Es geht hier um die sechs italienischen Erdbebenexperten, die für ihre – nach Ansicht der Behörden grob fahrlässige – Nicht-Vorhersage des Erdbebens von l’Aquila zu jeweils sechs Jahren Haft wegen Totschlags verurteilt worden waren. Ob es wirklich ein kompletter Freispruch ist, kann ich auf der Basis dieses nature-Artikels nicht ganz klar einschätzen; dort ist die Rede davon, dass ein Berufungsgericht das Totschlags-Urteil gegen die sechs Geowissenschaftler kassiert habe, sein Entscheidungsbegründung eventuell aber erst in einigen Monaten bekanntgeben wird. Auf der Basis dessen, was in nature steht, wäre nicht auszuschließen, dass diese Berufungsrichter trotzdem auch wieder einen Schuldspruch fällen – eventuell aber wegen eines deutlich geringeren Vergehens, und eventuell ohne Haftstrafe etc. Trotzdem ist es ein Signal – wenn auch eines, das immer noch missverständlich sein kann. Denn der Beamte Bernardo De Bernadinis ist auch weiterhin schuldig befunden und mit einer Haftstrafe von zwei Jahren belegt worden – er war es, der die abwägenden Einschätzungen der Wissenschaftler in die als abwiegelnde Entwarnung empfundene und letztlich fatale Einschätzung umformulierte, dass dieses Erdbeben, das sich mit einer ganzen Reihe von Vorbeben angekündigt hatte (und letztlich, als es dann kam, mehr als 300 Menschenleben forderte), aufgrund all der Vorbeben nunmehr sehr unwahrscheinlich geworden sei.
Bleibt also abzuwarten, wie genau diese Berufungsurteile begründet werden – und ob sie dadurch das Problem beseitigen, das seither auf Italiens (und möglicherweise auch anderen nationalen) Erdbebenforschern lastet: dass eine wissenschaftlich korrekte Risikoeinschätzung zu einer absoluten Prognose uminterpretiert wird (“kommt/kommt nicht”) – und die Wissenschaftler dann dafür haftbar gemacht werden.
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