Ich muss gestehen, dass ich in meinen zweieinhalb Jahrzehnten als Journalist nie einen Gefallen an Pressekonferenzen finden konnte – das Wettmitschreiben der KollegInnen; die Sorge, einen wichtigen Satzteil überhört oder missverstanden zu haben; die Themenmonopolisierer in der immer zu knappen Frage-und-Antwortphase; die aus der PK resultierenden, weitgehend identischen Berichte mit denselben “Soundbites”; die vorwurfsvollen Fragen der Chefs, wenn man sich einen anderen Blickwinkel als die Konkurrenz ausgesucht hat und dann rechtfertigen muss, warum “wir” das nicht auch geschrieben haben, was bei der Konkurrenz steht … ich könnte noch lange lamentieren.

Aber warum komme ich darauf? Weil laut der aktuellen Ausgabe von Science der im März mit einer Pressekonferenz – und wohlwollendem Medienecho, auch von mir – verkündete empirische Nachweis der so genannten Inflationstheorie (Florian hat dies sehr ausführlich beschrieben) im Zusammenhang mit dem Urknall vielleicht doch etwas anderes ist, nämlich ein “Störsignal” aus unserer eigenen Milchstraße.

Raphael Flauger von der Princeton University hat zwar erst mal nicht viel mehr als eine alternative Erklärung dieser scheinbar beobachteten B-Moden (hat nichts mit Anziehsachen zu tun) präsentiert – aber auch nicht weniger. Leider. Eine Klärung wird erst im Herbst möglich sein, wenn die notwendigen Daten der Planck-Weltraumsonde vorliegen, die dann eine genauere Analyse erlauben als die vorläufigen Daten, mit der sowohl das BICEP-Team als auch Flauger arbeiten mussten.

Doch es geht mir hier gar nicht um den Urknall und die Bestätigung der Inflationstheorie, so sehr ich dies meinem MIT-Kollegen Alan Guth auch gewünscht und gegönnt habe. Sondern nur darum, dass dies nun die ich-weiß-nicht-wievielte wissenschaftliche Pressekonferenz ist, deren sensationelle Information dann letzlich als ein Heißluftballon abgesackt ist. Von der kalten Kernfusion (erinnert sich noch jemand) über ein “missing link” namens Ida, das Grab Jesu, bis hin zu den überlichtschnellen Neutrinos – die Liste ließe sich vermutlich, wenn man den Sensationsregler etwas weiter aufdreht, noch lange fortsetzen.

Es gibt bestimmt viel mehr Pressekonferenzen, die Informationen vorstellen, die nachher nicht widerrufen oder zumindest stark korrigiert werden muss, und nicht selten sind die Informationen, wenn korrekt, relativ unaufregend. Wie bei den meisten Pressekonferenzen halt.

Aber trotzdem will ich hier mal ein Plädoyer gegen Pressekonferenzen halten: Erstens, weil ich sie sowieso für ein unnötiges Ritual halte, in der Journalisten zu Stichwortgebern und Soundbiteaufschreibern reduziert werden. Und zweitens geht mein Plädoyer ganz besonders gegen Pressekonferenzen in der Wissenschaft. Denn der Zweck einer PK ist ja immer nur, Öffentlichkeit herzustellen (und sein Bild in die Medien zu kriegen, natürlich). Aber die Natur der Wissenschaft ist sowieso die Veröffentlichung; die wissenschaftliche Diskussion ist per Definition eine öffentliche, weil nur das Veröffentlichte zum wissenschaftlichen Kanon gehören kann. Mit anderen Worten: Es wird erst Wissenschaft, wenn es öffentlich (in Fachkreisen, versteht sich) diskutiert werden konnte. So gesehen ist es von vorneherein paradox anzunehmen, dass auf Pressekonferenzen wissenschaftliche Erkenntnisse veröffentlicht werden könnten – denn Erkennnisse werden sie immer erst hinterher.

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Kommentare (9)

  1. #1 A_Steroid
    23. Mai 2014

    ich stelle mir immer vor, wie auf einer PK der Sprecher der NASA anfängt “In den nächsten 2-3 Tagen wird ein 10km-Asteroid auf der Erde einschlagen…” und alles rennt nach draussen um die Redaktion zu informieren – jeder will und muss erster sein… und nur den 2 geduldigen “Hardcore-Rechercheuren”, die erst mal alles geduldig auseinanderpflücken was so erzählt wird, hören den Rest der Ansage “….könnten wir die heutige PK beginnen, aber auch diesmal gibt es nichts neues aus dem Weltall”. Das ist auch der Grund, warum ich nur Printmedien nutze – die sind etwas geduldiger als die Online-News… wo erst gepostet und dann gedacht wird…

  2. #2 Physik-Fan
    23. Mai 2014

    Besonders skeptisch bin ich, wenn es um die Bestätigung einer der Mainstream-Theorien geht. Die Inflationstheorie ist so eine und menschlich verständlich ist, dass man Indizien für sie herbeisehnt. Die Inflationstheorie hat ja auch faszinierende Aspekte. Mit einem Schlag lassen sich die zwei großen Probleme der Urknalltheorie, Flachheitsproblem und Gleichförmigkeitsproblem, lösen. Ein weiteres gutes Argument ist, dass sie auf ungezwungene Art und Weise zu einem Multiversum führt, dem Überraum des Falschen Vakuums, in dem sich spontan Inseln normalen Raumes bilden. Das wiederum leitet über zur Anwendung des anthropischen Prinzips für die Feinstellung der Naturkonstanten. Anders als in der Stringtheorie ist es nicht künstlich aufgesetzt, wo die Motivation i.W. wohl daraus erwächst, das Theorieprogramm weiterhin ungemindert am Laufen zu halten (was m.E. auf die Dauer sowieso nicht gelingen wird).
    Diese Dinge sprechen für die Inflationstheorie, aber die Schwierigkeiten sind im Detail. Der Mechanismus welcher die Inflation antreibt, ist komplett hypothetisch und aus bestimmten Gründen hat man ad hoc einen eigenen Higgs-artigen Mechanismus, das Inflatonfeld, kreiert. Damit die inflationäre Phase die kosmischen Beobachtungsdaten richtig wiedergibt, muss die Kurve des Energiedichteabfalls des Inflatonfeldes extrem genau eingestellt sein. Aus der Theorie geht der Verlauf Kurve nicht hervor, er muss manuell eingefügt werden.
    Hier kann man natürlich wieder das anthropische Prinzip zu Hilfe nehmen, aber wird das nicht zu viel des Guten? Es ist doch sehr billig, jedesmal wenn in einer Theorie Parameter auftreten, deren Werte nicht abgeleitet werden können, zu diesem Mittel zu greifen. So verliert sich die Physik in der Beliebigkeit (Stimmen dazu z.B. Gross, früher Einstein). Es kann gut sein, dass die Inflationstheorie bereits den Bogen überspannt hat. Eine schöne Idee, aber leider …
    Aus diesem Grunde: Vorsicht bei angeblichen Bestätigungen des Inflationsmodells!

  3. #3 Joseph Kuhn
    24. Mai 2014

    Nachgefragt: Du argumentierst ja sicher nicht gegen Wissenschaftskommunikation überhaupt, sonst müssten wir scienceblogs zumachen, sondern gegen das spezifische Instrument Pressekonferenz. Meinst Du auch Pressemitteilungen? Auch wissenschaftliche Pressedienste? Und gibt es nicht einen Unterschied zwischen der wissenschaftlichen Veröffentlichung und der Veröffentlichung von Wissenschaft? Das erste zielt auf die Diskussion innerhalb der Wissenschaft, das zweite auf die Information einer breiteren Öffentlichkeit.

  4. #4 Jürgen Schönstein
    24. Mai 2014

    @Joseph
    Ich ziele ganz speziell auf das Format der Pressekonferenz ab, das ja mehr Show ist als Informationsmedium, und das auch seine Wirkung primär durch das Show-Element (schaut her, wir zeigen Euch was) entfaltet. Pressemitteilungen erlauben den Empfängern, sie in ihrem eigenen Tempo, und mit eigener Gewichtung auszuwerten; sie erlaubern das Nachdenken und Rückblättern. Pressekonferenzen sind reine Verlautbarungsveranstaltungen – und manchmal ist das auch sinnvoll. Aber wenn dabei eine neue wissenschaftliche Erkenntnis (also eine, die noch nicht den Reifeprozess von Peer-Review-Publikation-Rezeption durchlaufen hat) verkündet werden soll, dann ist das erstens oft eher paradox, gerade WEIL diese Erkenntnis meistens noch unausgereift und “hot off the press” ist. Und zweitens beginne ich zu argwöhnen, dass damit einer Nachricht, die den strengeren Maßstäben der Peer Review nicht statthalten würde (und sei es auch nur, weil noch nicht alle Daten vorhanden sind – selbst wenn die Idee im Kern völlig plausibel ist), ein Öffentlichkeitswert zugeteilt werden soll, den sie aus wissenschaftlicher Sicht – noch – nicht verdient. Mit anderen Worten: Wenn die breite Öffentlichkeit bereits über etwas informiert wird, was innerhalb der Wissenschaft nocht gar nicht diskutiert werden konnte, dann luauft etwas ganz enorm schief.

    Ich gestehe, dass ich mir eigentlich, von der Verkündung wissenschaftlicher Preise oder Berufungen mal abgesehen, keinen guten Grund denken kann, warum eine wissenschaftliche Pressekonferenz sinnvoll sein sollte.

  5. #5 Joseph Kuhn
    24. Mai 2014

    @ Jürgen: Ein interessanter Punkt. Wobei, wenn ich es richtig verstehe, es dann eigentlich mehr darum geht, ob etwas vor dem Peer Review öffentlich vermarktet wird, als um den Unterschied zwischen PK und PM? So wie ein Auto nicht vor der Zulassung gefahren werden soll?

  6. #6 Jürgen Schönstein
    24. Mai 2014

    @Joseph #5
    Das größte Problem ist das Format der PK, wie ich in meinem einleitenden Absatz schon beschrieben habe. Es ist einfach ungeeignet für die Veröffentlichung wissenschaftlicher Inhalte – weil a) zu wenig Zeit für Fragen bleibt, und die Frage alle “aus der Hüfte geschossen” werden müssen, und b) durch das Format ein “Wettrennen” zwischen den Medien inszeniert wird, wer es nun schafft, diese Information am schnellsten unter die Leute zu bringen. Und 3), weil man zu einer PK zumeist nur Medienvertreter, nicht aber die kritischen FachkollegInnen einläd.

  7. #7 Bettina Wurche
    16. Juni 2014

    Diesen Artikel hätte ich doch glatt übersehen, wenn er nicht Artikel der Woche geworden wäre.
    Ja, sehe ich auch so.
    PKs sind für mich immer nur ein Hinweis, dass da vielleicht jemand etwas zu erzählen haben könnte.
    Aber sie ergeben oft nicht viel mehr.
    Sie sind oft nur ein Zeremoniell.

    Ein besonders abschreckendes Beispiel war der ganze Rummel um das Messel-Fossil “Ida”.

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  9. […] gehören für Journalisten zum Alltag, aber ich gestehe hier gleich mal, dass ich mit Pressekonferenzen bei wissenschaftlichen Themen nicht unbedingt die besten Erfahrungen gemacht habe: Siehe das “Missing Link” Ida, oder die überlichtschnellen […]