Ich stecke mal wieder an einem Flughafen fest – und wieder ist es der O’Hare-Flughafen in Chicago. Zum Glück ist diesmal nicht (nur) das Wetter schuld: Da ein anscheinend Lebensmüder vor einigen Tagen die regionale Radar-Flugüberwachung in Aurora (Illinois) abgefackelt hatte, ist die Flughafenverwaltung – die von schlechtem Wetter ansonsten immer nur ganz unvorbereitet überrascht zu werden scheint – etwas besser auf gestrandete Passagiere eingestellt: Einige Fastfood-Schalter sind auch kurz vor Mitternacht noch offen, und in einigen etwas ruhigeren Ecken des Flughafens sind Feldbetten aufgestellt (eines davon wird wohl meine Schlafstatt werden).

Aber ich wollte gar nicht so sehr jammern; es gehört leider zu meinem Job als Journalist, verreisen zu müssen – und wer verreist, riskiert immer Pannen und Flugausfälle. Was ich hier mal zur Diskussion stellen wollte, ist eine rein technische Frage: Die Idee des Internet beruhte ja darauf, ein Netz zu etablieren, das auch den teilweisen oder sogar völligen Ausfall einzelner Knoten verkraften kann. Das Flugnetz hingegen bricht durch den Ausfall eines einzelnen Knotens selbst in nicht direkt betroffenen Bereichen zusammen. Wäre es eigentlich möglich, Flugknoten und -Netze nach dem Vorbild eines Internetprotokolls zu konstruieren? Also statt einiger massiv zentralisierter Knotenpunkte – Chigago ist ein solcher “Hub” – eine Art dezentrales System von kleineren Flugverbindungen, die dafür kürzere Umsteige- und Bodenzeiten* mit sich brächten und daher auch ein zwei- oder gar dreimaliges Umsteigen praktikabel machen. Vor allem aber: Die es erlauben, überlastete Knoten zu vermeiden. Denn diese Knoten sind ja für einen Großteil des Verkehrs nicht der Zielpunkt, sondern nur eine Schaltstelle. In meinem konkreten Fall: Ich wollte ja gar nicht nach Chicago, sondern nach Vancouver – doch weil ich wegen des Wetters zu spät in Chicago angekommen bin, war der Weiterflug schon weg. Aber jede andere Verbindung (meinetwegen über Dayton oder Salt Lake City oder Denver oder meinetwegen auch Sun Valley in Idaho) wäre genauso gut gewesen.

* Die sind nämlich auf den großen Flughäfen, die derzeit als der Goldstandard effizienter Flugverkehrsbewältigung gelten, ziemlich lang: Allein die Rollzeit vom Touchdown in Chicago bis zum andocken am Terminal dauerte mehr als 20 Minuten; der Fußweg bis zum Abflug-Schalter war selbst mit eiligsten Schritten nicht unter weiteren 20 Minuten zu schaffen. Wenn ich dann noch die ca. 45 Minuten dazu zähle, die ich in Boston mit der viel zu langen Schlange an der Sicherheitskontrolle verbracht habe, hat sich die Reisezeit bereits um 85 Minuten, als fast eineinhalb Stunden, verlängert. Alles in allem werde ich für die insgesamt etwa fünfeinhalb reinen Flugstunden von Boston nach Vancouver runde 16 Stunden im einen oder anderen Flughafengebäude und weitere 55 Minuten auf dem Rollfeld von Boston und Chicago verbracht haben. Dagegen wären drei oder sogar vier Umsteigeflüge via kleinere Regionalflughäfen – mit Bodenzeiten, die sich noch in Minuten bemessen ließen – durchaus zu bevorzugen.

Vorausgesetzt natürlich, die Fluggesellschaften bringen es fertig, endlich mal ein effizientes Ein- und Aussteigesystem zu entwickeln. Aber das ist eine andere Geschichte, und die soll ein andermal erzählt werden…

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Kommentare (4)

  1. #1 Koi
    3. Oktober 2014

    So unterschiedlich sind die Systeme gar nicht, wie sie sich darstellen.
    Vor allem ist das Internet gar nicht so dezentral aufgebaut, wie man sich das vorstellt. Kleiner Lesetip: “Kabelsalat” von Andrew Blum (ich habe den englisch Titel gerade nicht bei der Hand). Ein Ausfall eines wichtigen Hub wuerde zu aehnlichen Problemen fuehren. nur ist die Verspaetung eines Datenpakets,das statt 50ms 1000ms braucht auf dem Sofa daheim leichter zu ertragen. Streamer und Skyper wuerden natuerlich erstmal aussteigen muessen. Ein Unterschied, der nicht so leicht aenderbar ist, ist dass im Flugverkehr Transportmittel verwendet werden, die vom Zielort zum naechsten muessen, und das extrem wirtschaftlich. Hier koennte man das Bahnnetz in Teilen Europas vergleichen. Aber dann muesste das Umsteigen bzw. umbuchen extrem flexibel sein, auch zwischen den carriern.
    Mehr vielleicht, wenn ich an einem richtigen computer sitze.

  2. #2 Stefan Wagner
    https://demystifikation.wordpress.com/2014/10/03/bananentag/
    3. Oktober 2014

    Im Computernetz können Pakete rasch umgeroutet werden, aber um eine hohe Flexibiltät im Flugverkehr zu erreichen müssten die Fluglinien gegenseitig ihre Flugtickets anerkennen. Es müsste auch für den Preis nur das Ziel entscheiden, nicht der Weg. Wenn man hier 10kg, da 15kg und dort 20kg ohne Aufpreis mitnehmen kann – auch das müsste vereinheitlicht werden. Was Fluglinien für Bürokratismus an Flughäfen bewältigen müssen, weiß ich nicht. Man müsste wohl auch als Gast Umwege in Kauf nehmen, wenn die Mehrzahl der anderen Gäste einen anderen Anschluss kriegen will.

  3. #3 demolog
    3. Oktober 2014

    Es ist es unklar, ob, wenn Deutschlands größter Internetknotenpunkt (Frankfurt?) ausfällt, tatsächlich alles noch funktioniert, wie sonst auch. Wahrscheinlich nämlich gehen dann nur noch nationale Routings – also Webseiten auf nationalen Servern – ohne Services aus dem Ausland etwa. Oder alles nur ganz langsam.

    Dann gäbe es noch die bei der Hardware übliche Angewohnheit, alle wesendlichen Betriebsteile mindestens doppelt zu installieren. Raidverbunde realisieren das auch für die Software. Fällt etwas aus, kann es umgehend weitergehen.
    Analog dazu müsste man zwei Radarstationen, zwei Flughäfen und zwei Flugzeuge pro Linie bereithalten.

    Die Antwort auf eine solche Eingabe möchte ich mal sehen.

    Davon abgesehen kann doch die US-Army mit einem mobilen Radargerät ausrücken, um das Problem zu kitten?
    Ist wieder typisch – so einfallslos. Nebenher basteln die Offiziere aber wieder an tollen “Übungsplänen”, damit die Truppe auch beschäftigt ist…

    Was war das nun? Ein Selbstmordversuch? Oder Anschlag wegen Elektrosmog?

  4. #4 Alderamin
    4. Oktober 2014

    @Jürgen

    Wäre es eigentlich möglich, Flugknoten und -Netze nach dem Vorbild eines Internetprotokolls zu konstruieren?

    Ich denke nicht. Beim Internet geht jedes Paket ja seinen eigenen Weg (jedenfalls bei TCP/IP) und kann jederzeit einen alternativen Weg einschlagen, wenn eine Route congested ist. Beim Flugzeug scheitert das schon alleine an den unterschiedlichen Flugdauern und Betankungsmengen für kurzfristig geänderte Strecken. So würde man keine Flugpläne einhalten können. Beim Internet ist es auch egal, wernn Pakete mal in der falschen Reihenfolge ankommen. Bei Flugzeugen möchte man ungern seinen Anschluss wegen eines Umwegs verpassen.

    Was Dir vielleicht vorschwebt, wäre eine Art Netzplan wie bei der U-Bahn, aber dann müsste man die Freiheit haben, auch mal in eine andere Maschine zu steigen als die gebuchte. Das würde es wieder verteuern, weil viele Maschinen zu gewissen Zeiten dann schlecht gebucht wären, während es zu anderen Zeiten zu Kapazitätsengpässen käme. In die U-Bahn kann man immer noch ein paar Leute auf den Stehplätzen quetschen, im Flugzeug muss jeder sitzen. Wegen der Planbarkeit muss man feste Flüge buchen.

    Kürzere Bodenzeit gehen auch kaum, weil man die ja bereits weitmöglichst optimiert. Was denkbar wäre, wären mehr kleine regionale Flughäfen. Das ist in den USA ja auch zum Teil schon so. Für die Überseeflüge muss man jedoch recht große Maschinen füllen, weil nur diese die Reichweite haben, und je mehr Leute im Flugzeug sitzen, desto günstiger wird der Flug, daher wird man auf die großen Hubs kaum verzichten können.

    Ich mache allerdings, wenn es irgendwie geht, um Heathrow einen Bogen, was habe ich da schon an Warteschleifen geflogen. Brüssel ist ein kleiner Hub, von wo man überall hin kommt, meist günstiger als aus Deutschland, und der ist für mich näher als Frankfurt. Und über Amsterdam fliege ich auch gerne, ab Köln oder Düsseldorf.