Dass Ebola erst zum Thema wurde, als ihm auch Nicht-Afrikaner zum Opfer fielen, wäre zwar ein Thema für sich, aber dass weit abgelegen grassierende Epidemien uns weniger aufregen als Krankheiten, die quasi vor unseren Haustüren umgehen, ist andererseits auch leicht nachvollziehbar. Dass aktuell – nachdem bekannt wurde, dass es zum ersten Infektionsfall innerhalb der USA gekommen ist, beispielsweise – also die Zeitungen voll mit diesem Thema sind (die New York Times hat heute ungefähr ein Dutzend verschiedener Beiträge im Blatt, die das Thema behandeln, vom Porträt der infizierten Krankenschwester in Dallas bis hin zu den wirtschaftlichen Folgen der Epidemie für Afrika), ist also nicht wirklich überraschend. Ich schätze mal, dass es in Deutschland bald ähnlich aussehen wird, nachdem nun der erste Ebola-Patient hier gestorben ist. Die Angst, dass sich die Epidemie auch in den Industrienationen ausbreiten könnte, ist zwar verständlich – aber für eine Panik gibt es, wenn ich diesen Artikel aus der heutigen New York Times (Scientists Rein In Fears of a Virus Whose Mysteries Tend to Invite Speculation) richtig verstehe, dennoch keinen Grund: Auch wenn Viren dazu neigen zu mutieren, und das Ebola-Virus sich auch nachweislich seit seinem ersten Auftauchen im Jahr 1976 verändert hat, gibt es keine Anzeichen – und auch keine wissenschaftlich plausiblen Mechanismen – dafür, dass es sich plötzlich und kurzfristig zu einem aggressiven Supervirus entwickeln könnte, das statt durch Kontakt mit Körperflüssigkeiten (dem bisherigen Infektionsweg) plötzlich durch die Luft oder anderen Wegen übertragbar werden könnte.

Dass wir erst seit knapp vier Jahrzehnten von der Existenz des Virus wissen, heißt ja nicht, dass es ein neues Phänomen ist; Derek Taylor von der State University of New York in Buffalo hat vor einem Monat ein Paper veröffentlicht, in dem er Belege dafür präsentiert, dass sich das Ebolavirus bereits im frühen Miozän (also vor rund 20 Millionen Jahren) als eigene Linie vom Marburgvirus abgespaltet hat. Der NYT-Artikel zitiert ausgiebig den Biologen Edward Holmes von der University of Sydney, der sich vor allem über die Panikmache aufregt – er sei “bestürzt” über einige der unsinnigen Spekulationen, und er warnt, dass “wir als Wissenschaftler sehr vorsichtig sein müssen, dass wir keine Panikmacher werden.” Denn um sich so radikal zu verändern, dass es sich auch über die Luft verbreiten kann, sei nicht nur eine einzelne Mutation des Virus notwendig, sondern viele Mutationen in vielen Genen – und dafür gebe es, aus biologischer Sicht, derzeit keinen “Anlass” (um mal ganz vorsichtig ein anthropozentrisches Sprachbild zu verwenden): “Dem Virus geht es derzeit ganz gut” zitiert die NYTimes den australischen Biologen. “Es müsste schon von irgend einem Vorteil sein, diesen ziemlich großen Sprung zu machen.” Dass sich die Seuche in ihrem aktuellen Ausbruch so weit verbreiten konnte, liege wohl weniger an Veränderungen des Virus selbst, sondern vielmehr daran, dass es erstmals die großen Bevölkerungszentren in Westafrika (und damit auch potenzielle “Brückenköpfe” für eine globale Ausbreitung) erreicht habe – frühere Ebola-Epidemien schienen sich auf abgelegene, ländliche Regionen zu beschränken.

Doch so ganz kann selbst Dr. Holmes dem Versuch, Panik zu wecken, nicht widerstehen: Wenn das Ebola-Virus schon seit Jahrmillionen existiere, aber erst vor wenigen Jahrzehnten bei Menschen beobachtet wurde, dann könne das ja bedeuten, dass noch viele unentdeckte Verwandte dieses Virus auf dem gleichen evolutionären Ast sitzen. Und wir diese Ebola-Cousins vielleicht auch bald kennen lernen werden (müssen): “Es gibt noch viele andere Sachen, die wie Ebola sind”, lautet der Schlusssatz von Holmes, mit dem der Artikel dann doch unerwartet beunruhigend endet.

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Kommentare (15)

  1. #1 rolak
    14. Oktober 2014

    Dass Ebola erst zum Thema wurde, als ihm auch Nicht-Afrikaner zum Opfer fielen

    ..war der erwartete Lauf der Dinge. Leider.
    Mit einer Leiche sofort von Null auf Panik.

  2. #2 Hirk
    15. Oktober 2014

    Muss man nicht davon ausgehen, dass jeder Staat der was auf sich hält an waffentauglichen Manipulationen solcher Viren forscht, so dass wir es früher oder später mit Viren zu tun haben die sich nicht mehr an die oben beschriebenen Regeln halten. Oder ist das gleich wieder “Verschwörungstheorie”?
    Ich hatte irgendwo gelesen, dass Ebola jetzt über die Luft übertragbar sei, was ja nicht stimmen muss. Falls aber doch, so mein erster Gedanke hat da vielleicht wer nachgeholfen.

  3. #3 wereatheist
    15. Oktober 2014

    @Hirk, #2:

    ist das gleich wieder “Verschwörungstheorie”?

    Genau das ist es (ohne Anführungszeichen).
    Denn damit ein Virus “waffentauglich” wird, müsste es wohl als Aerosol verbreitbar sein (durch die Luft).
    Und dann gerät es quasi sofort außer Kontrolle.
    Was Militärs und Regierungen, selbst ziemlich durchgeknallt wirkende, aber gar nicht schätzen, ist etwas, das sich nach Freisetzung nicht mehr kontrollieren lässt…
    Bei militärischer Forschung an/mit Viren & Co. ging es ganz überwiegend um Abwehrmaßnahmen und (potenzielle) Vergeltung, falls jemand wirklich so irre ist.

  4. #4 Hobbes
    15. Oktober 2014

    Außerdem ist ein Virus der erst nach Ausbruch der Symptome ansteckend ist unter Kriegsrecht relativ schnell wieder ein zu dämmen. Man könnte somit nur hohen kurzfristigen Kollateralschaden komplett ohne Kontrolle erzielen. Das würde nur etwas bringen gegen Staaten die keine Ahnung haben das sie angegriffen werden. Aber für einen Erstschlag haben wir doch etwas bessere Waffen. Bleibt also nur verdeckter Terrorismus. Aber niemand würde in einem Stellvertreterkrieg den Marionetten eine sich selbst reproduzierende Terrorwaffe geben.

    Ebola als Waffe bleibt somit eher was für Hollywood. Auch wenn der Krankheitsverlauf schon in etwa das ist was man aus einem Horrorfilm gewohnt ist. Inklusive Blut aus den Augen und am eigenen Blut ertrinken.

    Rein aus Interesse: Weiß jemand was für Vorruassetzungen ein Virus braucht um sich per Tröpfcheninfektion zu verbreiten? Er muss ja auf jeden Fall die Nasenschleimhaut befallen. Aberdas wird es ja wohl noch nicht gewesen sein, es muss ja auch eklatante Nachteile geben. Denn sonst würde ja fast jede Form von kälteunempfindlichen Viren sich so verbreiten.

  5. #5 Hirk
    15. Oktober 2014

    Klingt ja halbwegs beruhigend.

  6. #6 der_kris
    16. Oktober 2014

    “Dem Virus geht es derzeit ganz gut”

    Diese Formulierung made my day. Schön zu hören, dass es unbelebten Ansammlungen aus Nukleinsäuren und Proteinen gut geht 😉

  7. #7 Ralph
    16. Oktober 2014

    Nachdem eine infizierte amerikanische Krankenschwester in einem Flugzeug sass, welches anschließend 3 weitere Flüge durchführte, wird sich in einigen Wochen zeigen wie, hoch, oder wie gering die Ansteckungsgefahr ist. Bis dahin kann man nur hoffen, dass sich dabei niemand angesteckt hat. In Frage kommen Passagiere, Bordpersonal, Reinigungskräfte, Gepäckabfertigungspersonal, und Personenkontrolleure im näheren Umfeld.

  8. #8 wereatheist
    16. Oktober 2014

    @Ralph, #7:
    Wenn sie keine Symptome hatte, also nicht ins Flugzeug gekotzt hat, sollte das eigentlich kein Problem sein.

  9. #9 wereatheist
    16. Oktober 2014

    nochma zu #7:
    Es haben in den letzten Wochen so einige Infizierte in Flugzeugen gesessen, die anschließend n weitere Flüge durchführten, aber bisher sind die Paar(Absicht!) Fälle von Ansteckung außerhalb Westafrikas auf den klassischen Kontakt mit Körperflüssigkeiten zurückzuführen.

  10. #10 Ralph
    17. Oktober 2014

    @were
    bei Fällen mit ‘Absicht’ geht man von ausreichenden Sicherheitsvorkehrungen aus.
    Bei dem erwähnten Fall ‘versehentlich’ ist man gerade dabei die Passagiere des entsprechenden Fluges abzuarbeiten. Den Aufwand kann man sich nicht ersparen. Insbesondere ist die Übertragungswahrscheinlichkeit wohl noch nicht ganz klar, wie ich gestern der Gesprächsrunde auf Phönix mit u.A. Alexander Kekulé entnahm. Panikt ist natürlich nicht angebracht – so oder so.

  11. #11 Ralph
    17. Oktober 2014

    Interessant auch, dass in Gegenden Afrikas, in denen Ebola schon seid Generationen existierte, man in der Vergangenheit sehr gut damit umgehen konnte.
    Jeder, der ein Krankeitssymptom hatte, kam auf eine ‘Isolierstation’, eine entlegene Behausung, fernab der Siedlungen. Betreut wurden die Patienten von älteren Frauen, die sich erfahrungsgemäß nicht mehre ansteckten. Entweder man starb, oder wurde wieder gesund und konnte in die Gemeinschaft zurückkehren. Auch eine global vernetzte Zivilisation sollte damit umgehen können falls man das Problem ernst nimmt, es nicht verdrängt und hellwach bleibt.

  12. #12 Theres
    17. Oktober 2014

    @Ralph
    Hast du dafür Quellen?

  13. #13 wereatheist
    17. Oktober 2014

    #10:
    Ich hatte absichtlich ‘Paar’ mit großem P geschrieben, weil mir nur zwei Fälle von Ansteckung außerhalb Westafrikas bekannt waren 😛

  14. #14 rolak
    17. Oktober 2014

    LeseGucktipp: Keine Panik wegen Ebola

    Und zwar in der ARD-Mediathek nach der Ausstrahlung gestern. Noch verfügbar bis heute. Und auch hier bitte keine Panik: Heute in einem Jahr.

    So ab 12:06 gibt Gerd Antes ein “neulich <am Flughafen>”-statement ab. ^^Immer diese binnenfilmischen Rahmenhandlungen…

  15. #15 Karl Mistelberger
    30. März 2015

    > Dass Ebola erst zum Thema wurde, als ihm auch Nicht-Afrikaner zum Opfer fielen, wäre zwar ein Thema für sich, aber dass weit abgelegen grassierende Epidemien uns weniger aufregen als Krankheiten, die quasi vor unseren Haustüren umgehen, ist andererseits auch leicht nachvollziehbar. Dass aktuell – nachdem bekannt wurde, dass es zum ersten Infektionsfall innerhalb der USA gekommen ist, beispielsweise – also die Zeitungen voll mit diesem Thema sind (die New York Times hat heute ungefähr ein Dutzend verschiedener Beiträge im Blatt, die das Thema behandeln, vom Porträt der infizierten Krankenschwester in Dallas bis hin zu den wirtschaftlichen Folgen der Epidemie für Afrika), ist also nicht wirklich überraschend.

    Einen Überblick, wie es wirklich war und ist gibt es hier: https://www.spektrum.de/alias/seuchenmedizin/krieg-gegen-ebola/1333985

    So wie ein Bild mehr als tausend Worte aussagen kann vermittelt ein journalistisch professioneller Artikel mehr als tausend Ergüsse von (Hobby)-Bloggern. 😉