Geschafft – der 11. September liegt hinter mir. In der Vergangenheit hatte ich diesen Tag zum Anlass genommen, ein paar Gedanken zu den Anschlägen des 11.9.2001 aufzuschreiben, auch wenn sie schon länger nicht mehr so gedenkbereit klangen. Und ab diesem Jahr bin ich entschlossen, wenn schon nicht einfach zu vergessen, was an jenem Tag in New York (und, in einiger Distanz von meinem Alltag, auch in Arlington bei Washington, D.C.) geschah, dann aber meine Erinnerungskraft nicht darauf zu verschwenden, den Ruhm religiöser Fanatiker zu mehren, die durch ihre Attentat jene “Unsterblichkeit” zu erringen hofften, die mit einem Fixpunkt im Geschichtsbuch verbunden ist.
Woran wir uns erinnern sollten ist, was ich nicht vergessen will ist, was danach, ab dem 12. September, geschah (ohne Anspruch auf Vollständigkeit oder chronologische Präzision):
– der USA Patriot Act, für den all jene Freiheiten geopfert wurden, die er zu schützen vorgab (der Name des Gesetzeswerks ist eine Abkürzung für den Orwellschen Neusprech-Euphemismus Uniting and Strengthening America by Providing Appropriate Tools Required to Intercept and Obstruct Terrorism Act of 2001) und ohne den beispielsweise der NSA-Abhörskandal, der ja auch in Deutschland heftige Wirkungen hatte, kaum vorstellbar wäre;
– “Terrorist” wurde (weitgehend) zum Synonym für “Moslem” – als ob es beispielsweise den Anschlag auf das Alfred-Murrah-Gebäude in Oklahoma City nie gegeben hätte, und obwohl amerikanische Waffennarren direkt oder indirekt alljährlich mehr als das Zehnfache an Todesopfern auf dem Gewissen haben;
– ein letzlich grundloser Krieg wurde angezettelt, und wer diesen Krieg kritisierte, wurde als unpatriotisch abgestempelt;
– diesen Krieg zu rechtfertigen/unterstützen, wurde als Akt der Unterstützung der Soldaten zelebriert; die eher naheliegende Idee, den Soldaten dadurch zu helfen, sie erst gar nicht in sinnlose Kriege zu schicken, kam dagegen beinahe dem Landesverrat gleich;
– Kritik oder Zweifel an der Politik des Präsidenten George W. Bush wurden als unpatriotisch verdammt, selbst wenn es dabei vor allem um Steuergeschenke für Hochverdiener zu Lasten der unteren Einkommensgruppen ging und dies die Einkommensschere drastisch weiter öffnete;
– doch die gleiche Personengruppe, die sich jegliche Kritik an GWB verbeten hatte, zögert nicht, Präsident Barack Obama in einer offiziellen Rede zur Gesundheitsreform durch einen jeglicher Etikette widersprechenden Zwischenruf als Lügner zu bezeichnen;
– durch “Nebenwirkungen” wie den NSA-Skandal, eine gesteigerte Neigung zur Willkür bei Einreisebamten und die geopolitischen Nachwirkungen der Kriege in Afghanistan und im Irak wurden auch Europäer, speziell auch Deutsche, zu Leidtragenden dieser US-Politik.
Klar doch, Steuergeschenke und der Rassismus, der sich letztlich auch im Verhalten gegenüber Obama widerspiegelt, gab es auch am 10. September 2001 und an allen Tagen davor schon. Doch ohne das schamlose Ausschlachten der Anschläge, ohne die Strohmänner, die beim leisesten Aufkommen von Kritik abgefackelt wurden, und ohne die gezielt ausgenutzte und politisch opportune Angst (Warnstufe Orange kam immer passender Weise dann, wenn sich die Möglichkeit einer breiteren Kritik an GWB zu manifestieren schien) wäre die Unverblümtheit, mit der einseitige Interessen durchgesetzt wurden, kaum denkbar gewesen. Wenn es etwas zu erinnern gibt, dann dass Angst ein schlechter politischer Berater ist.
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