Während meines Geographiestudiums hatte ich zum ersten Mal davon gehört, und knapp zehn Jahre später, bei einem Besuch im Death Valley, konnte ich sie auch selbst sehen: die wandernden Steine (“sailing stones” im Englischen) der Racetrack Playa. Dass die oftmals zentnerschweren Steine sich bewegen, ist wegen der markanten Spuren, die sie dabei hinterlassen, nicht zu übersehen:
Foto:Tahoenathan (Own work) [CC-BY-SA-3.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0) or GFDL (https://www.gnu.org/copyleft/fdl.html)], via Wikimedia Commons
Die Frage war: Wie bewegen sie sich? Die plausibelste Antwort – die vor allem durch die Tatsache, dass die Bewegung der Steine auch im Bild eingefangen wurde, stark untermauert wird – ist nun in der aktuellen Ausgabe von PloS One präsentiert worden: Sliding Rocks on Racetrack Playa, Death Valley National Park: First Observation of Rocks in Motion.
Doch ehe ich auf die Erklärung eingehe, eine kurze Zusammenfassung der bisherigen Hypothesen. Dass der flache, lehmige Untergrund, sporadische Niederschläge und – als Antriebsquelle, sozusagen – der Wind dabei eine Rolle spielen mussten, schien spontan begreiflich. Doch wie diese Faktoren zusammenspielten, war Nahrung für eine ganze Reihe von Theorien. Die erste These, dass die Felsen allein durch den Wind auf einem von Niederschlag gesättigten Untergrund “segeln” könnte, scheiterte an den dazu notwendigen Windgeschwindigkeiten – bis zu 120 km/h wären für einige der Brocken (bis zu 700 Kilogramm schwer) erforderlich gewesen. Dass die Chancen, so einen Brocken zu bewegen, erheblich größer würden, wenn man nächtliche Frosttemperaturen (ja, das Death Valley ist zwar einer der heißesten Orte der Erde, aber dennoch kann es dort zu Nachtfrost kommen) und daraus resultierendes Eis in Betracht gezogen würden. Und die lange Zeit als die überzeugendste Erklärung geltende war die, dass sich das Racetrack-Becken durch Niederschlag füllt, der dann über Nacht zu einer Eisdecke gefriert und die Felsen quasi in ein Eisfloß einpackt. Wenn das Eis am nächsten Morgen zu schmelzen beginnt, und die passenden Windstärken auftreten, dann müsste doch der “Segeleffekt” (die Bezeichnung “sailing stones” wäre demnach sehr passend) dieser Eisflöße ausreichend sein, um die Felsen über den matschigen Untergrund rutschen zu lassen.
Der einzige, aber entscheidende Haken dieser Hypothese war, dass sie sich nicht durch Beobachtung untermauern ließ. Das Eis, das sich unmittelbar um die Steine bildet, hat die physikalisch durchaus naheliegende Eigenschaft, durch die schnellere Erwärmung der Steine im Sonnenlicht zu schmelzen. Doch die Idee war nicht völlig abwegig:
Wie ein Team um den Paläobiologen Richard Norris durch GPS-Messungen und Überwachungskameras – und mit ziemlich viel Geduld, denn oft bewegen sich die Steine jahrelang nicht – nachweisen konnten, spielt eine dünne Wasserdecke (ein paar Zentimeter, mehr nicht) und eine dünne Eisdecke (ein paar Millimeter) die entscheidende Rolle. Den Steinen kommt dabei nur die Rolle des passiven Hindernisses entgegen: Die dünnen, aber großflächigen Eisschollen, die sich nach der morgendlichen Erwärmung im Lauf des Tages bilden, schieben die Steinbrocken, vom Wind getrieben, vor sich her:
Der Unterschied zwischen der Eisfloß-These und der aktuellen Erklärung ist also nicht fundamental – beide basieren auf dem Zusammenspiel von Wasser und Eis, Sonne, Wind und dem flachen Schlammbett der Racetrack Playa. Dass das Eis nicht einfach nur das Segel, sondern die bewegende Masse ist, ist längst nicht mehr so überraschend, wenn man sich anschaut, dass eine zehn Meter durchmessende und einen Zentimeter dicke Eisscholle (nehmen wir der Einfachheit halber mal an, dass sie perfekt rund ist) mehr als 700 Kilogramm wiegen kann – genug Masse, um selbst einen größeren Brocken auf gut geschmierten Untergrund vor sich her zu schubsen.
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