontan würde ich sagen: Hell no! Denn allein schon das Format der Debate stellt beide Seiten formal auf Augenhöhe (wörtlich wie bildlich gemeint). Indem er mit Ham debattiert, verleiht Nye dem Kreationsmus den Status einer ernst zunehmenden Position. Selbst wenn Nye – wie Greg Laden berichtet – die Debatte gewonnen hat (da werden wirklich Punktlisten geführt), kann Ken Ham, und mit ihm die Kreationistengemeinde, darauf pochen, dass sie von einem führenden Wissenschaftsvertreter ernst genommen wurden.
Der Haken ist nur: Wenn Nye sich der Diskussion verweigert hätte, wäre dies von Hams Seite als “der traut sich nicht” und damit als Eingeständnis einer zu erwartenden Niederlage (oder zumindest als argumentative Schwäche) ausschlachtbar gewesen. Und diese Vorlage würde ich den Kreationisten (die ja schon den Unterschied zwischen einer theoretischen Annahme und einer wissenschaftlichen Theorie nicht verstehen können oder wollen) auch nicht geben wollen. Das Konzept der Scientabilität könnte hier ja vielleicht helfen – aber auch das bricht nur neue Debatten (deutsch geschrieben) vom Zaun? Mich würde interessieren, was ScienceBlogs.de-Leserinnen und -Leser dazu meinen.
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