Ich werde über das Thema “Todesstrafe” hier immer wieder schreiben, weil es ein ethisches Thema ist, das mich sehr bewegt. Aber ich höre schon wieder die Kritik, dies sei doch ein Wissenschaftsblog und was Hinrichtungen un den USA bitteschön mit Wissenschaft zu tun hätten, und darum verweise ich einfach noch einmal auf einen älteren Beitrag, in dem u.a. Arbeiten zur abschreckenden Wirksamkeit und andere fachliche Betrachtung zum Thema Todesstrafe vorgestellt wurden. Nachdem das abgehakt ist, nun zum aktuellen Anlass: Arizona hat, nachdem die pharmakologische Hinrichtung von Joseph R. Wood sich über knapp zwei Stunden erstreckte, erst mal wieder alle Vollstreckungen ausgesetzt. Aber nicht etwa, wie man als aufgeklärter Mensch hoffen möchte, um sich über den Sinn und Unsinn dieses archaischen Rechtsverständnisses Gedanken zu machen, sondern eigentlich nur (mal wieder) um zu prüfen, ob es nicht andere und scheinbar “humanere” Hinrichtungsmethoden gibt.

Und an dieser Stelle schießt mir dann immer die amerikanische Redewendung putting lipstick on a pig ein. Diese Redewendung illustriert den ebenso offensichtlichen wie vergeblichen Versuch, die wahre Natur von etwas durch einen kosmetischen Kniff verschleiern zu wollen. Und letztlich ist die Idee einer “humanen” Hinrichtung nichts anderes als ein groteskes Paradoxon. Selbst wenn sie (scheinbar) von der amerikanischen Verfassung vorgeschrieben ist, die ja in ihrem 8. Zusatzartikel “grausame und ungewöhnliche Strafen” ausdrücklich untersagt.

Doch damit ist eigentlich schon alles klar. Denn die Todesstrafe ist – egal, we sie vollstreckt wird – gewiss “unüblich”, zumindest in den Gesellschaften, deren soziale Normen auch die USA weitestgehend anerkennen und auch für sich selbst in Anspruch nehmen (i.e. “westliche Länder”). Und sie ist von Natur aus grausam – das Töten eines Menschen ist immer grausam (das ist ja auch einer der Gründe, warum Morde in allen Gesellschaften zu den schwersten denkbaren Verbrechen gezählt werden). Und diese Grausamkeit wird eben nicht dadurch gemildert, dass man den Sensenmann mit Lippenstift schminkt, sprich: das Sterben so “milde” wie möglich machen will. Davon abgesehen dass dies, wie ich hier schon mal geschrieben hatte, ja sowieso heuchlerisch ist. Letztlich ist es keine Frage, ob sich eine “humanere” Form der Hinrichtung finden lässt (auch die Guillotine sollte Hinrichtungen weniger grausam machen), sondern es kann nur darum gehen einzusehen, dass es sich dabei immer um einen grausamen, unzeitgemäßen und letztlich unvertretbaren Akt handet. Egal, wieviel Lippenstift man draufschmieren will…

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Kommentare (10)

  1. #1 rolak
    25. Juli 2014

    putting lipstick on a pig

    Die beste, allerdings (wie auch im post-Fall) nicht immer passende hiesige Variante, die mir bisher unterkam ist ‘den Holzhammer verzuckern’. Tipps gerne gelesen…

    Allerdings glaube ich gemäß Hanlon’s Razor nicht, daß das -äh- Ringen um eine humanere Variante das Hinrichten an sich aufhübschen und besser verkäuflich machen soll, sondern ein typisches Resultat logischen Werkelns in obskuren Schemata ist. In etwa wie “Strafe hat gerecht bemessen zu sein, nicht zu viel, nicht zu wenig. Hinrichtung ist hart aber richtig, mehr sollte jedoch auch nicht. Smoother Killing.”
    Und die armen Seelen der Beobachter und anderer Beteiligter müssen ja auch berücksichtigt werden.

  2. #2 ulfi
    27. Juli 2014

    Ich hatte darüber vor ein paar Tagen mit einem angehenden Arzt geredet. Er meinte: Wenn es nur darum geht, Menschen schmerzlos und schnell ins Grab zu kriegen, dann weiß jeder Anästhesist, wie das geht – der legt einfach eine Narkose ohne Beatmung, zusammen mit Medikamenten, die einem die Angst nehmen. Stellt sich heraus, dass das unter Anästhesisten in der Tat eine “bevorzugte” Suizidform ist.
    Auf meine Frage, warum das nicht so gemacht wird, meinte der Kollege dann nur, dass es auch darum geht, Geld zu sparen. Ich teile das Argument nicht ganz. Unter anderem gibt es ja auch das Problem, dass zum Beispiel keine Medikamente aus Europa in Länder exportiert werden, die dort für die Todesstrafe verwendet werden. Eventuell möchte man nicht hochwirksamee Medikamente in den Krankenhäusern verlieren.

    Unabhängig davon der Disclaimer: Todesstrafe gehört abgeschafft, weil sie unmenschlich ist. Darum gibt es nichts zu diskutieren.

  3. #3 Günter Vennecke
    27. Juli 2014

    Es versetzt mich immer wieder in Erstaunen, mit welchen “Argumenten” in den USA die Todesstrafe verteidigt wird, insbesondere von Leuten, die sich Christen nennen.

    Argumentiert man von der christlichen Ehtik (was immer das sein mag) her, gibt es doch wohl nichts unchristlicheres, als einen anderen Menschen zu töten.

    Aber Religion und Logik sind dann wohl doch eher zwei unvereinbare Gegensätze.

    Ich bin ein erklärter Gegner der Todesstrafe und denke, dass keine Staat, kein Gericht und schon gar kein Individuum das Recht aht, darüber zu befinden, ob jemand anderes leben darf oder sterben soll.

    Allein die hohe Zahl der Fälle, in denen sich NACH der Hinrichtung dann herausgestellt hat, dass der Delinquent doch unschuldig war – obwohl er vielleicht sogar ein Geständnis abgelegt hat – macht die Todesstrafe unerträglich.

    Das vernichtet auch das Argument, dass man nur dann Menschen zum Tode verurteilen sollte, wenn sie selbst geständig sind. Damit stellt man auch den Grundsatz auf den Kopf, dass ein reuiger Sünder mit einer milderen Strafe rechnen kann.

    In diesem Fall würde ja derjenige, der eine mit der Todesstrafe bewehrte Tat hartnäckig leugnet, milder bestraft werden als jemand, der aus welchem Grunde auch immer ein Geständnis ablegt.

    Todesstrafe also Nein, Nein und abermals NEIN!

  4. #4 JPeelen
    28. Juli 2014

    Mir fällt auf, das in Diskussionen über die Todesstrafe die Opfer und deren Recht auf Leben so gut wie nie vorkommen.

    Einzige mir geläufige Ausnahme ist ein Bericht von Christiane Amanpour in CNN über einen Todeskandidaten, wo zumindest erwähnt wurde, dass das Opfer -eine Rentnerin- sich in Todesangst unter ihrem Auto zu verkriechen versuchte und der “Held” seinem Kumpel zurief: “Kill the bitch!” Was dann auch geschah.

    Wieso liest man immer nur, dass die Todesstrafe unerträglich ist, aber so gut wie nie ein Wort über die Unerträglichkeit des Mordes der ihr voranging?

  5. #5 geov
    Soltau
    29. Juli 2014

    Lippenstift für den Killer
    Ich lehne die Todesstrafe kategorisch ab. Allerdings bin ich nicht so naiv, dass ich die Opfer, hier die Angehörigen, ausblende. Ohne Frage verdienen diese unsere größte Fürsorge.
    Mehr als einmal habe ich mir in meiner Fantasie vorgestellt und gefragt: Was machst du, wenn eine „Killerbestie“ deine Kinder oder deine Frau niedergemeuchelt hat? Sehr wahrscheinlich würde ich ebenfalls zur Bestie und Dinge tun, die ich sonst niemals tun würde. Hätte ich ein Beil zur Hand, ich würde dem „Perversling“ den Schädel spalten. Mit einer hochkalibrigen Schnellfeuerwaffe wäre das natürlich viel leichter und „sauberer“ zu bewerkstelligen. Ich weiß allerdings nicht, ob es mir anschließend besser gehen würde, nachdem sich meine ganze Wut, mein Hass, meine Rachegefühle auf diesem „elenden Schwein“ entladen hätten.
    Darum geht es in meinen Augen aber nicht, wenn es um die Ablehnung der Todesstrafe geht. Meine Befindlichkeiten als Opfer sollten außen vor bleiben. Recht sprechen und ausführen sollen Leute, die den nötigen Abstand haben und etwas davon verstehen. Leider wird das in den „hochzivilisierten“ Ländern noch nicht überall gleich, d. h. im Sinne der Todesstrafengegner, gesehen.

  6. #6 ulfi
    30. Juli 2014

    @JPeeln

    Ganz einfach aus dm Grunde: Das Opfer ist bereits tot und egal wie lange du den Töäter quälst – das bringt das Opfer doch nicht zurück.

    Und ja auch der Täter hat ein Recht auf Leben, noch mehr so, als dass sich nie mit absoluter Sicherheit ausschließen lässt, dass der Täter eben nicht der Täter ist. Und noch gruseliger wirds, wenn man bedenkt, dass schwarze Männer in den USA überproportional häufiger als weiße Männer für die selben Delikte zum Tode verurteilt werden, und weiße Männer überproportional häufiger als Frauen.

    Die Todesstrafe ist niemals gerecht.

  7. #7 Ketzer
    2. August 2014

    Worunter leidet der Delinquent mehr, unter der Todes- oder unter einer lebenslangen Freiheitsstrafe?

    Was kommt häufiger vor, Selbsterlösung durch Suizid oder Selbsterlösung durch den freiwilligen Gang in Gefangenschaft? Welcher Weg ist effektiver und warum?

    In Notwehr- und Nothilfesituationen gewichten wir das Leben des Täters geringer als verschiedene andere Rechtsgüter. Was spricht dagegen, dasselbe in einem langsamen, gründlichen und auf dem Instanzenweg überprüfbaren Prozess zu tun?

    Beginnen äußere Feinde einen Angriffskrieg gegen ein Land, so hat dessen Bevölkerung die Wahl zwischen der sofortigen Kapitulation, die in einen kollektiven Freiheitsentzug mündet, und der bewaffneten Gegenwehr, die mit Sicherheit auf beiden Seiten Menschenleben fordern wird. Wäre die sofortige Kapitulation die bevorzugte Lösung?

    Mit welcher Strafe wäre beispielsweise ein Völkermord angemessen vergolten?

  8. #8 Sim
    2. August 2014

    Man darf auch nicht vergessen, dass das schlimmste an der Todesstrafe vielleicht nicht einmal der Akt der Hinrichtung selber ist sondern das Warten darauf. Jahrzehntelang in einer Todeszelle eingesperrt zu sein, dahinzuvegetieren und nur auf den Tod zu warten.

    Das ist ein Horrorszenario das möchte man sich gar nicht vertiefend ausmalen. Und egal ob man Jemanden sowas wünscht oder nicht ein Mensch ist ja immer mal von seinen Emotionen geleitet und es sind immer Situationen vorstellbar wo man jemand anderen das schlimmste wünscht. Es gehört schlicht und ergreifend nicht in das Repertoire der Strafmaßnahmen eines Staates. Es darf einfach keine Option sein, denn diese können immer missbraucht werden und es gibt kaum eine ausweglosere Situation als Opfer des Staates zu werden.

    Wenn du von der Mafia oder irgendwelchen anderen Terroristen entführt wirst hast du immer noch die Hoffnung, dass da irgend ein Sondereinsatzkommando dich rausboxen könnte. In Staatshand ist das Urteil in der Regel final eine grausame, kalte, eiserne Hand die dich an der Gurgel packt und nicht loslässt bis du deinen letzten Atemzug ausgehaucht hast.

    Und es ist immer möglich unverschuldet in so eine Situation zu geraten und allein der Gedanke in einem Land zu leben in dem es die Möglichkeit gibt in eine solche Situation zu geraten mindert die Lebensqualität selbst wenn die tatsächliche Wahrscheinlichkeit in eine solche Situation zu geraten gering ist. Aber sie ist existent und es ist bereits passiert und es wird weiterhin passieren solange es irgendwo Todesstrafen gibt.

    Weltweit abschaffen!

  9. #9 a.n
    8. August 2014

    Lustig finde ich immer die Aussage “Wieso Todesstrafe, lebenslang wegsperren und gut ist!”. Eine lebenslange Freiheitsstrafe ohne eine auch nur noch so geringe Aussicht auf Entlassung ist doch letztlich genauso inhuman. Klar, Fehlurteile richten etwas weniger Schaden an, aber das war es für mich auch schon an “Vorteilen” gegenüber der Todesstrafe. Wer Todesstrafe nach humanitären Gesichtspunkten ablehnt, kann meiner Meinung nach nicht gleichzeitig eine lebenslange Freiheitsstrafe gutheißen.

  10. #10 Arnd
    11. August 2014

    Todesstrafe an sich ist barbarisch. Ich frage mich aber immer wo das Problem ist einen Menschen schmerzfrei und relativ schnell hinzurichten? Das konnten schon im Mittelalter die Henker und später die Franzosen mit der Guillotine (“Kopf ab”). Wo ist das Problem? Wahrscheinlich soll es zudem noch friedlich aussehen… Überdosis eines Narkotikums? Einfach Schlafmittel? Sollte doch nicht so schwer sein.

    Das ganze stellt für mich ein Puzzlestück im Paradoxon der amerikanischen Psyche dar. Einfach schwer zu verstehen.